Gemeindeferentin Birgit Terfloth zum Umgang mit Trauer in Herne

"Den Gefühlen Raum und Zeit geben"

Die Gefühle aussprechen, dass sei nach den beiden Morden in Herne für die Trauernden wichtig, betont Gemeindereferentin Birgit Terfloth. Sie hat den ökumenischen Trauergottesdienst zum Gedenken an die beiden Opfer mit vorbereitet.

Trauerfeier für die Mordopfer von Herne / © Marcel Kusch (dpa)
Trauerfeier für die Mordopfer von Herne / © Marcel Kusch ( dpa )

domradio.de: Sicher keine leichte Aufgabe, so eine Art Trauerfeier vorzubereiten. Was war für sie wichtig bei der Planung?

Birgit Terfloth (Gemeindereferentin): Dass es ein schlichter und leiser Gottesdienst ist. Es geht vor allem darum, den Gefühlen, die uns alle bewegen, Raum und Zeit zu geben. Eine Aktion der Schule ist eingeflossen, denn nach den Ereignissen ist die Schule intensiv betreut worden und sind auch die Kinder intensiv betreut worden. Die Lehrer und einer der Pastöre aus der Nachbarschaft haben mit den Kindern eine Andacht gefeiert und dort Kartons beschriftet, mit den Gefühlen der Kinder und die dann auf ein schwarzes Tuch gelegt. Das wurde dann zu einer brennenden Kerze getragen und es soll ausdrücken, dass wir Gedanken zu Gott tragen. Das spielte auch eine Rolle im Trauergottesdienst. 

domradio.de: Was sind das für Gefühle, die die Kinder da aufgeschrieben haben?

Terfloth: Ihre Angst, ihre Traurigkeit, die Trauer um den Verlust eines Freundes, eines Klassenkameraden - ergänzt wurde das Ganze durch Gedanken von den Eltern und Lehrern, also von Erwachsenen. Da tauchen dann auch Dinge auf, wie das Gefühl nach Rache, danach, Gerechtigkeit zu schaffen und die Hilflosigkeit, die man als Erwachsener fühlt. Außerdem gab es Sätze von den Kindern und auch von Erwachsenen, dass es ungerecht ist, dass sowas passiert. Es geht jetzt nicht darum, das zu besprechen, sondern dass man es einfach auch mal sagen darf und es sichtbar wird. Damit auch die merken, die es vielleicht nicht aussprechen: "Ja, das ist das, was wir auch mit uns herumtragen in der letzten Zeit." Und diese Gefühle werden auch vor Gott getragen.

domradio.de: Der Gottesdienst wurde ökumenisch gestaltet - also von katholischer und evangelischer Seite. Aber es gab auch einen muslimischen Teil. Dabei war ja keines der beiden Opfer ein Moslem?

Terfloth: Das hat einen ganz einfachen Hintergrund. Es liegt daran, dass ein ganz großer Teil der Kinder auf dieser Schule muslimisch sind und die Dame, die eine Sure aus dem Koran gelesen hat, ist eine ehemalige Lehrerin der Schule. Also ist sie mit der Schule verbunden und gleichzeitig verantwortlich für den islamischen Religionsunterricht an den Grundschulen. Deshalb hat die Schule von sich aus diese Dame angesprochen und gefragt, ob sie diesen Part übernehmen möchte und das hat sie sehr gerne getan. Es ist ihr sehr wichtig, weil sie auf diesem Weg auch die muslimischen Kinder und Eltern in dem Gottesdienst vertritt. 

domradio.de: Sie selbst sind aktiv in der Gemeinde, als Gemeindereferentin, arbeiten mit jungen Menschen. Sie sind auch Religionslehrerin. Wie haben sie das in den vergangenen Tagen erlebt. Wie gehen besonders die jungen Menschen in Ihrer Gemeinde mit den beiden Morden um?

Terfloth: Die Kinder sprechen ganz offen darüber. Bei jeder Gelegenheit kommt das zur Sprache, was da passiert ist. Die Kinder haben natürlich Ängste entwickelt, die aber häufig von den Erwachsenen transportiert werden. Die Kinder bekommen oft mit, wie man sich als Erwachsener unterhält, was in den Zeitungen stand und im Fernsehen lief. Ich habe da eine Aussage im Kopf, die mir erzählt wurde. Ein Kind hat unter vielen Tränen gesagt: "Aber dem Jaden geht es jetzt ja gut, der ist ja jetzt aufgehoben und ist an einem schönen Platz." Das ist sehr schön, das von einem Kind zu hören, denn auch dieser Gedanke kommt sicherlich aus Gesprächen mit Eltern.

Also die Kinder sprechen viel miteinander über das Thema, können aber auch gut damit abschließen, wenn man ihnen hilft. Es ist sehr wichtig, die Kinder jetzt auch in einen "normalen" Alltag zu führen, immer ansprechbar zu sein, für ihre Fragen und Sorgen die sicherlich noch lange da sind. Es ist wichtig, ihnen da den Rücken zu stärken und ihnen auch wieder Sicherheit zu geben von uns Erwachsenen aus.  

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Quelle:
DR