Der Wiener Erzbischof Schönborn ist 70 Jahre alt

Kardinal Querdenker

Unter Europas Kardinälen ist er einer der wenigen, deren Namen man auch auf anderen Kontinenten kennt. In Österreich ist er schlicht "der Kardinal": der Wiener Erzbischof Christoph Schönborn ist 70 Jahre alt.

Autor/in:
Ludwig Ring-Eifel
Kardinal Schönborn (KNA)
Kardinal Schönborn / ( KNA )

Die Zahl der weltkirchlichen Leitungsbehörden im Vatikan, deren Mitglied Christoph Schönborn: ein halbes Dutzend. Die Listen der Ehrendoktorwürden, die ihm verliehen wurden, und der Sprachen, die er fließend beherrscht, sind noch länger.

Doch wenn der aus einer alten Adelsfamilie stammende Kardinal am Donnerstag seinen 70. Geburtstag begeht, sind es vor allem zwei Verdienste, die in der Rückschau besonders hervorragen. Das eine ist die Mitwirkung des in Paris promovierten Dominikaners am "Katechismus der Katholischen Kirche" - der bis heute gültigen offiziellen Darlegung der Lehre Roms in Buchform. Durch seine Hände ging die Endredaktion des Werkes, mit dem Papst Johannes Paul II. drei Jahrzehnte nach den Umwälzungen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) verbindlich festhalten wollte, was Katholiken am Ende des 20. Jahrhunderts glaubten.

Garant für Glaubwürdigkeit

Seine andere bleibende Leistung ist es, dass er die Kirche in Österreich davor bewahrte, in einem Sumpf von Unglaubwürdigkeit zu versinken, in den sie durch den peinlichen Seminaristen-Sex-Skandal seines Vorgängers Hans Hermann Groer (1986-1995) hineingeraten war.

Mit einem kühnen Befreiungsschlag legte der Nachfolger seinerzeit, gewissermaßen stellvertretend für Groer, der sich in öffentliches Schweigen geflüchtet hatte, ein Schuldbekenntnis ab - und sorgte dafür, dass die katholische Kirche in einem ihrer mitteleuropäischen Kerngebiete wieder Halt fand.

Seit damals sind zwei Jahrzehnte vergangen, doch ruhig ist es um Schönborn nie geworden. Weltweit bekannt wurde er durch seinen Beitrag zur Debatte um die Evolutionstheorie. In einem 2005 veröffentlichten Text in der "New York Times" kritisierte Schönborn den klassischen Darwinismus, der die Resultate der Evolution als bloße Zufallsprodukte interpretiert. Dem setzte der Kardinal den Begriff eines "Designs" des Schöpfers entgegen, das in diesen Resultaten zu erkennen sei.

Immer für Überraschungen gut

Vor allem in den USA wurde dies als Parteinahme für die bibeltreuen "Kreationisten" gewertet, die ebenfalls von einem "Intelligent Design" sprechen, also einem Bauplan des Schöpfers, der sich im Zuge der Evolution verwirklicht. Schönborn gelang es in seinen Erwiderungen, die Fundamentalismusfalle zu vermeiden, und deutete einen Mittelweg zwischen Kreationismus und Darwinismus an.

An der Jahreswende 2009/2010 sorgte Schönborn abermals international für Aufsehen. Diesmal war es eine private Pilgerreise zum offiziell nicht anerkannten Marienwallfahrtsort Medjugorje. Ohne seinen Status als Kardinal zu beachten, reiste er nach Bosnien-Herzegowina, um sich ein persönliches Bild von der dort praktizierten Marienfrömmigkeit zu machen. In Interviews rechtfertigte er seine Exkursion später damit, dass er mit eigenen Augen die positiven "Früchte" von Medjugorje habe sehen wollen. Konservativ-charismatische Kreise jubelten.

Keinem Lager zuordenbar

Die Episode zeigt, dass Schönborn immer für Überraschungen gut und nur schwer in starre Kategorien einzuordnen ist. Linken Kritikern gilt er als Konservativer, der im Deckmantel des weltgewandten Intellektuellen daherkommt. Andere kritisieren ihn von rechts, weil er neuerdings den von ihm mitverfassten Katechismus verrate und ähnlich wie Kardinal Walter Kasper zu lautstark das Hohe Lied der Barmherzigkeit singe, wenn es darum geht, wie die Kirche jenen begegnen soll, die sich nicht an die kirchliche Sittenlehre halten.

Als der österreichische Sänger Thomas Neuwirth unter dem Kunstnamen Conchita Wurst im Mai 2014 den European Song Contest gewann, kommentierte Schönborn dies mit den Worten, es gebe "im bunten Garten Gottes eine bunte Vielfalt". Und weiter: "Nicht alle, die als männliche Wesen geboren wurden, fühlen sich als Mann ... Sie verdienen als Menschen den Respekt, auf den wir alle ein Recht haben." Für diese Äußerungen heimste er Lob der liberalen "Huffington Post" ein - und ätzende Kritik traditionalistischer Blogs. Die Geburtstagsglückwünsche von diesem Ende des kirchlichen Spektrums werden diesmal wohl eher zurückhaltend ausfallen.


Quelle:
KNA