Weihbischof Jaschke über Kirchensteuer, Ökumene und Parteien

"Die vielen Austritte tun mir weh"

Diesen Donnerstag wird Hamburgs Weihbischof Hans-Jochen Jaschke 75 Jahre alt. Was er mit dem näher rückenden Ruhestand vorhat und wie er über Kirchenaustritte denkt, verrät er im Interview. Da ist auch seine Schreibmaschine ein Thema.

Hans-Jochen Jaschke / © Elisabeth Schomaker (KNA)
Hans-Jochen Jaschke / © Elisabeth Schomaker ( KNA )

KNA: Herr Weihbischof Jaschke, mit Ihrem 75. Geburtstag rückt der Ruhestand näher. Was planen Sie denn für die Zeit nach Ihrer Emeritierung?

Hans-Jochen Jaschke: Dann muss ich mein Leben neu erfinden. Ich werde sicher keine großen Reisen machen, sondern hier in Hamburg bleiben. Vielleicht kann ich noch eine Kleinigkeit schreiben. Die größte Angst habe ich davor, dass ich lernen muss, mit dem Computer umzugehen. In den 27 Jahren als Bischof hatte ich dafür tolle Sekretärinnen und Assistenten. Ich selber bin noch mit Schreibmaschine Erika groß geworden. Jetzt muss ich Nachhilfe nehmen am PC. Da stelle ich mich wahrscheinlich sehr dusselig an.

KNA: Wenn das Ihre größte Sorge vor dem Ruhestand ist...

Jaschke: Natürlich habe ich auch Angst vor der Leere, dem "horror vacui". Wenn man im Amt ist, gerade als Bischof, kommt alles auf einen zu. Jetzt muss ich meine Zeit selber gestalten. Natürlich will ich ein frommer Priester und Bischof bleiben und das Bistum bei Bedarf unterstützen. Ich habe bereits für das ganze nächste Jahr Firmtermine bei den Gemeinden angenommen. Niemand weiß, wann ein neuer Weihbischof kommt. Dann müssen wir alles gut verteilen.

KNA: Sie haben jahrzehntelang die Kirche mitgestaltet. Mit welchen Gefühlen schauen Sie auf diese Zeit?

Jaschke: Vor allem mit großer Dankbarkeit. Ich hatte Glück, als Priester an Orten wie Bremen, Münster, Osnabrück, Quakenbrück zu wirken. Dann kam diese schöne, weltoffene Stadt Hamburg, in der ich Bischof geworden bin. Ich habe keine abwertende Stimmung gegen die Kirche erlebt. Die Hamburger sind vielleicht äußerlich nicht so fromm, aber die Kirche gehört dazu. Ich habe gespürt, wie wichtig ein Kirchenmann auch in der Begegnung mit den verschiedenen gesellschaftlichen Akteuren ist. Das hat mir sehr viel Freude gemacht.

KNA: Ein wichtiger Punkt ist hier auch die Ökumene...

Jaschke: ...in die man in Hamburg fast automatisch hineinwächst. Ich war kaum ein Jahr Weihbischof hier, da kam die weltweit erste evangelische Bischöfin: Maria Jepsen. Bei ihrer Begrüßung im Rathaus habe ich gesagt, ich heiße zwar nicht Josef, dann wären wir ein perfektes Paar, Josef und Maria. Aber Joachim, der Mann der Heiligen Anna und damit der Vater der Jungfrau Maria, gehört ja auch zur Heiligen Familie. Alle haben herzlich gelacht. In der Begegnung mit Bischöfin Jepsen habe ich viel gelernt. Wir sind trotz mancher Meinungsverschiedenheit ein gutes Bischofspaar geworden. Inzwischen wohnt sie mit ihrem Mann Peter in Husum, wir haben noch freundschaftlichen Kontakt.

KNA: Mitte Oktober nehmen Sie an der Pilgerfahrt zum Lutherjahr 2017 der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Deutschen Bischofskonferenz ins Heilige Land teil. Ist das mehr als Symbolpolitik?

