Bundesweites Glocken-Projekt startet

"Hörst du nicht die Glocken"

Die Kirchen starten die bundesweite Kampagne "Hörst du nicht die Glocken", um auf den religiösen und kulturellen Wert von Kirchenglocken hinzuweisen. Den Auftakt macht ein öffentlicher Glockenguss am 1. Dezember in Karlsruhe.

 (DR)

DOMRADIO.DE: Eine Kampagne für Glocken. Ist es um das Glockenläuten in Deutschland so schlecht bestellt?

Martin Kares (Glockensachverständiger der Evangelischen Kirche in Baden und Mitinitiator der Aktion): Um das Glockenläuten selbst ist es eigentlich überhaupt nicht schlecht gestellt. Überall im Land haben wir diese Kommunikationssignale christlichen Glaubenslebens, und die werden auch fleißig betrieben. Nicht nur sonntags zum Gottesdienst läuten die Glocken, sondern auch unter der Woche. Aber das Wissen warum, das hat erschreckend nachgelassen. Da soll die Kampagne helfen, dass es wieder besser wird.

DOMRADIO.DE: In welcher Form wollen Sie denn durch diese Kampagne die Menschen auf das Glockenläuten aufmerksam machen?

Kares: Zum einen haben wir für die Gemeinden einen Leitfaden entwickelt, damit sich die Gemeinden mal überlegen, warum läuten sie überhaupt, zu welchen Uhrzeiten läuten sie, wie lange und was sollen wir mit diesem Läuten verbinden. Das ist eine interne Information. Das andere ist, dieses Läuten wieder mit Sinn und Inhalt zu versehen. Dazu haben wir eine App entwickelt, die heute auch online geht, und ein Gebetsheftchen, das mit sich geführt werden kann. Dort können die Leute, wenn sie eine Glocke hören, schauen, welchen Impuls für den Tag kann ich mir daraus ziehen. 

DOMRADIO.DE: Wenn die Glocken läuten und die Uhrzeit bekannt ist, kann man dann einfach die App nutzen und erfährt man warum? 

Kares: Sie können dann einfach schauen, wie geht es mir heute, wie fühle ich mich. Welche Impulse suche ich mir jetzt aus dem Gebetsheftchen oder der App heraus. Künftig wird es dann sogar so sein, dass Sie sich die Glocke Ihres Heimatdorfes oder auch Ihres Stadtteils von einer digitalen Landkarte auf Ihr Handy ziehen und Sie sich mit einem Klingelton vielleicht auch an eine Auszeit mit Gott erinnern lassen können. 

DOMRADIO.DE: Oder sich damit wecken lassen?

Kares: Das machen offenbar ganz viele Leute. Unsere Partnerkirche, die Erzdiözese Freiburg hat schon so eine elektronische Glockendatenbank, in der über 1000 Geläute gesammelt sind. Und die wird vor allen Dingen in Urlaubsmonaten aus Frankreich, Italien und Spanien angeklickt. Das heißt, es gibt Menschen, die wollen zu den Zeiten, in denen sie nicht zuhause sind, die Glocken hören.

DOMRADIO.DE: Jetzt wird eine ökumenische Glocke gegossen. Gibt es denn schon eine ökumenische Glocke?

Kares: Es gibt sicherlich schon bundesweit einige Glocken, die im Geiste der Ökumene gegossen worden sind. Aber diese Glocke für die beiden Mannheimer Gemeinden, die jetzt zusammengehen, ist schon etwas besonderes. Die Gemeinden haben in einem gemeinsamen Prozess genau überlegt, welche Inschrift sie darauf haben wollen, welche Ziele und welche Botschaft sie mit der Glocke künftig über die Stadt senden wollen. 

DOMRADIO.DE: Es gibt aber auch Menschen, die wollen partout kein Glockengeläut in ihrer Nachbarschaft. In Troisdorf wehren sich Nachbarn gegen den Bau eines Glockenturms. Die Gemeinde will ihn trotzdem bauen. Was raten Sie da den Verantwortlichen?

Kares: Ich kann da immer nur sagen, Kommunikation ist alles. Ich mach den Job nun seit 27 Jahren und wir haben in keinem einzigen Fall wegen sowas tatsächlich prozessiert. Wir sind auf die Leute zugegangen, haben denen genau erklärt, was wir machen, wie laut das ist, dass ein vorbeifahrender Laster lauter ist und dass auch die Zeiten absolut begrenzt und begründet sind. Man muss ja nicht immer gleich zehn Minuten läuten, wenn die Glocken in Betrieb genommen werden, sondern man kann es ja den Anlass entsprechend anpassen.

Das Gespräch führte Silvia Ochlast. 


Quelle:
DR