Die Lehren aus dem Finanzskandal im Bistum Eichstätt

Transparenz plus Bildung

Aufruhr im Bistum Eichstätt: Ein Mitarbeiter der Diözese soll ungesicherte Darlehen vergeben haben. Der Schaden könnte sich auf bis zu 60 Millionen Dollar belaufen. Geht die katholische Kirche unverantwortlich mit ihrem Vermögen um?

 (DR)

DOMRADIO.DE: Die krummen Geschäfte fielen im Zuge der Transparenz-Kampagne auf, die der Eichstätter Bischof Hanke Ende 2015 angeordnet hatte. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft München, der betreffende Mitarbeiter und ein deutscher Geschäftsmann in den USA sitzen in Haft. Möglich war der Finanzdeal in Eichstätt offenbar deshalb, weil der zuständige Finanzdirektor - ein Geistlicher ohne tiefere Wirtschaftskenntnisse - mit der Darlehensvergabe komplett überfordert war. Ist das symptomatisch für die katholische Kirche?

Bruder Paulus Terwitte (Kapuziner und Fachmann für ethisch-moralische Fragen): Heutzutage Gott sei Dank nicht mehr. Allerdings herrschte lange die Vorstellung, dass ein Geistlicher mit der Weihe automatisch alle Fähigkeiten bekommt und alles kann. Ich habe beim Mittagessen mit einer 81-Jahre alten Ordensschwester darüber gesprochen, die hat mir bestätigt: Genau so war das bei uns. Wenn jemand seine "Ewige Profess" abgelegt hatte, konnte derjenige plötzlich ein Krankenhaus leiten, eine Station leiten, wenn es sein muss, auch eine Spritze geben. Aber da hat die Kirche Gott sei Dank gelernt.

DOMRADIO.DE: Mit der katholischen Kirche verwaltet "eine der reichsten Organisationen bis heute ihr Geld wie im achten Jahrhundert" - so die Einschätzung in einem Zeitungskommentar. Ist da etwas dran?

Bruder Paulus: Nein, das ist einfach Unkenntnis. Da spielen romantische Filmvorstellungen mit hinein. Heute gibt es in fast allen kirchlichen Organisationen - besonders in den Bistümern - eine klare Finanzorganisation mit Spitzenkräften, die sich darum kümmern, dass das Geld transparent angelegt wird. Dass es da in einigen Fällen sicher Nachholbedarf gibt, ist gar keine Frage. Die Kirche ist ja eine der größten Institutionen in Deutschland. Ich erlebe ja, wie das in den Orden läuft, zum Beispiel in unserem eigenen. Da haben wir schon seit über zehn Jahren das Geld in der Verwaltung von Leuten, die das schon seit 30 Jahren berufsmäßig machen.

DOMRADIO.DE: Aufgefallen ist die Affäre, weil der zuständige Bischof seine Transparenzkampagne angeordnet hatte, also das Vermögen des Bistums erstmals überhaupt nach professionellen Standards überprüfen ließ. Ähnliche Transparenzbemühungen haben wir in den vergangenen Jahren ja in vielen Bistümern gesehen. Das geht doch in die richtige Richtung, oder?

Bruder Paulus: Ich sehe schon, dass das in die richtige Richtung geht. Und zwar dann, wenn noch - wie das jetzt auch in Eichstätt geschieht - die entsprechenden Laiengremien mit Leuten ausgestattet werden, die Sachverstand haben. Wir müssen also in die Gremien nicht diejenigen hineinholen, die es ehrenvoll finden, in einem Gremium zu sitzen, sondern die, die wirklich in das Prüfungsgeschehen hineinschauen und die auch nachvollziehen können, ob die Prüfer tatsächlich das prüfen, was zu prüfen ist. Ich glaube, da sind wir schon ganz weite Schritte nach vorne gegangen.

DOMRADIO.DE: Ist es besonders schwer, über Jahrhunderte gewachsene Strukturen modernem Wirtschaften anzupassen?

Bruder Paulus: Ich glaube nicht, dass das so schwer ist. Man darf ja nicht vergessen, dass die Kirche eine der ersten Institutionen ist, die überhaupt mit Finanzwirtschaft angefangen hat. Die franziskanischen Orden haben die Sparkassen im 13. Jahrhundert als Verleih von Geld der Reichen an die Armen gegründet. Da hat es sicher auch Fehlentwicklungen gegeben, vor allem durch Egoismen, wenn also Bischöfe glauben, sie hätten mit der Bischofsweihe die Weisheit gefressen oder gar das Finanzwissen. Ich glaube aber, dass uns mittlerweile allen klar ist, dass das kirchliche Amt dazu da ist, die Charismen einzusetzen, einzuschätzen und dann schließlich auch gehorsam zu sein gegenüber denen, die es einfach besser wissen als manches geistliche Haupt. 

DOMRADIO.DE: Das Ganze ist ein Tiefschlag für das ohnehin angekratzte Image der katholischen Kirche. Was tun, um da möglichst schnell wieder Vertrauen gutzumachen?

Bruder Paulus: Ich glaube, dass man in den Pfarreien anfangen muss, die Haushaltsauslegung, die ja tatsächlich stattfindet, mit entsprechenden Informationsveranstaltungen zu verbinden. Die Verwaltungsräte sollten also Bildungsveranstaltungen für interessierte Laien anbieten, damit sie überhaupt verstehen, was da offen gelegt wird. Wir kennen das alle von unseren Steuererklärungen, dass wir da schon nicht durchblicken. Wie sollen wir dann durchblicken bei diesen ganzen Dingen? Transparenzaktionen sind jetzt richtig, aber sie müssen mit Bildung gepaart werden, damit diejenigen, die jetzt informiert werden sollen, es letztlich auch verstehen, worüber sie informiert werden und sich dann auch wirklich ihr Urteil bilden können.

Das Interview führte Milena Furman.


Bruder Paulus Terwitte (KNA)
Bruder Paulus Terwitte / ( KNA )
Quelle:
DR