Eine Studenten-WG im Priesterseminar

"Gemeinsam auf der Suche"

Seit Anfang des Semesters leben auch Nicht-Theologen im Münsteraner Priesterseminar. Denn das Seminar kann seine Räume wegen des Priestermangels nicht auslasten. Münsters Studenten dagegen leiden seit Jahren unter Wohnungsmangel.

Autor/in:
Bernadette Winter
Kickern im Priesterseminar (dpa)
Kickern im Priesterseminar / ( dpa )

"Ein bisschen ist es schon so wie in Hogwarts", sagt Tim Kortendieck beim Rundgang durch sein neues Zuhause. Lange Gänge, viele Treppen, der Vergleich könnte passen. Wäre da nicht das große Schild "Bischöfliches Priesterseminar Borromaeum" an der Eingangspforte in Sichtweite des Münsteraner Paulus-Doms. Aber Kortendieck will ja kein Zauberer werden wie Harry Potter, allerdings auch nicht Priester, er studiert Jura.

Seit Anfang Oktober bietet das Bistum Münster WG-Plätze im Priesterseminar an. Für 300 Euro im Monat bekommen derzeit acht männliche Studenten ein kleines Zimmer mit eigenem Bad, Mittag- und Abendessen. Telefon und Internet inklusive.

Tipp aus der Heimatgemeinde

"Ich bin so froh, dass ich hier einziehen konnte", sagt Kortendieck. "In sämtlichen WGs wurde ich mit der Begründung abgelehnt, ich sei zu jung." Der Pfarrer seiner Heimatgemeinde Sendenhorst erzählte dem 18-Jährigen von dem neuen Angebot. "Ich hatte schon immer einen guten Bezug zur katholischen Kirche", erklärt der Erstsemester. In seiner Gemeinde war er Messdiener und kümmerte sich um die Homepage.

"Unser Ziel ist es, eine größere Vielfalt hier reinzubringen, sonst kreisen die Theologen nur um sich und ihre Themen", sagt der Leiter des Priesterseminars, Regens Hartmut Niehues. Deshalb sind jetzt je zwei Jura-, Psychologie-, Lehramts- und Biologiestudenten zu den Theologen gezogen. Jeweils sechs Theologiestudenten bilden mit zwei Kommilitonen aus den anderen Fächern eine WG. "Wir Menschen sind doch alle auf der Suche nach Antworten für die großen Fragen des Lebens. Und diesen Weg gehen wir hier gemeinsam", erläutert Niehues.

"Neben mir wohnt ein Psychologiestudent, das ist auch für mich als Theologe total spannend", berichtet der 25-jährige Lukas Hermes über die ungewohnte Nachbarschaft. Sonntagabends treffe man sich zum Tatort gucken oder gehe gemeinsam feiern. Mittwochs lockt im Keller die "CoeliBar" mit Bier und Tischkicker. Gäste, die über Nacht bleiben wollen – egal ob männlich oder weiblich – haben die Möglichkeit, sich ein Gästezimmer zu nehmen.

Mitbewohner sollen Auftrag positiv mittragen

Die Mitbewohner sollen "den Auftrag des Priesterseminars aus ihrem eigenen katholischen Glauben heraus positiv mittragen", so steht es in den Bewerbungsunterlagen. Ein Ansatz, der auch in anderen Bistümern Schule machen könnte? Beim Erzbischöflichen Priesterseminar in Paderborn ist das Münsteraner Modell bereits bekannt. "Ich kann mir schon vorstellen, dass es sich durchsetzt, weil es gut tut, mit anderen ins Gespräch zu kommen", meint der dortige Subregens Andreas Kreutzmann. Derzeit sei es jedoch nicht möglich, Mitbewohner aufzunehmen.

Ähnlich sieht es im Collegium Albertinum in Bonn aus, wo die Priesterkandidaten des Erzbistums Köln leben und studieren, bevor sie als Seminaristen nach Köln wechseln. "Beide Häuser sind komplett ausgelastet", sagt Regens Markus Hofmann aus Köln. "In den Bereichen, die nicht für die Priesterausbildung genutzt werden, sind kirchliche Einrichtungen untergebracht."

Im Borromaeum dagegen gehen schon erste Bewerbungen für das kommende Semester ein. Das Projekt ist zwar auf zwei Jahre angelegt, es gäbe aber die Option auf Verlängerung. Tim Kortendieck will jedenfalls bleiben und seine gerade geschlossenen Freundschaften noch vertiefen. "Meine Kommilitonen waren anfangs etwas verschreckt, als ich gesagt habe, wo ich wohne, aber dann wurden sie neugierig." Mittlerweile seien schon Besucher zu Gast gewesen. "Ich will ihnen zeigen, dass es hier keine Geheimnisse gibt, sondern alles ganz normal ist", sagt Kortendieck. Eben doch nicht ganz so wie in Hogwarts, der Zauberer-Schule der Harry-Potter-Romane.


Quelle:
dpa