Ein Kommentar zur Münsteraner Kirchenstudie

Hoffnungsloses, rückständiges Unternehmen Kirche?

Über 21 % der Katholiken sind laut einer Studie aus Münster sogar "austrittsgefährdet". Was kann Kirche tun? domradio.de-Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen empfiehlt dem "himmlischen Bodenpersonal" den Blick nach Rom.

Ingo Brüggenjürgen / © Ide Lödige (DR)
Ingo Brüggenjürgen / © Ide Lödige ( DR )

Gleich zu Beginn des Jahres bescheinigte eine repräsentative Forsa-Studie der Katholischen Kirche, dass sie kaum noch Vertrauen findet. Nur noch 26 % der befragten Deutschen schenken der Katholischen Kirche Vertrauen. Die Kirche rangiert in der vom Stern finanzierten Untersuchung damit weit unten – auf Augenhöhe mit Banken und Versicherungen.

Jetzt hat das Bistum Münster eine "Zufriedenheitsstudie" nachgelegt – mit ebenfalls bedrückenden Daten: Die Katholiken sind in sehr hohem Maße mit ihrem eigenen Laden unzufrieden. Über 21 % der Katholiken sind laut der Studie sogar "austrittsgefährdet". Wenn selbst im gut katholischen Bistum Münster die Lage so düster ist, muss man kein Prophet sein, um festzuhalten: Münster ist vermutlich überall, wenn es andere Bistümern nicht sogar noch schlimmer trifft …

Als Hauptgrund für Unzufriedenheit und einen möglichen Austritt formulieren mehr als die Hälfte der Gläubigen nicht die Kirchensteuer, sondern "die Kirche ist mir zu rückständig". Schade, dass hier nicht konkreter nachgefragt wurde. Ob die befragten Christen die Frohe Botschaft selber rückständig finden? Vermutlich ist es doch eher das himmlische Bodenpersonal oder die konkrete Erscheinungsweise der Kirche vor Ort, die als nicht sehr zeitgemäß empfunden werden. Wenn ich mich in der Bahn bei meinen Mitfahrern oder bei einer Geburtstagsfeier als "Katholik" zu erkennen gebe, dauert es nicht lange, bis ich erklären soll, warum Kondome nicht gegen Aids in Afrika verteilt werden und warum Frauen in meinem Verein nur die Kirche putzen dürften. Der Umgang mit Homosexuellen und Wiederverheirateten, die Sexualmoral, Priester die nicht heiraten dürfen … – all die seit Jahren bekannten Anklagepunkte. Nach meinem Glauben oder meiner christlichen Hoffnung werde ich so gut wie nie gefragt. Ich vermute mal, dass es meinen katholischen Schwestern und Brüdern oft ähnlich geht. Solche Gespräche mit oft völlig unverständigen Zeitgenossen enden dann meistens mit dem Hinweis: "Du bist doch eigentlich ganz normal – ich verstehe gar nicht, wie du in einem so rückständigen Laden mitmachen kannst." Vielleicht frisst sich diese Grundstimmung irgendwann in einen hinein und setzt sich fest.

"Die Lage für die katholische Kirche im Bistum Münster ist ernst. Sie ist aber keineswegs hoffnungslos", bilanziert einer der Studienmacher, der als Marketing-Papst verehrte Prof. Dr. Dr. Heribert Meffert, die Situation und empfiehlt: "Integrität, Interaktion und Integration". Der richtige Papst in Rom macht sogar vor, wie das geht und wie verloren gegangenes Vertrauen zurückgewonnen werden kann. Franziskus, der von sich selbst am liebsten als "Bischof von Rom" spricht, genießt in Deutschland mehr als doppelt so viel Vertrauen wie die katholische Kirche insgesamt. Er vermittelt offenbar den Eindruck, dass er nahe bei den Menschen ist, dass er ihre Sorgen und Nöte kennt und sie ernst nimmt. Besonders wichtig: Er strahlt Hoffnung und Freude aus. Wenn man sich nicht länger wie die letzten Fußkranken fühlen möchte, die in der Gesellschaft mit dem Tempo der Moderne einfach nicht mitkommen, sollten sich die Katholiken – nicht nur im Bistum Münster – am Papst ein Beispiel nehmen.


Quelle:
DR