Warum es in Orden immer weniger Nachwuchs gibt

Fehlende Mitstreiter, Vorbilder und veränderte Familienstruktur

Es mangelt an Nachwuchs in den Orden und Klöstern in Deutschland. Die Zahl der Ordensfrauen ist innerhalb von 20 Jahren von rund 38.000 auf 16.500 gesunken. Das hat verschiedene Gründe, erklärt Schwester Katharina Hartleib im Interview.

Autor/in:
Das Interview führte Milena Furman.
 (DR)

domradio.de: Sie sind vielen unserer Hörer/innen als Fussballexpertin bekannt, das weiß doch schon mal darauf hin, dass man  im Kloster nicht von allem weltlichen abgeschnitten ist...?

Schwester Katharina Hartleib (Franziskanerinnen von der ewigen Anbetung in Olpe): Genau so ist das. Das denken einige: Wenn man mal ins Kloster geht und die Tür hinter einem zufällt, dann ist die Welt draußen. Das ist aber nicht so. Wir sind mitten in der Welt.

domradio.de: Hat sich grundsätzlich die Einstellung geändert?

Schwester Katharina: Es ist gar nicht so selten, dass sehr junge Mädels und Jungs sogar den Wunsch haben ins Kloster zu gehen. Das ist meistens im Alter zwischen 14 und 16 Jahren der Fall. Da ist dann oft ein Gefühl, sich hingezogen zu fühlen zu etwas Spirituellem. Viele können nicht so genau beschreiben, was es ist. Manchmal ist es die Musik, manchmal ist es diese unglaublich exotische Lebensform, manchmal sind es die Kloster-Gebäude.

domradio.de: Wieso haben Sie sich für ein Leben im Kloster, im Orden entschieden?

Schwester Katharina: Bei mir war es so, dass ich in meinem Dorf, in dem ich gelebt habe, einige Ordensleute um mich herum hatte. Die eine war die Chefin des Kindergartens, in den ich gegangen bin. Die andere war die Gemeindeschwester. Die waren unglaublich freundlich und nett und sehr anpackend und das fand ich sehr beeindruckend. Die Leute haben die Schwestern zu allem und jedem befragt. Auch sie haben eben gemerkt, das sind Frauen, die mit den Füßen fest auf der Erde stehen und die Hände und das Herz bei den Menschen haben und ihre Gedanken bei Gott. Die habe ich von klein auf erlebt. Ich habe immer gedacht, was machen die, warum sind die so. Da bin ich dran geblieben und habe nachgeforscht und bin in verschiedene Klöster gefahren und habe mir das angeschaut. Dann habe ich durch eine Freundin Franziskaner kennengelernt. Da ist mir aufgefallen, dass die alle sehr jung waren. Dann hat mich das nicht mehr losgelassen.

domradio.de: Woran liegt es, dass das offenbar immer weniger junge Menschen wollen?

Schwester Katharina: Da gibt es sicherlich sehr viele Gründe. Ein Grund ist, dass über das, was ich glaube und über das, was mich beschäftig nicht mehr sehr offen geredet wird. Da werden die Kinder und Jugendlichen vielleicht noch zum Gottesdienst geschickt, aber die Eltern gehen nicht mehr mit. Auch in katholischen Schulen merke ich oft, dass Schüler sich genieren zu erzählen, dass sie Messdiener sind und sich aus ihrem Glauben heraus engagieren.

Dann ein zweiter Punkt: Wenn ich nur noch wenige Ordensleute erlebe, dann komme ich auch nicht auf die Idee, Ordensschwester oder Mönch zu werden. Früher war gab es viel mehr Schwestern im Kindergarten, als Lehrerinnen in der Schule oder Ordensleute im Krankenhaus. Da war viel offensichtlicher, dass das eine Lebensform sein könnte.

Als ich in Köln bei Berufe der Kirche gearbeitet habe, habe ich sogar ganz extreme Sachen erlebt. Da sind junge Männer zu uns gekommen. Ihnen war klar, dass sie Priester werden wollen. Aber die Eltern drohten mit Enterbung. Aber klar: Wenn ich nur noch ein oder zwei Kinder in der Familie habe, dann geht oft alle Liebe und Fürsorge auf diese Kinder. Und dann wird es für die Kinder schwer, einen solchen Weg zu gehen.

domradio.de: Wie war das bei Ihnen? Wie erging es Ihren Eltern, als sie sich entschieden haben?

Schwester Katharina: Für meine Eltern war das auch schwer. Ich war die einzige Tochter. Die Tränen meines Vaters, als ich ins Kloster weggefahren bin, die haben mich mein Leben lang verfolgt. Das ist einfach so. Es ist schwer.

domradio.de: Hatten Sie jemanden, der Sie unterstützt hat?

