Tipps für Ziele des früheren Abtprimas der Benediktiner

"Manchmal muss man seine guten Vorsätze aufgeben"

In einem Monat sind die ersten wahrscheinlich längst schon wieder vergessen: Gute Vorsätze fassen viele Menschen, wenn ein neues Jahr ansteht. Das sei auch sinnvoll, meint Notker Wolf, der sich mit dem Thema ausgiebig beschäftigt hat.

Notker Wolf OSB / © Wolfgang Radtke (KNA)
Notker Wolf OSB / © Wolfgang Radtke ( KNA )

KNA: Herr Abtprimas emeritus, Lebensratgeber gibt es bereits wie Sand am Meer. Warum hat Ihrer noch gefehlt?

Notker Wolf (Früherer Abtprimas der Benediktiner aus der oberbayerischen Erzabtei Sankt Ottilien, Autor): Na ja, das Jahresende ist halt kein schlechter Verkaufstermin für ein Buch über gute Vorsätze. Aber im Ernst: Ich kämpfe ständig selbst mit meinen Vorsätzen. Umso mehr, seitdem ich wieder in Sankt Ottilien lebe. Bis vor einem Jahr habe ich ja als Abtprimas 16 Jahre lang in Rom gewohnt. Dort hatte ich einen Sekretär, eine Zugehfrau. In meinem Heimatkloster muss ich nun wieder ohne solche Hilfen zurechtkommen. Ohne gute Vorsätze geht das nicht. Denn gute Vorsätze - zum Beispiel "Jedes Wochenende putze ich das Bad" - sind klare Ziele und dienen der eigenen Disziplinierung.

KNA: Sie sagen, Sie kämpfen mit Ihren Vorsätzen. Bezwingen Sie sie auch?

Wolf: Meistens ja. Es wälzt sich zwar allzu oft in einem der innere Schweinehund. Aber dagegen hilft Folgendes: Man sollte sich immer wieder laut vorsagen, wie gut es einem geht, nachdem man diesen Widerstand besiegt, nachdem man seinen Vorsatz also eingelöst hat. Mein Paradebeispiel dafür ist meine Morgengymnastik: Immer nach dem Aufstehen gegen fünf Uhr in der Früh strecke und dehne ich mich ein paar Minuten. Nicht, weil ich darauf nach dem Aufwachen sofort eine unbändige Lust hätte. Sondern, weil ich weiß: Dieses bisschen Sport hilft mir durch den ganzen Tag, ich fühle mich wohler und bin besser gelaunt.

KNA: Wann ist denn ein Vorsatz sinnvoll und wann nicht?

Wolf: Der wichtigste Zweck eines guten Vorsatzes ist es, die Lebensfreude zu erhalten. Und dabei hilft ein Rat unseres Ordensgründers, des heiligen Benedikt. Er hat gesagt, die Mutter aller Tugenden sei es, das rechte Maß einzuhalten. Dieses Maß ist individuell unterschiedlich. Aber sein Rat bedeutet, dass man beim Fassen guter Vorsätze realistische Ziele anpeilen soll. Diese sollten konkret und für einen überschaubaren Zeitrahmen formuliert werden. Wenn also jemand abnehmen möchte, sollte er sich nicht «einige Kilo weniger im neuen Jahr» vornehmen, sondern etwa "drei Pfund weg bis Februar". Immer beachten sollte man zudem seine eigene Verfassung.

KNA: Was meinen Sie damit?

Wolf: Dass jemand, der von Natur aus eher beleibt ist, sich nicht um jeden Preis zu einer schlanken Tanne herunterhungern sollte. Oder, dass jemand, der mittags immer ein Biorhythmus-Tief verspürt, in der Arbeitspause nicht zehn Kilometer joggen gehen sollte. Wie gesagt: Vorsätze sollen die Lebensfreude erhalten, ja ausbauen - aber doch nicht zerstören. Das gilt übrigens nicht nur in Bezug auf die eigene Person.

KNA: Erklären Sie uns das näher?

Wolf: Manchmal muss man seine guten Vorsätze aufgeben - dann, wenn Mitmenschen unter ihnen leiden. Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Mein Vor-Vorgänger als Erzabt in Sankt Ottilien liebte seine abendliche Entspannungszigarre. Gerade deshalb wollte er in der Fastenzeit bewusst 40 Tage auf diesen Genuss verzichten. Dadurch wurde er allerdings immer nervöser und reizbarer. Zum Glück erwähnte irgendwann ein Mitbruder, wie sehr er den Zigarrenrauch vermisse, so dass der Erzabt einen guten Grund hatte, das Rauchen wieder aufzunehmen.

KNA: Aufhören zu rauchen, das ist wohl einer der häufigsten Vorsätze - jedoch ein ziemlich ichbezogener. In Ihrem Buch scheinen Sie die Menschen indes darauf stoßen zu wollen, sich altruistischere Ziele zu setzen. So schreiben Sie ausführlich über globale Probleme wie Hunger und Umweltzerstörung.

Wolf: Diese Probleme gibt es leider, und sie bedrohen uns Menschen und unseren Planeten immer mehr. Deshalb kann man ruhig auch mal einen Vorsatz fassen wie: Ich esse nur noch einmal pro Woche Fleisch. Ich verzichte am Wochenende aufs Autofahren. Ich kaufe möglichst nur regionale Produkte. Solche Vorsätze wären wegen ihrer positiven gesellschaftlichen Auswirkungen gleich doppelt gute Vorsätze.

KNA: Und Sie - was haben Sie sich für 2018 vorgenommen?

Wolf: Dass ich mir nicht noch etwas vornehmen werde... Na, Spaß beiseite. Ich bin tatsächlich noch nicht so weit. Aber was immer sinnvoll ist: sich vorzunehmen, sich nicht zu sehr zu ärgern und zu wichtig zu nehmen - seine Mitmenschen dafür jeweils umso mehr.

Das Interview führte Christopher Beschnitt. 

Notker Wolf OSB

Werner Wolf wurde am 21. Juni 1940 als Sohn eines Schneiders in Bad Grönenbach im Allgäu geboren. Seit 1951 besuchte er die Oberrealschule Memmingen, bis er 1955 mit dem Vorsatz Missionar zu werden auf das Gymnasium von St. Ottilien wechselte. Nach dem Abitur 1961 trat er in die Missionsbenediktinerabtei St. Ottilien ein und erhielt den Ordensnamen "Notker".

Notker Wolf, Abtprimas der Benediktiner / © Paul Haring (KNA)
Notker Wolf, Abtprimas der Benediktiner / © Paul Haring ( KNA )
Quelle:
KNA