Kommentar des domradio-Chefredakteurs zum neuen kirchlichen Arbeitsrecht

Ein großer Schritt

Das reformierte kirchliche Arbeitsrecht ist ein großer Schritt für die katholische Kirche - und zwar in die richtige Richtung. Die Bischöfe verordnen sich damit ein Stück Freiheit, findet domradio-Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen.

Autor/in:
Ingo Brüggenjürgen
Ingo Brüggenjürgen / © Ide Lödige (DR)
Ingo Brüggenjürgen / © Ide Lödige ( DR )

Der ein oder andere mag gerne denken, dass das, was die große Mehrheit der deutschen katholischen Bischöfe bezüglich der Neuregulierung des kirchlichen Arbeitsrechts in dieser Woche auf den Weg gebracht hat, nur ein kleiner, längst überfälliger Schritt in Richtung gesellschaftlicher Realität sei. Wer aber genauer hinsieht, der kommt nicht umhin, den jetzt aktiv gewordenen Bischöfen zu bescheinigen, dass sie einen großen Schritt gegangen sind. Einen großen Schritt für die katholische Kirche und einen großen Schritt in die richtige Richtung. Denn mit der Neuregulierung befreien sich die Bischöfe von einem unnötigen Automatismus.

Langjährige, erfahrene Kindergartenleiterinnen, von der ganzen Gemeinde geliebt und geachtet, geschieden - wieder verheiratet -  waren automatisch ein Fall für die kirchliche Kündigung. Fälle wie diesen kennt fast jeder aus dem eigenen Umfeld, sei es nun im Kindergarten, Krankenhaus, Pflegeheim oder in der Chorarbeit der Gemeinde. Hinzu kam, dass es in immer mehr Fällen Lösungen gab, die zwar nicht diesem Automatismus folgten, auf Dauer aber auch kaum tragfähig sein konnten. Am Ende soll es selbst Bistümer gegeben haben, die solche Fälle nur noch schweigend und das Problem aussitzend zu den Akten gelegt haben.

Mit dem jetzt neugefassten und überarbeiteten Regelwerk passen sich die Bischöfe nicht einfach nur der gesellschaftlichen Realität an - sie verordnen sich und den hunderttausenden eigenen kirchlichen Mitarbeitern ein Stück Freiheit. Die Freiheit der Entscheidung, jeden Einzelfall ganz individuell zu beurteilen und zu bewerten. Jetzt haben kirchliche Arbeitgeber, aber auch kirchliche Arbeitnehmer es selber in der Hand, diesen rechtlichen Freiraum verantwortungsvoll zu nutzen. Dass, nach dem letzten Stand der Dinge, vermutlich nicht in allen 27 deutschen Diözesen das gleiche, neue Arbeitsrecht umgesetzt wird, ist kein Schönheitsfehler. Es zeigt nur, wie schwer und groß der Schritt war, zu dem sich die große Mehrheit der Bischöfe jetzt entschlossen hat. Es zeigt sich aber auch, dass die Zukunft der Kirche nicht überall und in allen Fällen gleich geregelt werden muss.

Die Zukunft der Kirche verabschiedet sich vom Schwarz-Weiß-Denken und kommt auch nicht trostlos grau daher. Die zukünftige Kirchenfarbe wird ein lebendiges, selbstbewusstes, freudeausstrahlendes Bunt sein – das zeigen gerade die wenigen schwarzen Restflecken.


Quelle:
DR