Jaschke: Davon bin ich überzeugt. Das Jahr 2017 wird ein außergewöhnliches Ereignis für Deutschland. Wir haben uns als katholische Kirche am Anfang schwer mit dem Thema Reformationsgedenken getan, da Luther auch für die Spaltung der Kirche, für Kriege und für die Unfähigkeit der Kirche damals steht, sich mit seinen geistlichen Anliegen auseinanderzusetzen. Inzwischen haben wir aber Wege gefunden, gemeinsam die dunklen, aber auch die hellen Seiten der Reformation zu sehen. Den Auftakt dieses "Christusfests" bildet die Wallfahrt nach Jerusalem. Der gerade erschienene ökumenische Text "Die Heilung der Erinnerung" ist eine Sensation! Hoffentlich merken es viele.

KNA: Wie beurteilen Sie überhaupt die Ökumene?

Jaschke: Die Kirchen haben noch viel zu tun, aber es gibt gute Wege des Miteinanders. Aber wir brauchen auch Druck. Es kann uns doch nicht ruhen lassen, dass in Deutschland jedes Jahr an die 400.000 Menschen aus der katholischen und der evangelischen Kirche austreten.

Was machen wir als Kirche, wenn die Leute uns weglaufen? Das ist doch furchtbar. Das tut mir am meisten weh.

KNA: Inwieweit spielt bei den Austritten auch das Schlagwort "reiche Kirche" eine Rolle?

Jaschke: Beim Geld hört die Freundschaft auf, das gilt auch für die Kirchenmitglieder. Bei Skandalen wie in Limburg sind die Menschen zu Recht empört. Eine positive Folge ist, dass die Bistümer nun eine gläserne Finanzpolitik betreiben und ihr Vermögen offenlegen. Dadurch ist auch öffentlich geworden, dass manche Bistümer über Milliardenvermögen verfügen. Damit muss sich eine riesige Institution wie die Kirche auch absichern, für den Erhalt ihrer bedeutenden Einrichtungen, für die Altersversorgung ihrer Mitarbeiter. Dennoch lassen sich viele Menschen leider von solchen Summen irritieren.

KNA: Wie sehen Sie die Zukunft der Kirchensteuer?

Jaschke: Wir dürfen nie vergessen, dass die Kirchensteuer vom Staat im Namen der Kirche gegen Bezahlung erhoben wird. Der Staat macht damit ein kleines Geschäft. Das nutzt auch uns. Aber im Blick auf eine klare Trennung von Staat und Kirche kommt das bei vielen Menschen nicht gut an. Geld ist ein Reizthema. Wer nicht zahlt, scheidet aus. Das bekommt uns nicht gut, und das macht uns keine Ehre.

KNA: Ein Blick nach vorne: 2017 finden auch Bundestagswahlen statt. Wird die AfD nach Ihrer Einschätzung weiter an Boden gewinnen?

Jaschke: Ich fürchte, ja. Gerade bei Themen wie Islam oder Flüchtlingspolitik saugen die Rechtspopulisten billigen Honig von einer diffusen und unaufrichtigen Gefühlslage. Sie schüren Ängste vor Überfremdung oder dem angeblichen Verlust unserer kulturellen Identität. Das ist unredlich, aber es funktioniert, wie die Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern gezeigt haben. Da hieß es, Schuld ist Frau Merkel, man sucht einen Sündenbock. Aber alle alten Parteien haben verloren. Ähnliches gilt für Berlin: Die Roten und die Schwarzen sind die großen Verlierer. Wieder ein Menetekel für die Kanzlerin? Mich empört die Unwahrhaftigkeit. Leider kommt das auch in Zeitungen vor, hinter denen ein kluger Kopf stecken soll. Und ich schäme mich für Politiker einer Partei, die den Namen "Christlich" im Titel trägt, wenn sie solche Stimmungen aufnehmen und sogar noch schüren, anstatt zur Vernunft zu rufen.

Das Interview führte Sabine Kleyboldt.


Quelle:
KNA