Sr. Tatschmurat ist Münchens erste Äbtissin

Tochter eines Muslims

München hat eine Äbtissin: Die Priorin der benediktinischen Kommunität "Venio", Schwester Carmen Tatschmurat, ist zur ersten Benediktinerinnen-Äbtissin für München ernannt worden. Kardinal Marx nahm die Weihe vor.

Autor/in:
Gabriele Riffert
Sr. Carmen Tatschmurat (KNA)
Sr. Carmen Tatschmurat / ( KNA )

Der Münchner Erzbischof rief die Gemeinschaft dazu auf, sie solle "mitten in der Welt ein Zeichen sein“ für das Kommen Gottes und in ihrem Wirken "für alle Menschen, nicht nur für die Gläubigen“ da sein. "Die Kirche kommt nicht zusammen, um sich narzisstisch selbst zu feiern“, betonte Kardinal Marx, sondern um Gottes Willen zu tun, damit die Menschen "den Weg Gottes als den Weg erkennen, der uns in die größeren Möglichkeiten des Lebens führt, der Horizonte aufreißt“. Marx wünschte der Abtei und der Äbtissin "von ganzem Herzen, dass sie dafür Sorge tragen, dass die Neugierde und Aufmerksamkeit für den kommenden Gott, der uns begegnen will, wach bleibt“.

Zu dem Festgottesdienst in der Abtei Sankt Bonifaz kam viel benediktinische Prominenz, allen voran Abtprimas Notker Wolf, der Abt der Dormitio Jerusalem, Gregory Collins, und Augsburgs Altbischof Viktor Josef Dammertz.

Der Bayerischen Benediktinerkongregation angegliedert

Carmen und ihre Mitschwestern sind ebenfalls Benediktinerinnen, auch wenn man das nicht auf den ersten Blick sieht, denn sie tragen ihr Ordensgewand nur beim gemeinschaftlichen Chorgebet.

Wenn die Schwestern ihren Berufen nachgehen, sind sie in Zivil unterwegs: eine ist Kinderärztin, eine andere Bauingenieurin, eine Lehrerin. 20 Frauen leben zusammen in der Kommunität Venio im Stadtteil Nymphenburg. Die Jüngste ist 32, die Älteste 91 Jahre alt. Mittlerweile gibt es auch eine Außenstelle in Prag mit vier Schwestern.

Professorin für Sozialpädagogik

Alle Ordensfrauen arbeiten Teilzeit, um ihren Beruf mit dem gemeinschaftlichen Leben gut vereinbaren zu können. Schwester Carmen ist beurlaubt, seit sie 2010 Priorin der Kommunität wurde. Bis dahin war sie ab 1991 Professorin für Sozialpädagogik an der Katholischen Stiftungsfachhochschule München. Die promovierte Soziologin hat auch im Bereich „Berufs- und Arbeitskräfteforschung“ der deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mitgearbeitet und die Frauenakademie München mitgegründet.

Zur Kommunität stieß sie 1997, nach längerem Suchen. "Ich war beruflich die Karriereleiter schon ziemlich hochgeklettert, habe gut verdient und war ehrenamtlich aktiv“, erinnert sie sich. Doch sie habe sich damals gefragt, ob das schon alles gewesen sein könne. Bei Exerzitien in Bernried habe sie den benediktinischen Tagesrhythmus kennengelernt und war davon elektrisiert. Es habe sie zutiefst angesprochen, dreimal pro Tag "alles stehen und liegen zu lassen, um gemeinsam Gott zu preisen“. Allerdings wollte sie nicht in ein traditionelles Kloster eintreten.

Novizin mit 47 Jahren

Die Exerzitienbegleiterin habe sie damals auf die Kommunität Venio hingewiesen, deren Mitglieder weiter berufstätig bleiben. "Dort bin ich dann ganz schnell ins Noviziat eingetreten, mit 47 Jahren eilt es dann doch“, schildert sie ihre Lebenswende, und ihre Augen lachen wieder dabei.

Carmen Tatschmurat hat sich eine Grundhaltung der stets neuen, bewussten Entscheidung zu eigen gemacht. So hat sie sich ausdrücklich dafür entschieden, als Katholikin zu leben. Zwar war sie schon als Kind katholisch getauft worden, aber ihr Werdegang war alles andere als selbstverständlich. Ihr Vater war ein Muslim aus Turkmenistan, der für den US-Sender Radio Free Europe arbeitete. Ihre Mutter war eine katholische Heimatvertriebene aus dem Sudetenland. Zu den Herkunftsländern ihrer Eltern hatte sie lange keinen Bezug.

Doch seit der Gründung der Prager Niederlassung, für die sie auch verantwortlich ist, pflegt sie lebhafte Kontakte nach Tschechien.

Außerdem haben sich eine bayerische und eine tschechische Schwester entschieden, in der je anderen Niederlassung dauerhaft zu leben. Beim Chorgebet werden in beiden Häusern auch Teile in der jeweiligen Fremdsprache gesungen.