Dogmatiker Hoping kritisiert Freiburger Handreichung

"Ein solches Vorgehen ist eher fragwürdig"

Prof. Helmut Hoping ist Professor für Dogmatik an der Universität Freiburg und Diakon im Erzbistum Freiburg. Im Interview erläutert er die Genese der Freiburger Handreichung für den Umgang mit wiederverheiratet Geschiedenen und kritisiert Zeitpunkt und Art der Veröffentlichung.

Prof. Helmut Hoping / © Universität Freiburg
Prof. Helmut Hoping / © Universität Freiburg

domradio.de: Wie ist es dazu gekommen, dass Freiburg hier in dieser Frage vorprescht?

Prof. Hoping: Das geht zurück auf die Initiative der Bischöfe der oberheinischen Kirchenprovinz und dann auf ein Memorandum von Priestern und Diakonen der Erzdiözese Freiburg. Etwa 200 Priester und Diakone hatten im Mai 2012 öffentlich erklärt, dass sie sich in Einzelfällen nicht an das Kirchenrecht und den Katechismus der katholische Kirche gebunden fühlen. Die Bestimmungen dort sind ja klar, dass wiederverheiratet Geschiedene nicht zur Kommunion gehen können. Dann kam die Diözesanversammlung im Erzbistum, die im Kontext des Gesprächsprozesses der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) zu sehen ist. Schließlich kam es dann zu dieser Handreichung des Seelsorgeamtes.

domradio.de: Also steht da nur drin, was ohnehin schon praktiziert wird?

Prof. Hoping: Ja, das ist aber nicht nur ein Phänomen in der Erzdiözese Freiburg, wir sehen seit etwa 20, 30 Jahren, dass in Einzelfällen nach Rücksprache und einem Gespräch mit wiederverheiratet Geschiedenen, diese zur Kommunion zugelassen werden. Das sind aber Entscheidungen vor Ort, bei denen die Priester und die wiederverheiratet Geschiedenen auf der Grundlage einer Gewissensentscheidung diesen Weg wählen. Überraschend ist die Art und Weise der Veröffentlichung dieser Handreichung, der Zeitpunkt. Die DBK hat ja eine Arbeitsgruppe zum Thema eingesetzt und will Empfehlungen aussprechen und im kommenden Jahr soll ja eine Bischofssynode in Rom zur Familie durchgeführt werden. Papst Franziskus hat darauf hingewiesen, dass das Thema dort auch behandelt werden wird. Daher überrascht mich nun der Zeitpunkt der Veröffentlichung, und von daher kann ich auch die etwas zurückhaltenden Stellungnahmen mancher Diözesen in Deutschland verstehen.

domradio.de: Wird die Handreichung Auswirkungen haben auf die Arbeitsgruppe der DBK und die Synode?

Prof. Hoping: Auf den Gesprächsprozess sicherlich, Alois Glück vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken hat ja die Handreichung schon begrüßt. Ob es auf die Bischofssynode Auswirkungen haben wird, kann ich nicht sagen, wir haben es ja in der Weltkirche mit erheblichen Ungleichzeitigkeiten zu tun. Ob alle Ortskirchen der katholischen Weltkirche das so sehen, wie das Seelsorgeamt in Freiburg, da kann man ja noch einmal ein Fragezeichen machen. Freiburg hat sich immer als Vorreiterbistum in Deutschland und sogar darüber hinaus verstanden. Es ist aber klar, und das muss man ganz deutlich gesagt werde, die Handreichung kann natürlich den Priestern und wiederverheiratet Geschiedenen die Gewissensentscheidung nicht abnehmen. Es ist ein Unterschied ob Priester und wiederverheiratet Geschiedene vor Ort aufgrund einer Gewissensentscheidung etwas tun oder ob eine Abteilung einer deutschen Diözese öffentlich einen Verstoß gegen kirchliches Recht und den Katechismus absegnet. Eine deutsche Diözese kann natürlich nicht zu einem solchen Verstoß auffordern, das geht eigentlich nicht. Deshalb hätte ich mir gewünscht, dass man das nicht im Rahmen einer öffentlichen Handreichung angeht, sondern in einer konzertierten Aktion solidarisch mit anderen Bistümern in der Arbeitsgruppe der DBK. Um dann auf eine universalkirchliche Regelung hinzuwirken. Das Anliegen teile ich ja, wir brauchen eine universalkirchliche Regelung für wiederverheiratet Geschiedene. Aber ich halte diesen Weg nun für nicht ganz unproblematisch.

domradio.de: Sie sind also mit den Kritikern einig, dass dieses Thema in die konkrete Seelsorge und nicht in die Öffentlichkeit gehört?

Prof. Hoping: Ja, weil wir hier einen Konflikt haben zwischen der Glaubenslehre und der Situation der Seelsorger und Betroffenen vor Ort. Eine Schwester von mir ist wiederverheiratet Geschieden, auch dort wurde nach langen Gesprächen die Möglichkeit zur Kommunion eröffnet, ich weiß schon, wovon ich spreche. Aber man sollte das vor Ort im Einzelfall entscheiden, solange es keine Korrektur der universalkirchlichen Bestimmungen gibt. Und dann gibt es eben die Arbeitsgruppe der DBK und den Rat der Kardinäle für Papst Franziskus. Es ist ja auch keine Erklärung der DBK, sondern eine Handreichung eines Büros einer Diözese. Ein Seelsorgeamt einer Diözese kann nicht die rechtlichen Bestimmungen der katholischen Kirche einfach aufheben, das geht nicht. Solange die bestehen, ist ein solches Vorgehen eher fragwürdig.

Das Gespräch führte Matthias Friebe.


Quelle:
DR