Dompropst zur 1000-jährigen Geschichte des Wormser Doms

"Faszinierend, dass jede Zeit ihre Spuren im Dom hinterlassen hat"

Kaiser, Päpste und deren Kritiker Luther: Der Wormser Dom war Schauplatz historischer Ereignisse. Mit zahlreichen Veranstaltungen erinnern die Wormser 2018 daran, dass er vor 1000 Jahren geweiht wurde.

Wormser Dom Sankt Peter / © Wolfgang Radtke (KNA)
Wormser Dom Sankt Peter / © Wolfgang Radtke ( KNA )

Bedächtig steigt Tobias Schäfer die Stufen zum Altarbereich im Ostchor des Wormser Doms hinauf. Sein Blick schweift in die Tiefe des Kirchenschiffs, vorbei am Chorgestühl, vorbei an den alten Heiligenfiguren, von denen auf jeder Säule eine thront, vorbei am abwechslungsreichen Lichtspiel, das die vielfarbigen Fenster der Seitenschiffe in den Raum werfen. Zufrieden lächelnd sagt er: "Diese unglaubliche Raumwirkung! Je nachdem, zu welcher Tageszeit man hereinschaut, ist das ganz verschieden!"

Tausende Male hat der Priester diesen Anblick schon aufsaugen können, aber noch immer ist ihm die Faszination für die vielen Facetten "seiner" Kirche anzumerken.

"Propst am Dom" und damit Hausherr

Schäfer ist Dompropst, genauer: "Propst am Dom" und damit Hausherr über den Wormser Dom Sankt Peter. Der 52-jährige Geistliche, der 2017 seiner Priesterweihe vor 25 Jahren gedacht hat, steht 2018 vor dem nächsten, noch viel runderen Jubiläum. Von Ende Januar an begehen die Wormser die 1000-Jahr-Feier der Weihe ihres Doms. Der damalige Wormser Bischof Burchard, an den eine Bronzestatue vor der Kathedrale erinnert, weihte die romanische Kirche am 9. Juni 1018.

Schon weitaus früher, im siebten Jahrhundert, hatte Bischof Berthulf einen Dom bauen lassen, der jedoch irgendwann zu klein wurde. "Im Jahr 1000 wurde Burchard Bischof von Worms. Er ließ den alten Dom niederreißen und binnen 15 Jahren als romanische Kathedrale neu aufbauen", erzählt Schäfer. Doch schon wenige Jahre nach der Weihe kam es zu einem ersten Teileinsturz. "Man vermutet, dass es auch an anderen Stellen Bauschäden gab, so dass man sich schon gute 100 Jahre später entschieden hat, den Dom abzutragen und auf dem Grundriss des Vorgängerbaus neu aufzubauen" so der Propst.

Zwischen 1130 und 1181 wurde Burchards Gotteshaus abgerissen und ebenfalls im romanischen Stil neu gebaut. "Vom Grundriss entspricht er aber dem jetzigen Dom mit den vier runden Flankentürmen", sagt Schäfer. Dem neuen Dom kamen die Fortschritte der Technik zugute: Anders als zuvor konnten die Baumeister eine gewölbte statt einer flachen Decke einziehen.

In den folgenden Jahrhunderten wurde die Kirche mehrfach beschädigt. Im Zweiten Weltkrieg brannte das hölzerne Dach ab, das Gewölbe hielt aber. Der neue Dachstuhl wurde aus dem Stahl einer nicht mehr gebrauchten amerikanischen Behelfsbrücke über den Rhein gebaut. "Es ist faszinierend, dass jede Zeit ihre Spuren im Dom hinterlassen hat: der barocke Hochaltar, die modernen Fenster, die Orgel aus unserer Zeit", sagt Schäfer.

Pfarrkirche mit Ehrentitel

Mit der Auflösung des Bistums Worms im Nachgang der napoleonischen Eroberungen verlor der Dom endgültig seine Bedeutung als katholischer Bischofssitz, der er nach der Reformation durch eine Sonderregelung geblieben war. Heute ist der Dom eine Pfarrkirche des Bistums Mainz, 1925 erhielt er den päpstlichen Ehrentitel "Basilica minor". Für die Betriebskosten und das Personal, das man braucht, wenn jährlich 300.000 bis 400.000 Besucher vorbeischauen, kommt die Pfarrei auf.

