Jeder vierte Berliner gehört noch einer Kirche an

"Christenschwund" in der Hauptstadt

Als besonders fromm galt Berlin noch nie. Doch vor allem der Mitgliederschwund der evangelischen Kirche macht die Christen in Berlin immer mehr zur Minderheit.

Autor/in:
Gregor Krumpholz
 (DR)

Als 'Hauptstadt des Atheismus' wird Berlin immer mal wieder bezeichnet. Tatsächlich gehört deutlich mehr als die Hälfte der Einwohner keiner Religionsgemeinschaft an. Zugleich betonen Spitzenvertreter der Kirchen gerne, wieviel Offenheit in religiösen Fragen sie auch bei Menschen feststellen, die keinen Taufschein haben oder ihrer Glaubensgemeinschaft den Rücken gekehrt haben. So verwies Berlins evangelischer Bischof Markus Dröge auf das aus seiner Sicht große gesellschaftliche Interesse am zu Ende gegangenen "Reformationsjubiläum".

Keine großen Volkskirchen mehr

Die Zahlen indes sehen anders aus. In den vergangenen zehn Jahren verloren die beiden großen Kirchen in der Millionenmetropole erheblich an Rückhalt, wie aus einer am Donnerstag veröffentlichten Statistik des Senats hervorgeht. Demnach waren 2007 noch rund 30 Prozent der Berliner evangelische oder katholische Christen, Ende 2016 waren es noch 25 Prozent. Legt man längere Vergleichszeiträume an, wird der Absturz noch deutlicher. Weiter unbedacht von den "beiden großen Kirchen" zu sprechen, wird immer fragwürdiger. Die Zuwanderung orthodoxer Christen kann den Trend nicht wesentlich ändern.

Der Rückgang geht zumeist auf Kosten der evangelischen Kirche. Während der Anteil der Protestanten an der wachsenden Bevölkerung der Hauptstadt von 21 auf 16 Prozent sank, ging er bei den Katholiken nur von 9,5 auf 9 Prozent zurück. In Berlin verlor die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) allein seit 2007 mehr als 100.000 Mitglieder und zählt jetzt noch rund 580.000. Im Jahr 2016 verzeichnete die EKBO in Berlin rund 4.000 "Neuzugänge" durch Taufen oder Eintritte, während 8.700 die Kirche verließen.

Erzbistum profitiert von Zuwanderung aus Polen

Im Erzbistum belaufen sich die Eintritte auf jährlich um die 2.000, im vergangenen Jahr traten rund 5.300 Katholiken aus. Mehr als kompensiert wird dies jedoch durch Zuwanderung vor allem aus Polen. So wuchs das Erzbistum in den vergangenen zehn Jahren in der Hauptstadt sogar um 13.000 auf über 331.000 Mitglieder. So bleibt es bei den heute 3,7 Millionen Berlinern weitgehend beim traditionellen katholischen Bevölkerungsanteil um die zehn Prozent, wie es ihn bereits vor hundert Jahren gab.

In etwa gleicher Höhe dürfte die Zahl der Muslime liegen. Mangels einer Art muslimischer Kirchensteuer, die verlässliche Daten liefern könnte, gibt es hier nur Schätzungen. Durch die höhere Geburtenrate und Flüchtlinge aus dem muslimischen Kulturraum wird ihre Zahl voraussichtlich weiter zunehmen. Die gesellschaftliche und politische Stellung der Kirchen steht angesichts dieser Entwicklungen verstärkt unter Rechtfertigungsdruck.

Kirchliche Schulen fordern mehr staatliche Unterstützung

Zwar können sie etwa mit Blick auf die 35 Berliner Schulen in ihrer Trägerschaft weiterhin auf starke Nachfrage auch von nichtchristlichen Familien verweisen und haben gute Karten bei Forderungen nach einer besseren staatlichen Finanzierung. Im Bildungsbereich legte der jahrelange Konflikt um die Einführung eines Religionsunterrichts als ordentliches Lehrfach, bei dem die Kirchen erfolglos blieben, zugleich antikirchliche Ressentiments nicht nur bei Linken und Grünen, sondern auch bis weit in der SPD offen. Diese dürften angesichts des anhaltenden "Christenschwunds" nicht geringer werden.


Gläubige bei einem Werktagsgottesdienst in der Fastenzeit. / ©  Harald Oppitz (KNA)
Gläubige bei einem Werktagsgottesdienst in der Fastenzeit. / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA
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