Anfragen nach Kirchenasyl nehmen zu

Mehr Nachfrage als Plätze

Kirchenasyl ist eine gesetzliche Grauzone. Eine Abschiebung lässt sich zunächst verhindern, sodass es zu einer erneuten Prüfung des Falls kommt. Flüchtlinge hoffen daher auf den Schutz der Kirche, die Zahl der Hilfesuchenden steigt enorm.

Asyl in der Kirche (dpa)
Asyl in der Kirche / ( dpa )

Nach der Ablehnung ihres Asylantrags hoffen Flüchtlinge zunehmend auf Kirchenasyl. "Wir haben wesentlich mehr Anfragen als Plätze zur Verfügung stehen", sagte Dietlind Jochims, Vorsitzende der ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft "Asyl in der Kirche", am Freitagabend in Augsburg. In ganz Deutschland gibt es derzeit laut der Arbeitsgemeinschaft knapp 350 Kirchenasyle für rund 530 Personen.

Hilfegesuche auch von Anwälten und Ärzten

Die Hilfegesuche kämen von Unterstützervereinen, aber zunehmend auch von Anwälten, Ärzten, Mitarbeitern in Flüchtlingsunterkünften und von Flüchtlingen selbst, erklärte Jochims, die auch Flüchtlingsbeauftragte der evangelischen Nordkirche ist. In Augsburg hält die Arbeitsgemeinschaft "Asyl in der Kirche" bis Sonntag ihre Jahrestagung ab.

Mehr als 90 Prozent der Menschen im Kirchenasyl sind den Angaben zufolge "Dublin-Fälle" also Flüchtlinge, die nach geltendem EU-Recht in das Land zurückmüssten, über das sie nach Europa gekommen sind. Oftmals drohen ihnen dort jedoch Gewalt und Gefängnis wie etwa in Bulgarien oder Obdachlosigkeit wie in Italien. Bei Kirchenasyl werden Flüchtlinge von einer Kirchengemeinde eine zeitlang beherbergt, mit dem Ziel, eine erneute Prüfung ihres Falls zu erreichen und eine Abschiebung zu verhindern.

Kirchenasyl hat sich etabliert

Auch Dieter Müller vom Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland berichtete von einer hohen Zahl an Hilfegesuchen. "Bei mir gehen drei bis vier Anfragen pro Woche ein", sagte Müller, der für den Flüchtlingsdienst Kirchenasyle in Bayern betreut. Ein Grund dafür sei der Anstieg der Asylentscheidungen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Bei einem ablehnenden Bescheid wendeten sich die Betroffenen oft an die Kirchen: "Das Kirchenasyl hat sich etabliert. Es hat sich unter Flüchtlingen herumgesprochen, dass es das gibt."

Die Anerkennung der Kirchenasyl-Fälle als Härtefälle durch das BAMF sei jedoch zuletzt deutlich schwieriger geworden, sagte Jochims: "Überspitzt gesagt: Wer seinen Kopf noch auf den Schultern trägt, gilt für das BAMF nicht als Härtefall." Insgesamt sei das Klima für Kirchenasyle derzeit nicht einfach: "Politisch nehmen die Stimmen zu, die sagen: Für Kirchenasyl gibt es im Rechtsstaat keinen Platz." 

Dass die Innenminister der Länder bei ihrer Sitzung Anfang Dezember über das Thema Kirchenasyl sprechen wollen, hält die Flüchtlingsbeauftragte bei der derzeitigen Stimmungslage für "kein gutes Zeichen".

Ermittlungen gegen Pfarrer und Helfer

Die rund 100 Teilnehmer der Tagung diskutierten auch über die anhaltenden Ermittlungen bayerischer Staatsanwälte gegen Pfarrer und Helfer von Kirchengemeinden, die Flüchtlingen Asyl gewähren. Solche Ermittlungen gebe es mittlerweile "flächendeckend", berichtete Müller: "Man hat das Gefühl, jeder wird angezeigt, dessen Namen sich irgendwo in den Akten zu einem Kirchenasyl findet." Zurzeit seien etwa 120 Kirchenasyle in Bayern bekannt.

Bisher kenne er aber noch keinen Fall, bei dem einen Pfarrer einen Strafbefehl erhalten habe. Die Ermittlungen würden nach einer bestimmten Zeit eingestellt - mitunter verbunden mit einer Strafandrohung im Wiederholungsfall. Beeindrucken ließen sich die Gemeinden dadurch jedoch nicht, ist Müllers Erfahrung: "Viele Kirchengemeinden, die Asyl gewähren, haben das schon mehrmals gemacht. Die lassen sich nicht einschüchtern."


Pastorin Dietlind Jochims (Nordkirche)
Quelle:
epd