Raphaelshaus verteidigt alternativen Jugendstrafvollzug der Kirche

Wieder hinter Gittern

Das katholische Raphaelshaus räumt Fehler bei der Betreuung von jungen Strafgefangenen ein. Ein Sozialpädagoge soll drei Jugendlichen einen Bordellbesuch ermöglicht haben. Dazu Daniel Mastalerz vom Raphaelshaus im domradio.

Justizvollzugsanstalt (dpa)
Justizvollzugsanstalt / ( dpa )

domradio.de: Sie haben im Raphaelshaus einen Jugendstrafvollzug in freien Formen angeboten - in einem Modellprojekt. Vielleicht können Sie uns noch einmal kurz erklären, was genau heißt Jugendstrafvollzug in freien Formen?

Daniel Mastalerz (stellvertretender Leiter des Raphaelhauses): Zunächst einmal muss man ein bisschen die Geschichte bemühen. Der Jugendstrafvollzug in freien Formen wurde ja eingeführt nach den Foltermorden in der Jugendvollzugsanstalt in Siegburg. Damals gab es eine Enquete-Kommission, an der unser Leiter, Hans Scholten, zu gegen war. Die Konsequenz aus dieser Enquete-Kommission war, dass man neue Formen des Jugendstrafvollzugs entwickelt und ein Modellprojekt war dies in freien Formen, was wir im Raphaelshaus praktiziert haben. Im Prinzip geht es darum, dass inhaftierte Jugendliche, die eine gewisse Reife und Bereitschaft mitbringen, nochmal der Pädagogik zugeführt werden. Das ist immer sehr schwer zu sagen, wo man hin will, aber ich weiß, was wir nicht wollten. Und wenn man einmal in einer Jugendvollzugsstrafanstalt war, dann weiß man, dass das unmöglich für die Jugendlichen gut sein kann.

domradio.de: Was war denn bei Ihnen anders?

Mastalerz: Das war eine relativ kleine Gruppe von sieben Jugendlichen. Sie haben zusammen gearbeitet mit sieben Pädagogen plus Lehrer plus Reinigungskraft. Sie haben versucht den Schulabschluss nachzuholen, sie haben versucht wichtige Scheine zu machen, zum Beispiel zum Gabelstaplerfahrer, also Dinge zu machen, die sie in ihrem Leben weiter bringen.

domradio.de: Jetzt allerdings gab es die ziemlich erschütternde Nachricht, dass ein Sozialpädagoge Ihres Hauses  mit den Jugendlichen ein Bordell besucht haben soll. Stimmt das und wenn ja, wie konnte das passieren?

Mastalerz: Wir reden da momentan noch von einem Verdacht. Von mehr können wir noch nicht reden, da es noch nicht verifiziert ist. Wir haben diese Verdachtsfälle den Strafbehörden überstellt, damit sie das kontrollieren, das ist deren Beruf. Aber es gab auf jeden Fall massive Dienstverfehlungen, die es notwendig machten, dass wir fristlos kündigen. Es ist auch im Gespräch, dass er mit den Jugendlichen ein Bordell besucht haben soll, wie gesagt, das ist ein Verdacht und wenn das wahr ist, dann ist es für uns unfassbar.

domradio.de: Sie haben es gerade gesagt, diesem betreffenden Sozialpädagogen wurde gekündigt und das Justizministerium in Nordrhein-Westfalen hat auch eine Konsequenz gezogen: Es hat nämlich das Projekt beendet. Können Sie das nachvollziehen?

Mastalerz: Ich kann nachvollziehen, dass das Justizministerium Nachfragen hatte, ich kann nachvollziehen, dass das Justizministerium diese ungeheuerlichen Vorgänge aufgeklärt haben wollte. Das Vorgehen des Justizministeriums ist mir völlig unverständlich. Wir waren Partner, wir hatten einen gemeinsamen Vertrag, wir haben gestern per Telefon erfahren, dass dies geschehen soll und waren völlig unvorbereitet. Unter Partnerschaft stelle ich mir etwas anderes vor.

domradio.de: Nach allem, was passiert ist, glauben Sie weiter daran, dass der Jugendstrafvollzug in freien Formen im Raphaelshaus und auch anderswo sinnvoll ist?

Mastalerz: Ich bin hundertprozentig überzeugt davon, dass diese Form von Jugendstrafvollzug sinnvoll ist. Es funktioniert ja auch in Baden-Württemberg, in Bayern, in der Schweiz hervorragend. Es sind andere Rahmenbedingungen notwendig und eine richtige Partnerschaft zwischen den Partnern. Das war bei uns auch nicht gegeben.

domradio.de: Was wären denn andere Rahmenbedingungen?

Mastalerz: Ein Problem war, dass die Jugendlichen, die hier untergebracht waren, letztlich immer noch unter den Obliegenheiten der Strafvollzugsbehörden standen. Wenn die Strafvollzugsbehörden entschieden haben, die kommen zurück, dann hatten wir überhaupt keinerlei Möglichkeiten da zu unterstützen oder darauf einzuwirken. Es war ein relativ einseitiger Dialog, also wir haben alle Informationen an die JVA Ronsdorf gegeben. Wir wiederrum keine zurückbekommen. Ich denke, es gab unterschiedliche Sichtweisen und wir waren quasi ein kleines Partnerchen, aber kein ernstzunehmender Partner.

domradio.de: Wer in diesen Tagen über das Raphaelshaus liest oder hört, da geht es um das Modellprojekt, das beendet werden soll, dabei machen Sie noch viel mehr: therapeutische Gruppen, Programme für Familien und Jugendliche in großen sozialen Schwierigkeiten. Haben Sie Angst, dass sich die Vorwürfe gegen das Raphaelshaus auch auf die Arbeit mit diesen anderen Gruppen auswirken könnte?

Mastalerz: Nein, das glaube ich nicht. Ich habe schon Angst oder ich ahne, dass einige Partner irritiert sind, aber das Raphaelshaus arbeitet seit vielen Jahrzehnten bundesweit anerkannt im Bereich der Erlebnispädagogik und der Tierpädagogik. Ich denke, die Woge wird an uns vorüber gehen. Wir können nicht mehr als bedauern, dass das geschehen ist.

Das Interview führte Hilde Regeniter


Quelle:
DR