Der Wiederaufbau von St. Anna in Düren

Ein Stück Geborgenheit in der Trümmerwüste

Ab Samstag werden wieder viele tausend Besucher in der Dürener Pfarrkirche St. Anna erwartet, die vor 60 Jahren konsekriert wurde. Die diesjährige Anna-Oktav steht unter dem Motto "Du Mensch – ein HERZens-Anliegen Gottes!". Ein Blick zurück.

Autor/in:
Marcel Krombusch
St. Annakirche in Düren / © Marcel Krombusch (DR)
St. Annakirche in Düren / © Marcel Krombusch ( DR )

Nach dem Sturm blieb nur Staub und Schutt. Am 16. November 1944 flogen die Bomber der Alliierten ihren letzten Angriff auf die Stadt Düren. Innerhalb von 36 Minuten hagelten tausende Spreng- und Brandbomben auf die Stadt herab. "Von den Erschütterungen bebten selbst bei uns die Teppiche im Haus", erinnert sich Maria Schwarz zurück. Sie hörte die Einschläge der Bomben auf Düren noch vom 60 Kilometer entfernten Bonn-Oberkassel. Aus der einstigen Pfalzstadt Karls des Großen wurde eine Trümmerwüste. Auch die massiven Mauern der Pfarrkirche Sankt Anna hielten den Angriffen nicht stand. Bis auf das kleine Seitenportal wurde die Kirche völlig zerstört.

Zerstörtes Düren

Aus der Zerstörung wuchs bereits nach kurzer Zeit der Wille zum Neuanfang. Ein Gebäude sollte dabei besonders in den Fokus geraten: "Die Opfer des Angriffs waren noch nicht alle beerdigt, da wollten die Dürener schon wieder ihre Kirche haben", erzählt Maria Schwarz. Ihr Mann war es, der diesen Wunsch in Stein umsetzen sollte. Rudolf Schwarz hatte in den 1930ern bereits die Fronleichnamskirche in Aachen gebaut. Der 1961 verstorbene Architekt beschreibt seine ersten Eindrücke von der Stadt Düren in einem seiner Werke: "Ich sah Sankt Anna nach dem Krieg wieder. Die Stadt war eine Trümmerwüste, in der hin und wieder kleine Kreuze an die Toten erinnerten, die unter dem Schutt lagen. Vor der Annakirche trugen solche Kreuzchen die Namen der Priester". Der Eindruck hat in Rudolf Schwarz tiefe Spuren hinterlassen, die sich in der Gestaltung des neuen Kirchenraumes wiederfinden sollten.

Wiederaufbau

Nachdem Schwarz den Zuschlag für den Wiederaufbau von Sankt Anna bekommen hatte, zeichnete er zunächst einige Entwürfe auf Grundlage der alten Kirche. "Wir wollten den Menschen ihre Annakirche wiedergeben", betont Maria Schwarz und fügt hinzu: "Die war auf dem Fundament im Boden noch ablesbar". Mit den bescheidenen Mitteln der Zeit sollte ein Kirchenraum entstehen, der dem gotischen Vorgänger mit seiner mehrschiffigen Halle glich. Das Fazit nach mehreren Entwürfen: Ernüchternd. "Der Raum wurde immer scheußlicher", erinnert sich die 94-Jährige und lacht. Es folgte ein radikaler Schnitt ihres Mannes. Der Architekt verwarf den Blick auf die Annakirche der Vergangenheit und ließ sich stattdessen von seinen Eindrücken inspirieren. Sichtlich konzentriert beschreibt Maria Schwarz mit fester Stimme die Geburt der neuen Kirche: "Wir hatten einen Bauauftrag zu einer Fachkirche mit Werktagskapelle und Pilgerkirche und wir hatten einen Haufen Steine – sonst nichts". Nach einer kurzen Pause fährt sie fort: "Und wir hatten Menschen, die wir trösten mussten, die eine Heimat brauchten. Und wir hatten eine heilige Anna, das war ihre Mutter. Und die Dürener sollen zu ihrer Mutter und von ihr umarmt werden".

Zufluchtsort in der Trümmerwüste

Ein Zufluchtsort für die vom Kriegsleiden geplagte Bevölkerung - das sollte die neue St. Annakirche sein. "Wir brauchten nur eine Mauer, die sich um die Menschen hüllt, und wir brauchten Licht. Damit war der Entwurf da", fasst Maria Schwarz die Idee von St. Anna zusammen. So wuchs aus den Steinen der alten Kirche ein massiver Kirchenbau, der wie ein sicherer Fels das Stadtzentrum überragte. Eine Reaktion auf all das schreckliche in den Jahren zuvor. "Es gab geistigen und körperlichen Terror überall. Jedes falsch gesprochene Wort konnte die Eltern in KZ bringen", beschreibt Maria Schwarz die Jahre unter der NS-Diktatur. "Dagegen wollten wir nun einen Raum der Geborgenheit für die Menschen in Düren schaffen – aus ihrer Geschichte heraus".

Mantel für das Annahaupt

Seit über 400 Jahren gehörte dazu auch die Verehrung der heiligen Anna. Viele tausend Pilger kamen jedes Jahr nach Düren, um die Reliquie mit dem Annahaupt zu sehen. Eine Tradition, die auch zehntausend Fliegerbomben nicht zerstören konnten - wie ein Erlebnis von Maria Schwarz auf der Baustelle von Sankt Anna zeigt. "In dem noch leeren Kirchenbau lag in der Nähe des Anna-Schreins ein Steinbalken, der zum Baumaterial gehörte. Eines Tages kam ich in die Kirche und sah den Stein bereits voll mit Kerzen bestückt". Am 7. Juli 1956 wurde die neue Pfarrkirche in Düren durch den Aachener Bischof Johannes Pohlschneider geweiht. 

Bis heute stehen auf dem Steinbalken hinter dem Schrein zahlreiche Kerzen. Viele leuchtende Zeichen dafür, dass die Pfarrkirche Sankt Anna mit ihrem Annahaupt die Herzen der Menschen auch in Zeiten des Friedens berührt. Eine Erfolgsgeschichte, die unter Trümmern, Staub und Schutt ihren Anfang nahm.

Anna-Oktav

Vom 30. Juli bis 7. August werden wieder viele tausend Besucher in der Pfarrkirche St. Anna erwartet, die vor 60 Jahren konsekriert wurde. Die diesjährige Anna-Oktav steht unter dem Motto "Du Mensch – ein HERZens-Anliegen Gottes!".

 


St. Annakirche: Taufstein, gestaltet von Rudolf Schwarz / © Marcel Krombusch (DR)
St. Annakirche: Taufstein, gestaltet von Rudolf Schwarz / © Marcel Krombusch ( DR )

St. Annakirche: Das Chorgestühl ist rund 450 Jahre alt  / © Marcel Krombusch (DR)
St. Annakirche: Das Chorgestühl ist rund 450 Jahre alt / © Marcel Krombusch ( DR )

St. Annakirche: Annahaupt aus dem gotischen Vorgängerbau / © Marcel Krombusch (DR)
St. Annakirche: Annahaupt aus dem gotischen Vorgängerbau / © Marcel Krombusch ( DR )
Quelle:
DR