Schwester Katharina:.Ich bin irgendwann, als ich gemerkt habe, dass das dahin gehen könnte, zu einer Freundin gefahren. Wir haben beide entdeckt, dass wir die gleiche Berufung haben. Wir sind dann in unterschiedliche Orden gegangen. Aber wir konnten darüber sprechen und uns gegenseitig bestärken. Das ist auch so ein Punkt, der vielen fehlt: Mitstreiter.

domradio.de: Was bedeutet das eigentlich, Leben im Kloster?

Schwester Katharina: Leben im Kloster ganz praktisch heißt, dass Menschen zusammen leben, die gespürt haben, dass Gott von ihnen diese Lebensform möchte.

Das ist immer schwierig zu erklären, wenn junge Mädels mich fragen: Wie hast du das denn gemerkt? Dann gibt es ganz viele verschiedene Fragen, die auftauchen. Jedenfalls leben da Menschen zusammen, die diese Antwort für sich gefunden haben.

domradio.de: Und wie ist das Leben im Kloster ganz praktisch?

Schwester Katharina: Das heißt für uns hier ganz praktisch: Wir sind mitten in der Stadt Olpe, am Marktplatz ist unser Kloster, wo wir zu dritt leben: Eine Schwester ist Gemeindereferentin, eine ist Betriebswirtschafterin und ich bin im Erstberuf eigentlich Krankenschwester.

domradio.de: Wie ist Ihr Alltag?

Schwester Katharina: Wir beginnen unseren Tag gemeinsam mit der Laudes, dem Morgenlob, frühstücken und gehen dann hier nebenan in die Pfarrkirche in den Gottesdienst. Das heißt, wir beginnen diesen Tag mit Gott und mit dem Lob Gottes. Dann geht jede an ihre Arbeit. Schwester Veronika fährt ins Mutterhaus, geht in ihr Büro und arbeitet in der Ordensverwaltung. Schwester Gertrudis als Gemeindereferentin geht auch in ihr Büro und schaut, was über den Tag für Dinge anstehen. Meine Aufgabe hier in Olpe ist seit einigen Jahren, mich um Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zu kümmern, die Homepage franziskanerinnen.de zu betreiben. Zudem kümmere ich mich um Jugendliche und junge Erwachsene und mache ihnen Angebote, dass sie neugierig werden auf Gott.

domradio.de: Manche denken, dass das Klosterleben langweilig und spaßbefreit ist, aber Sie sind ja bei uns auch als Fußballexpertin in Erscheinung getreten und dabei hatten Sie sehr viel Spaß, oder?

Schwester Katharina: Langweilig war es hier noch nie. Manchmal braucht man etwas Langeweile, aber es ist so: Wenn Sie mit Gott und den Menschen beschäftigt sind, ist es nie langweilig. Wir treffen uns mittags zum Mittagessen und da gibt es oft schon ganz viele Themen, denn uns begegnen viele Menschen. Wir haben seit eineinhalb Jahren eine ägyptische Familie mit zwei kleinen Kindern bei uns im Haus aufgenommen. Da gibt es immer was zu klären, zu fragen oder zu helfen oder die Mama will einfach mal ihr Herz ausschütten. Dann geht es nachmittags weiter mit den einzelnen Diensten und abends treffen wir uns wieder zur Vesper. Zwischendurch haben wir eine stille Stunde, wo jede von uns in der Bibel liest und ihre Gebetszeit betet. Dann treffen wir uns einmal in der Woche und machen Bibel-Teilen miteinander, denn wer auf Gott hören will, muss wissen, wer Gott ist.

domradio.de: In der Bibel lesen und beten, da könnten jetzt auch einige argumentieren, dass das langweilig ist, oder?

Schwester Katharina: Wenn ich Jesus nachfolgen will, muss ich wissen, wie er gelebt hat und das geht eigentlich nur, indem ich immer wieder lese und darüber rede. Das Spannende ist, herauszuhören, wie das heute ginge, also Evangelium leben im Jahr 2017.

domradio.de: Es hört sich so an, als wären Sie wie in einer Familie?!

Schwester Katharina:  Das ist für mich das Schöne, in einer Ordens-Gemeinschaft zu Leben, dass ich immer Mitstreiterinnen habe, die mit mir Freud und Leid teilen, mich aufbauen und mit denen ich Unfug machen kann oder Leidenschaften teile, der Fußball gehört dazu. Wir sind hier in der Stadt und in der Umgebung ganz viel unterwegs, weil immer wieder Leute kommen und sagen: Könnt ihr nicht mal bei uns in der Gemeinde oder Schule erzählen, wie ihr lebt. Mir gefällt immer so gut, was Franziskus von Assisi gesagt hat: "Geht und verkündet das Evangelium - wenn es sein muss, mit Worten. Lebt so, dass man euch auch fragt." Das heißt, in allem, was ich tue, mit allen Menschen, mit denen ich rede, die merken, wir sind bodenständig und mittendrin. Wenn die Leute das merken, kommen die auch mit ihren Fragen und ihren Sorgen.


Sr. Katharina im domradio.de-Studio / © Stephanie Höppner (DR)
Sr. Katharina im domradio.de-Studio / © Stephanie Höppner ( DR )
Quelle:
DR