Warum ein Pastoralreferent auf dem Marktplatz redet

Speakers’ Corner in Wuppertal

Werner Kleine ist Pastoralreferent in Wuppertal und einmal im Monat stellt er sich mitten auf den Marktplatz und redet einfach los. Warum er das macht und worüber er dann spricht, erklärt er im domradio.de-Interview.

Pastoralreferent Kleine bei einer Platzrede  / © Christoph Schönbach (Citykirche Wuppertal )

domradio.de: Wie kann man sich Ihren Auftritt auf dem Marktplatz in Wuppertal vorstellen? Stellen Sie sich einfach hin und legen los oder wie läuft das?

Dr. Werner Kleine (Pastoralreferent in Wuppertal): Im Prinzip ja. Immer am letzten Mittwoch im Monat werfe ich mich in eine etwas altertümlich anmutende Akademikerrobe, die ich immer dann anziehe, wenn ich in die Rolle eines Propheten schlüpfe. Um zwölf Uhr stelle ich mich dann auf den Marktplatz. Mit einer Marktglocke in der Hand schaffe ich dann Aufmerksamkeit. Und da es Punkt zwölf Uhr ist und unweit des Berliner Platzes die Johann-Baptist-Kirche den Angelus einläutet, wird dann zuerst der Angelus gebetet. In der Osterzeit singe ich dann das Regina Coeli und dann beginnt die 25 minütige Platzrede. 

domradio.de: Und wie kamen Sie dazu? Haben Sie sich das abgeguckt von Speakers' Corner – also dem Versammlungsplatz am nordöstlichen Ende des Hyde Parks in London?

Kleine: Ja, nicht ganz. Dafür bin ich zu selten in London. Ich habe vor einigen Jahren den Roman "Fliehe weit und schnell" von Fred Vargas gelesen. Da taucht eine Person auf, der sogenannte Aufrufer, der immer um 17 Uhr in Paris Lokalnachrichten verliest. Und diese Figur fand ich schon immer so interessant, dass ich dachte, dass müsste man auch hier bei unserer Citykirche umsetzen.

domradio.de: Und gab es die Möglichkeit?

Kleine: Jetzt ist es so, dass es im Stadtbezirk Oberbarmen seit zwei, drei Jahren das "Berliner Plätzchen" gibt – eine Einrichtung der katholischen Kirchengemeinde, die direkt am Berliner Platz gelegen ist und die sich in vielfältiger Art und Weise den Menschen ansprechbar macht. Wir sind als Citykirche da verbandelt da tauchte die Frage auf:  Was können wir während der Osterzeit mal machen? Dann fiel mir spontan ein: Eigentlich könnte ich doch hier auf dem Berliner Platz "Platzreden" halten.

domradio.de: Welche Themen sprechen Sie dann an?

Kleine: Wie gesagt: Es fängt mit dem Angelus an. Dann rufe ich die Tageszeit aus, so wie früher die Nachtwächter – nur jetzt mitten am Tag. Danach spreche ich über aktuelle Themen aus der Politik, der Stadt und des Landes. Es gibt immer einen Bibeltext, den ich verkündige und den ich versuche so auszuwählen, dass es zu den Themen passt. Es gibt danach eine kurze Predigt oder Homilie. Dann kommt eine Kommentierung, wo ich das eine mit dem anderen zusammenbringe und ich die Ereignisse von Stadt, Land und Welt im Lichte der Heiligen Schrift beleuchte. Ich versuche das so zu machen, dass es unterhaltsam ist.

domradio.de: Wie verschaffen Sie sich Gehör?

Kleine: Ich spreche ohne Mikrofon auf einem Platz. Ich muss also sehr laut rufen. Zwischendurch wird immer wieder die Glocke geschlagen. Dann gibt es zum Schluss eine kleine humoristische Einlage. Und dann gibt es etwas, was die Leute höchst skurril finden: Ich lese Wetterberichte vor – den für Wuppertal, für die Wallfahrtsstätte Wilparting und den Seewetterbericht aus Hamburg. Das verstehen die Leute am allerwenigsten. Aber es hat etwas mit der Figur von Fred Vargas zu tun, der auch immer den Seewetterbericht vorliest.

Das Interview führte Tobias Fricke.


Quelle:
DR