Algermissen fordert Abschaffung aller Atomwaffen

Jahrestag der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki

Die erste Atombombe in der Geschichte der Menschheit fiel am 6. August 1945 auf die japanische Stadt Hiroshima. Sie brachte Tod und Zerstörung. Zum Jahrestag fordert der Bischof von Fulda, Heinz Josef Algermissen, alle Atomwaffen abzuschaffen.

Hiroshima nach dem Atombombenabwurf 1945 / © epa (dpa)
Hiroshima nach dem Atombombenabwurf 1945 / © epa ( dpa )

domradio.de: Auch über sieben Jahrzehnte nach Hiroshima schwebt über dieser Welt das Damoklesschwert der nuklearen Bedrohung. Haben wir aus der Geschichte nicht gelernt?

Heinz Josef Algermissen (Bischof von Fulda, Präsident der katholischen Friedensbewegung Pax Christi): Offensichtlich nicht. Denn es wird noch immer intensiv hochgerüstet und modernisiert. Wir haben Hunderte von Milliarden investiert. Die Frage ist, ob man dieses Geld nicht besser verwenden könnte. Und zwar um Not und Elend zu bekämpfen. Zum Beispiel könnte man damit die Situation von Menschen in den dramatischen Krisengebieten wie etwa in Afrika verbessern und die Quellen der Flüchtlingsströme heilen.

Ich weiß nicht, ob wir nicht bereit sind zu lernen - zumal das Problem ist, das ein Drama das andere Drama ablöst. Im Augenblick sind die Menschen sehr gebannt vom IS, dem Terror und der Gewalt und sehen nicht, dass links und rechts noch andere wichtige Themen sind.

domradio.de: Atomwaffen-Befürworter führen ja immer die Politik der gegenseitigen Abschreckung als Argument an. Warum funktioniert das in Ihren Augen nicht?

Algermissen: …weil Waffen, die man hat, immer in Gefahr sind, auch eingesetzt zu werden. Atomwaffenbesitz ist dann nur Ultima Ratio – also das letzte mögliche Mittel. Es hätte alles andere nichts mehr genutzt oder es ist so eine große Welt-Gefahr, dass man nicht mehr anders kann. Aber das ist gefährlich, weil man damit eine Friedenspolitik für Bankrott erklärt.

domradio.de: Sie kritisieren auch die Bundesregierung wegen ihrer Atomwaffenpolitik. Was genau werfen Sie den verantwortlichen Politikern vor?

Algermissen: Ich werfe den Politikern vor, dass sie nicht beispielhaft vorangehen und die Atomwaffen zum Beispiel aus Deutschland abziehen lassen. Stattdessen akzeptieren sie die amerikanische Modernisierung im Raketendepot in Büchel im Hunsrück. Dort sind derzeit Atomwaffen gelagert, die in diesen Monaten modernisiert werden. Man lässt es zu. Man hätte ja sagen können: "Wir verhandeln, bis die Letzten aus Deutschland verschwunden sind." Die Aufrechterhaltung der atomaren Abschreckung ist für mich persönlich eine willkürliche Politik. Man kalkuliert mit nicht zu verantwortenden Folgen und Risiken.

domradio.de: Viele werden jetzt sicher denken: Ein generelles Atomwaffenverbot klingt zwar gut, ist aber völlig unrealistisch. Was würden Sie diesen Leuten gerne entgegnen?

Algermissen: Ja, viele sagen auch, dass wir uns angesichts einer hohen Gefahr, die uns aus Nordkorea entgegenkommt, für den Ernstfall rüsten müssen. Wenn wir diesen Ansatz weitertreiben, dass das Atomwaffenverbot unrealistisch ist, dann haben wir uns irgendwann in einer teuflischen Welt eingerichtet, wo wir auch alles zulassen, weil es sein könnte. Dann geben wir die Hoffnung auf, dass die Welt auch eine andere werden könnte. Die deutsche Bevölkerung jedenfalls tritt laut FORSA-Umfrage aus diesem März zu 93 Prozent dafür ein, dass Atomwaffen und chemische und biologische Waffen verboten werden.

Das Interview führte Silvia Ochlast.


Bischof Algermissen (dpa)
Bischof Algermissen / ( dpa )
Quelle:
DR