Die laufende Außenrenovierung von 2002 bis etwa 2025/26 wird vom Bistum Mainz und vom Dombauverein unterstützt. Schäfer hat kein repräsentatives Domkapitel um sich; er ist ein ganz "normaler" Pfarrer von rund 4.500 Gläubigen, der von der Jugendarbeit bis zu Begräbnissen im Einsatz ist.

Doch sein heutiger Einsatzort, an dem er seit 2014 tätig ist, kommt seinem Interesse an der Geschichte zu Gute. Der Dom ist ihm schnell ans Herz gewachsen: "Das war Liebe auf den ersten Blick." Wer mit ihm einen Rundgang durch die Kathedrale macht, erfährt zahlreiche historische Details. Etwa, dass in einem farbenprächtigen Geschichtsfenster mit historisch bedeutsamen Ereignissen, das der Glaskünstler Heinz Hindorf in den 1980ern entworfen hat, auch Luther abgebildet ist – äußerst ungewöhnlich für eine katholische Kirche.

1521 musste sich der Reformator Luther vor dem Reichstag zu Worms rechtfertigen. Während des politischen Großereignisses weigerte sich der wegen seiner reformatorischen Thesen umstrittene Theologe, seine Lehren zurückzunehmen, weshalb er geächtet wurde. Den Dom durfte er als bereits vom Papst exkommunizierter Ex-Mönch nicht besuchen. "Ob er sich trotzdem mal hereingeschlichen hat, wissen wir nicht", sagt Schäfer. Im heute eher evangelisch geprägten Worms pflegt er eine gute ökumenische Zusammenarbeit.

Wormser Papst

Für Erstaunen sorge bei vielen Besuchern des Doms, wenn er ihnen verrate: "Der erste deutsche Papst war ein Wormser gewesen." Es war der 972 geborene Bruno von Kärnten, der an der Wormser Domschule erzogen wurde und auf Betreiben des deutschen Kaisers Otto III. bereits im Jahr 996 Papst wurde.

"Die Vorstellung, dass einer mit 24 Papst ist und von einem Kaiser eingesetzt wird, der 17 ist – beides fromme Männer, die die Welt verändern wollten – solche Dinge faszinieren mich", sagt Schäfer. Nach nur drei Jahren starb der junge Papst; heute erinnert eine Kopie seiner Grabplatte in der Gruft des Doms an ihn. Sie hängt direkt über dem Sarkophag seiner Mutter, der salischen Herzogin Judith von Kärnten.

In Worms wurde im Jahr 1048 der deutsche Bischof Bruno von Toul als Papst Leo IX. nominiert, der in die Geschichte eingehen sollte, weil unter seinem Pontifikat 1054 die endgültige Trennung zwischen römisch-katholischer und orthodoxer Kirche vollzogen wurde. Heute ist Worms zwar kein bedeutender politischer Schauplatz mehr, doch 2021 soll eine große Ausstellung an den Reichstag von 1521 und Luthers legendäre Worte "Hier stehe ich – ich kann nicht anders" erinnern.

Im Jahr 2018 aber steht keine Person, sondern der Dom im Mittelpunkt. Das Programm reicht von der Weihe neuer Glocken bis zur großen Festwoche im Sommer. Schäfer ist sich sicher, dass das die ganze Stadt bewegen wird: "Die Wormser identifizieren sich mit ihrem Dom, egal ob katholisch, evangelisch oder ob sie nichts mit Kirche am Hut haben. Egal, aus welcher Richtung man auf Worms zukommt: Immer sieht man den Dom die Stadt überragen."


Tobias Schäfer, Propst am Wormser Dom / © Harald Oppitz (KNA)
Tobias Schäfer, Propst am Wormser Dom / © Harald Oppitz ( KNA )

Wormser Dom / © Harald Oppitz (KNA)
Wormser Dom / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA