Münchner Altabt Odilo Lechner mit 86 Jahren gestorben

Benediktiner mit weitem Herzen

"Hallo Abt Odilo" – unter diesem Motto suchten einst "Weltbild"-Leser beim Benediktiner Odilo Lechner Rat. Als Abt von München-Bonifaz und Andechs wurde er weithin geschätzt. Nun ist er mit 86 Jahren gestorben.

Trauer um Benediktiner Odilo Lechner  / © Christoph Stache (KNA)
Trauer um Benediktiner Odilo Lechner / © Christoph Stache ( KNA )

Ende des Monats wollte Odilo Lechner sein neuestes Buch "Engel an meiner Seite" mit dem Fotografen Hans-Günther Kaufmann vorstellen. Noch einmal hatte er zur Feder gegriffen, in der Hoffnung, Gott möge ihm ausreichend Zeit geben, wie er vor einem Jahr erzählte. Da ging er schon schwer gebückt; immer wieder rissen ihn Klinikaufenthalte aus seinem klösterlichen Leben. Das Buch ist gerade noch fertig geworden. In den frühen Morgenstunden des Freitags ging das Leben des weithin beliebten und geschätzten Ordensmanns mit 86 Jahren zu Ende.

Wollte ein "berühmter Dichter" werden

Von Kindheit an hatte der in eine Beamtenfamilie in München hineingeborene Hans Helmut Lechner geträumt, einmal ein "berühmter Dichter" zu werden. Doch der Vater machte ihm schnell klar, dass man davon nicht leben könne. So wurden seine Zukunftspläne pragmatischer: Der Schüler liebäugelte mit dem Beruf eines Schrankenwärters an einem wenig frequentierten Übergang. Im angrenzenden Häuschen würde er dann mit der Familie leben – und während sich die Frau um Haus, Kinder und Garten kümmern sollte, wollte er die Zeit zum Schreiben nutzen, wie der Ordensmann oft mit einem Lachen erzählte.

Es kam anders. Seine "Familie" wurden ab 1952 die Benediktiner von Sankt Bonifaz in München und Kloster Andechs, denen er von 1964 bis 2003 als Abt vorstand. 33 Jahre war er alt, als ihm seine Mitbrüder diese Verantwortung aufbürdeten. Mut machte ihm, dass vier Jahre zuvor in Hans-Jochen Vogel ein 34-Jähriger Münchner Oberbürgermeister geworden war. Am Ende war Lechner der dienstälteste Abt weltweit und selbst eine Institution.

39 Jahre Amtszeit

"Dilatato corde – Mit weitem Herzen" lautete sein Wahlspruch. Nach dieser Maxime leitete er 39 Jahre lang die Geschicke der beiden Klöster. Im Nachhinein räumte er selbstkritisch ein: "Man fällt auch Entscheidungen, die hin und wieder falsch sind." Mit den Freiheiten, die er seinen Leuten ließ, entstand indes auch viel Gutes. In seiner Amtszeit wurde das Ordenskürzel OSB umgemünzt zu "Oh sie bauen wieder", denn regelmäßig standen Bauarbeiten an, zunächst vor allem in München, wo Kloster und Basilika vom Krieg zerstört waren.

Der Abt forcierte aber nicht die bloße Wiederherstellung von Gebäuden, sondern auch Neues. In Sankt Bonifaz gibt es heute ein eigenes Gebäude für Obdachlose. Sie erhalten dort Essen, ärztliche Behandlung und können duschen. In Andechs florieren Brauerei und Gastronomie. Viele Jahre fand dort das Carl-Orff-Festival statt. Dem Komponisten (1895-1982) erfüllte Lechner auch die Bitte, auf dem Heiligen Berg begraben zu werden.

Fahrrad, Ski, Kunst und Kultur

Lechner hatte für viele ein offenes Ohr, wie es der heilige Benedikt empfiehlt. An Jahresversammlungen des von der Kirche beargwöhnten Schwangerenberatungsvereins "Donum Vitae" nahm er genauso teil wie an Demonstrationen von Lebensschützern. Einen Führerschein hatte der promovierte Philosoph nie, dafür fuhr er begeistert Fahrrad und wedelte, solange es die Knie zuließen, im Winter die Pisten hinab.

Die Kunstförderung lag dem Ästheten stets am Herzen. Sankt Bonifaz wurde ein offenes Haus für moderne Malerei, und seinen eigenen schriftstellerischen Ambitionen ging der Altabt mit Leidenschaft nach. Die Themen flogen ihm zu. In der Sparte Ratgeber landete Lechner einen Bestseller: "Damit der Glaube weitergeht". Das Buch wurde vielfach übersetzt. Darin beschäftigte er sich mit dem Problem von Eltern, die unglücklich sind, weil ihre erwachsenen Kinder aus der Kirche austreten, obwohl es ihnen anders vorgelebt wurde.

Inspiration und Glaube

Auf die Frage, welche Schriftsteller ihn inspiriert hätten, nannte er Hilde Domin (1909-2006). Persönlich hat er sie noch kennengelernt, diese "kleine stattliche Frau, die im Exil zu dichten anfing, um in ihrer Sprache zu bleiben". Dass ihm nicht mehr viel Zeit bleiben würde, war ihm seit einer schweren Krankheit bewusst. Doch er konnte gelassen bleiben. "Der Christ glaubt, dass er hineingenommen ist in Sterben und Auferstehen Jesu", sagte er einmal. So könne der Tod dann auch fürwahr ein Bruder werden.

Der Münchner Kardinal Reinhard Marx wird am kommenden Donnerstag im Liebfrauendom eine feierliche Totenmesse halten. Anschließend wird der Verstorbene in Sankt Bonifaz beigesetzt. 

Von Barbara Just


Quelle:
KNA