Radikale Armutsbewegung wurde zum Konzern der Weißen Mönche

Große Ausstellung über das Europa der Zisterzienser

Das Ideal des Klosterlebens liegt heute wieder im Trend. Landlust und Einfachheit statt Großstadtleben, dazu Ökolandbau zur Selbstversorgung: So sind die Zisterzienser Folie für eine Utopie vom frommen Mittelalter.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Zisterzienser-Mönche / © Bernd Thissen (dpa)
Zisterzienser-Mönche / © Bernd Thissen ( dpa )

In den frühen Klöstern der Zisterzienser ist der Geist der Gründer noch mit Händen greifbar: Ora et labora, bete und arbeite. Arbeit gab es hier immer genug: Wälder waren zu roden, Landbau und Fischerei von der Pike aufzuziehen. Das Zisterziensertum war eine Reform des benediktinischen Mönchtums. Zurückgezogenheit, Verpflichtung zur Autarkie: Scharenweise folgten junge Männer im 12.

Jahrhundert ihrem neuen Ruf nach totaler Armut. Zurück zu den Wurzeln - das war durchaus wörtlich zu verstehen, denn die Mönche rodeten und ackerten selbst.

Spiritualität und Lebenswelt mittelalterlicher Klöster entdecken

Die außergewöhnliche Erfolgsgeschichte dieses außergewöhnlichen mittelalterlichen Ordens erzählt ab Donnerstag eine große Ausstellung im LVR-LandesMuseum Bonn. Unter dem Titel "Die Zisterzienser - Das Europa der Klöster" können Besucher durch 150 Ausstellungsobjekte aus ganz Europa die Spiritualität und Lebenswelt mittelalterlicher Klöster entdecken.

Das Ideal des Klosterlebens liegt heute wieder im Trend. Landlust und Einfachheit statt Großstadtleben, dazu Ökolandbau zur Selbstversorgung: So sind die Zisterzienser Folie für eine Utopie vom frommen Mittelalter, als die Welt noch in Ordnung gewesen sei. Dass die Mönche meist nicht älter als 35 Jahre wurden, wird gern ausgeblendet.

Ein paradoxer Zyklus

Ein weiterer Kratzer auf dieser Folie ist, dass die radikal armen Zisterzienser quasi wider Willen in kürzester Zeit reich wurden - weil ihre Lebensweise für das Seelenheil adliger Stifter zu bürgen schien. Es ist ein paradoxer Zyklus: Gegründet von glühenden Asketen, die das Armutsideal des Mönchtums erneuern wollten, zogen sie mit ihrer Strahlkraft Tausende in ganz Europa an: erst Tausende junger Männer, die ein anderes Leben suchten; dann Tausende frommer Stiftungen, mit denen der Adel sein ewiges Seelenheil zu befördern wünschte.

Angesichts bedeutender Schenkungen und Hunderter neuer Klostergründungen wurden zur Erledigung der Arbeit schon bald Laienbrüder aufgenommen und sogar Lohnarbeiter eingestellt. Am Ende waren auch die Zisterzienser ein mächtiges Kloster-Imperium geworden, das sich über ganz Europa erstreckte - wie schon zuvor die Reformklöster von Cluny in Burgund, wo mit zunehmendem Wohlstand eine Art Gebetsbeamtentum entstand - und die größte Kirche der Christenheit.

Blütezeit des Ordens

Bernhard von Clairvaux (um 1090-1153), Gründerfigur der Zisterzienser, hatte die Entwicklung in Cluny stets kritisiert und seinen eigenen Brüdern empfohlen: "Was immer man euch anbieten mag, weist es zurück, wenn es nicht mit eurem Heil verbunden ist." Und doch war es gerade seine eigene moralische Autorität, die den Zisterziensern geistliche Berufungen und geschenkte Ländereien nur so zufliegen ließ.

Bernhard von Clairvaux / © Gemeinfrei
Bernhard von Clairvaux / © Gemeinfrei

Die Bonner Ausstellung konzentriert sich auf die Blütezeit des Ordens, der bis heute weltweit aktiv ist. Mit ihrer Besinnung auf die Regel des heiligen Benedikt von Nursia aus dem 6. Jahrhundert ("Bete und arbeite") fanden die Zisterzienser zu einer tiefen Religiosität, die von vielen Menschen bis heute bewundert wird. Die Forderung der Gründer: eine Reduzierung auf das absolut Wesentliche. Kargheit in der Lebensführung stand über Kunst und Kultur. Die Architektur der Arbeit war der des Gebets in der Frühphase des Ordens gleichwertig.

Gemälde, Skulpturen, Handschriften und Alltagsgegenstände

Vom späten 11. bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts gründeten die Zisterzienser mehr als 650 Klöster: der "Konzern der Weißen Mönche". Allein in den 40 Jahren seit dem Eintritt Bernhards bis zu seinem Tod entstanden rund 350 Tochterhäuser. Die Voraussetzungen waren stets dieselben: Abgeschiedenheit für das geistliche Leben und ausreichend fließendes Wasser für ihre landwirtschaftlichen Aktivitäten. Die Zisterzienser und Zisterzienserinnen wurden so zu einem sehr dynamischen Element der deutschen Ostsiedlung und der europäischen Zivilisation.

Die Ausstellung stellt den Orden, seine Strukturen und Entwicklungen mit Gemälden, Skulpturen, Handschriften und Alltagsgegenständen aus ganz Europa vor. Architekturmodelle, computergestützte Rekonstruktionen, Musik und Mitmachstationen sollen die Klosterwelt des Mittelalters lebendig machen.

Zisterzienser und Trappisten

Die Zisterzienser gehören zu den strengsten Orden der katholischen Kirche. Benannt ist der benediktinische Reformorden nach dem 1098 gegründeten Kloster Citeaux bei Dijon. Die hierarchisch-feudale Gliederung unter ein Mutterkloster wie Cluny lehnten die Zisterzienser ab; jedes Kloster ist völlig selbstständig.

Die Betonung von Handarbeit, Bodenkultur, Rodung und Landwirtschaft gaben dem Orden nicht zuletzt eine große Bedeutung bei der deutschen Ostsiedlung. Ortsbezeichnungen wie "-roda" oder "-rod" (Volkenroda, Himmerod) deuten oft auf Zisterzienser-Gründungen hin.

Zisterzienser-Mönche: Die Trappisten sind aus ihnen hervorgegangen / ©  Katharina Ebel (KNA)
Zisterzienser-Mönche: Die Trappisten sind aus ihnen hervorgegangen / © Katharina Ebel ( KNA )
Quelle:
KNA