Paderborner Dom als größtes Exponat in neuer Gotik-Ausstellung

"Westfälisch gotisches" Kuriosum

Als hoch und hell gilt die Gotik allgemein. Weniger allgemein bekannt ist ihr Einfluss in Westfalen. Eine neue Ausstellung in Paderborn will das ändern; mit eigenen Exponaten und über 150 Leihgaben aus ganz Europa.

Mittelschiff im Paderborner Dom / © Andreas Kühlken (KNA)
Mittelschiff im Paderborner Dom / © Andreas Kühlken ( KNA )

Der Paderborner Dom ist ein Kuriosum. Niemand weiß, wann genau seine Grundsteinlegung war oder wann er geweiht wurde. Ebenfalls kurios: Sein Baustil ist das, was sich als "westfälische Gotik" bezeichnen lässt. Gotik, weil sie das große Vorbild war, westfälisch, weil die Baumeister noch nie eine gotische Kirche gesehen hatten. Zeichnungen und Erzählungen waren alles, was sie hatten.

Das Ergebnis ist eine Mischung aus gotischen und westfälischen Elementen. Damit stellt der Dom aber auch das größte Exponat einer neuen Ausstellung in der Bischofsstadt mit dem Titel: "Gotik. Der Paderborner Dom und die Baukultur des 13. Jahrhunderts in Europa".

Mehr als 150 Leihgaben aus ganz Europa

Die Gotik wurde rasch zum europäischen Phänomen, das merkt man schnell, wenn man durch die Schau schlendert, die von Freitag bis zum 13. Januar 2019 im Paderborner Diözesanmuseum zu sehen ist. Deutsche Leihgaben stammen vor allem aus Aachen und Mainz. Der Metropolit von Mainz war damals auch für Paderborn zuständig, entsprechend schauten die Paderborner Bischöfe immer an die Stadt am Rhein und ließen sich dort inspirieren.

Doch auch Stücke aus dem spanischen Pamplona und den beiden Pariser Museen Louvre und Cluny zieren die auf mehrere Stockwerke verteilte Ausstellung, die von Petra Koch-Lütke Westhues vom Diözesanmuseum kuratiert wurde. Besonders freut man sich in Paderborn über die 157 Leihgaben aus 80 verschiedenen Einrichtungen in ganz Europa.

Kennzeichen der Gotik: die Wirklichkeitserfahrung

So ist aus Mainz der "Kopf mit der Binde" aus der Werkstatt des "Naumburger Meisters" zu sehen. Aus dessen Werkstatt werden auch ein grinsender Teufel und ein Hopfenfries gezeigt. Zu den Arbeiten gehört überdies die sogenannte "Fuststraßen-Madonna", benannt nach ihrem letzten Standort, der Fuststraße in der Mainzer Altstadt. Die lebensgroße Figur mit langem Haar gilt als eine der rätselhaftesten Skulpturen der deutschen Frühgotik und wurde erstmals überhaupt entliehen.

Gerade sie gibt viele Rätsel auf und ist gleichzeitig ein Paradebeispiel einer gotischen Skulptur. Ihre Machart lässt darauf schließen, dass sie für den Mainzer Dom gefertigt wurde, was jedoch nicht ihrem Fundort entspricht.

Zugleich ist die steinerne Figur mit dem roten Kleid, blauen Mantel und dem Jesus-Kind auf dem Arm in ihrer Darstellung sehr gotisch - keineswegs starr, sondern lächelnd dem Kind auf ihrem Arm zugewandt, dass seinerseits schelmisch grinsend nach der Spange greift, die ihren Mantel zusammenhält. Ihr Haar trägt die Figur offen und der Faltenwurf des Steinmantels simuliert Beweglichkeit. Das, so Museumsdirektor Christoph Stiegemann, sei ein Kennzeichen der Gotik: die Wirklichkeitserfahrung, die Durchdringung der Wirklichkeit.

Paderborner Dom ist voller gotischer Kunst und Architektur

Im 13. Jahrhundert änderte sich die Architektur, sie wurde hoch und hell, die Musik wurde mehrstimmig und die Wissenschaften machten Fortschritte. Das alles zeigt auch die Ausstellung: Beginnend im Erdgeschoss thematisiert sie zunächst den historischen Kontext und das Adelsgeschlecht der Lipper, die den Dombau initiierten und vier Paderborner Bischöfe stellten.

Weiter geht es immer wieder Treppen hinauf und um Ecken, hinter jeder wartet eine neue Welt der Gotik: Skulpturen, von denen einige noch nicht einmal fertig gestellt wurden, aber dennoch im Dom angebracht wurden, in der Hoffnung, ganz weit oben falle ihr halb fertiger Zustand nicht auf. Strahlend bunte Kirchenfester. Kostbare Reliquiare aus Gold mit filigranen Details. Musikbücher, die erstmals die Mehrstimmigkeit des Gesangs belegen. Gleich mit dabei: Eine Audio-Station, sodass der Besucher auch erfahren kann, wie die Musik klang. 3D-Modelle und digitale Animationen erleichtern darüber hinaus den Zugang.

Zugänglich bleibt auch der Dom: Sein Äußeres wie Inneres ist voller gotischer Kunst und Architektur. Demnächst wird es sogar mehr: Im südöstlichen Querhaus will man den gotischen Lettner wieder aufbauen, der einst Altarraum und Kirchenschiff voneinander trennte. An seinem neuen Ort soll er nichts mehr trennen, sondern nur noch schön sein und den Betrachter an die Gotik des 13. Jahrhunderts erinnern.

Von Nadine Vogelsberg


Quelle:
KNA