Diözese Rottenburg-Stuttgart zu Ethik an Grundschulen

Der Nerv der Zeit

Selbst wenn das Gericht anders entschieden hätte, guter Ethikunterricht für Grundschüler müsse erst einmal entwickelt werden. Das gab Ute Augustyniak-Dürr (Bistum Rottenburg-Stuttgart) vor der Urteilsverkündung zu bedenken.

Diözese Rottenburg-Stuttgart (dpa)
Diözese Rottenburg-Stuttgart / ( dpa )

domradio.de: In anderen Bundesländern gibt es bereits Ethikunterricht an Grundschulen, warum gibt es den in Baden Württemberg nicht?

Ute Augustyniak-Dürr (Hauptabteilungsleiterin Schulen der Diözese Rottenburg-Stuttgart): Die Situation in Baden-Württemberg ist sozusagen etwas in der Schwebe. Der Ethikunterricht ist von der Landesregierung gewünscht und gefordert, aber bisher aus Ressourcengründen noch nicht umgesetzt.

domradio.de: Wie steht die katholische Kirche zur Einführung eines Ethikunterrichts für Schüler an Grundschulen?

Augustyniak-Dürr: Die katholische Kirche begrüßt das grundsätzlich für Schüler, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, die nicht konfessionsgebunden sind oder nicht religiös. In dieser Rechtskonstruktion ist der Ethikunterricht dann ein Ersatzfach für den grundgesetzlich garantierten Religionsunterricht.

domradio.de: Sollte Ihrer Meinung nach eine Wahlfreiheit bestehen - das heißt eine Wahlmöglichkeit zwischen Ethik- und Religionsunterricht?

Augustyniak-Dürr: Mit dem Begriff Wahl tue ich mich deshalb ein bisschen schwer, weil Wahl eigentlich ein anderes Prinzip voraussetzt. Es geht ja in der Konstruktion unseres Rechtsstaates darum, dass der weltanschaulich neutrale Rechtstaat auch Neutralität gewährleisten muss. Insofern ist es schwierig, wenn er jetzt ein Fach einführt, in dem er selber die Wertevermittlung übernimmt. Vom Bauplan her ist es so, dass er auf die Mitwirkung der Religionsgemeinschaften angewiesen ist und es Kooperationen gibt und staatskirchenrechtliche Verträge zwischen einer Religionsgemeinschaft, die dann für diese Werte garantiert und dem Staat.

Wenn der Staat jetzt Ethik einführt, dann ist es erstmal vom Konstrukt her etwas anderes als wenn er einen solchen Staatskirchenvertrag mit einer Religionsgemeinschaft hat, also traditionell der katholischen und der evangelischen Kirche in Deutschland.

domradio.de: Mit welchem Urteil rechnen Sie denn und mit welchen Folgen?

Augustyniak-Dürr: Ich glaube, es ist ein ganz grundlegendes Urteil, was da getroffen wird, weil es so ein bisschen in den Nerv der Zeit trifft. Nämlich eben wirklich in die Frage, wieweit gibt es Alternativen zu diesem Fach. Wünschen würde ich mir, dass einfach klar wird, es geht noch um tiefere Dingen als nur um die Frage, dass man jetzt alles wählen kann. Es geht wirklich um das Bauprinzip des Staates und das muss klar werden, dass wir an der Stelle noch eine tiefe Diskussion zu führen haben.

domradio.de: Sollte das Bundesverwaltungsgericht nun der Klägerin stattgeben, was hat das dann bundespolitisch für Folgen?

Augustyniak-Dürr: Zunächst einmal hat das vor allem pädagogische Folgen. Dieses Fach Ethik in der Grundschule muss man erstmal sehr gut entwickeln. Ethik erfordert eigentlich eine Außenperspektive, Religion eine Innenperspektive. Ich glaube, man ist an der Grundschule deshalb bisher zögerlich damit geblieben, weil das entwicklungspsychologisch noch nicht geht. Da wird man inhaltlich arbeiten müssen ähnlich wie zum Beispiel Mecklenburg-Vorpommern arbeitet mit Philosophieren mit Kindern. Darum wird es gehen, das gut zu entwickeln.

Das Interview führte Christian Schlegel


Quelle:
DR