Bischof Feige ist vom Hochwasser betroffen

"Menschlicher Beistand ist wichtig"

In Magdeburg hat sich die Hochwasserlage etwas entspannt. Der Pegel sinkt, wenn auch nur sehr langsam. Bischof Gerhard Feige musste dennoch seine Wohnung verlassen.

Bischof Gerhard Feige (dpa)
Bischof Gerhard Feige / ( dpa )

domradio.de: Das Hochwasser geht etwas zurück, das zumindest melden die Nachrichtenagenturen. Ist davon in der Stadt schon etwas zu merken?

Bischof Gerhard Feige: Ja, durchaus. Aber es gibt auch gegenteilige Entwicklungen. Ich selber bin durch die Wohnlage meiner Wohnung davon betroffen. Das war immer die Gefahr, dass ich auch das Haus verlassen müsste. Und gestern Abend bzw. heute Nacht kam eine tiefe Aufatmung, dass es zurückgeht. Heute Vormittag bekam ich dann die Meldung, dass die Wohnungen in dem Gebiet, in dem ich wohne, verlassen werden müssten. Das heißt, dass gar nicht mehr damit gerechnet wurde. Aber das hängt damit zusammen, dass eventuell Deiche noch brechen, aufweichen könnten und dieses Gebiet dann auch gefährdet ist. Aus einem anderen Ortsteil hat es Kritik am Oberbürgermeister gegeben, dass dort zu spät gewarnt worden ist, und wahrscheinlich ist dies jetzt eine übermäßige Vorsichtsmaßnahme.

domradio.de: Das heißt, dass Sie jetzt selber tatsächlich umziehen mussten.

Bischof Feige: Ich hatte seit Mittwoch eigentlich Zeit, mich darauf einzustellen. Ich wohne im östlichen Teil Magdeburgs, also östlich der Elbe, und das ist ein gefährdetes Gebiet. Ich habe mich darauf vorbereitet, habe immer auch den entsprechenden Koffer im Auto, wenn ich wegfahre, weil ich dann nicht wusste, ob ich noch zurückkehren kann. Es ist sonst für mich nicht so dramatisch. Bis jetzt ist noch alles gut gegangen. Und auch im Gebiet, in dem ich wohne, hat die Feuerwehr die Lage im Griff. Aber es könnte eben von woanders noch etwas kommen. Das macht die Situation etwas angespannt. Es ist also noch nicht die große Erleichterung eingetreten.

domradio.de: Sie selbst sind ja nicht zum Eucharistischen Kongress in der vergangenen Woche gereist, weil Sie eben bei den Menschen vor Ort bleiben wollten. Sie sind auch im Gespräch mit den Leuten? Was sind deren größte Sorgen im Moment?

Bischof Feige: Gerade in dem Gebiet, in dem ich wohne, haben einige neu gebaut oder haben sich eine Wohnung neu eingerichtet. Sie erzählen auch, dass sie anderswo eventuell eine Werkstatt haben, die schon unter Wasser steht. Und wenn es jetzt auch noch ihre Wohnung treffen würde, das wäre für sie schon ganz schmerzlich. Ich weiß natürlich auch nicht genau, was für Probleme, was für Sorgen viele Menschen im Umland haben. In den Dörfern ist es sicherlich noch schwieriger. Aber manche, die ihre Häuser verlassen sollen, die haben natürlich die Befürchtung, dass es zu Plünderungen kommen könnte und viele möchten am liebsten nicht gehen und harren aus. Man hat es ja auch im Fernsehen gesehen. Gerade in den kleinen Dörfern ist die Situation schon sehr bewegend.

domradio.de: Das ist innerhalb von 11 Jahren die zweite große Flutkatastrophe. Sind Sie auch damit konfrontiert, dass Leute sagen: Mensch, ich kann das nicht verstehen, wie kann Gott so etwas zulassen, dass uns das jetzt wieder passiert?

Bischof Feige: Diese Frage habe ich weniger gehört. Wir leben hier in einer Gegend, wo 80% keiner Kirche, keiner Religion angehören. Von daher ist dieses Thema nicht so virulent, würde ich sagen. Aber es gibt auch Leute aus der Umgebung, die sagen: "Na, Herr Bischof, beten Sie mal kräftig, dann werden wir sicher gerettet.“ Das klingt so salopp, aber man weiß nicht, ob nicht doch tiefer etwas dahinter steckt.

domradio.de: Wenn das Hochwasser in den nächsten Tagen hoffentlich geht, bleibt aber der Schlamm und das große Aufräumen muss dann anfangen. Wie kann man den Menschen vor Ort dabei helfen und wie kann die Kirche dabei helfen?

Bischof Feige: Da haben wir schon einiges eingeleitet. Unser Diözesan-Caritasverband steht zur Verfügung mit einigen Angeboten. Ob das Kärcher, Trockner oder andere Dinge sind, entweder für unsere Eichrichtungen, aber auch für andere. Dann haben wir die 72-Stunden-Aktion des BDKJ sofort umfunktioniert und ausgerichtet auf die Hilfe nach dieser Hochwasserkatastrophe. Es ist erfreulich, dass auch schon aus anderen Bistümern sich Gruppen angesagt haben, die mithelfen werden. Wichtig wird aber auch menschlicher Beistand bei besonders schweren Notlagen sein. Nicht nur materieller Art, sondern eben auch seelischer Art. Wir haben auch jetzt schon in einigen unserer Einrichtungen oder auch bei privaten Familien Situationen geschaffen, wo Evakuierte unterkommen konnten. Unter anderem auch in unserem Roncalli-Haus, das ist das Bildungshaus unseres Bistums direkt an der Kathedrale gelegen.  

Was für mich besonders beeindruckend ist, das ist die große Hilfsbereitschaft und Solidarität, die ich selber erlebt habe. Wenn es darum geht, die Dämme zu sichern oder Leute zu retten, also dass da sofort viele Leute aus allen Altersschichten zur Verfügung sind und eben nicht nur aus Magdeburg. Es sind Leute angereist aus anderen Gegenden, auch aus westlichen Gebieten, die ganz einfach helfen wollen. Und das ist ein großartiges Zeichen, dass also professionelle Hilfe da ist, also die Bundeswehr und das Technische Hilfswerk. Bei mir in der Nähe ist ein Feuerwehrzug aus Hannover, der da schon seit Tagen alles absichert. Und neben diesen professionellen Kräften eben auch die vielen Freiwilligen, die also nicht aufs Geld schauen - wie sie da hinkommen, wer das Benzin bezahlt , oder wer die Lebensmittel zahlt, die sie da auch noch mit verteilen - also das ist wirklich schon ein beeindruckendes Zeichen.

domradio.de: Vielen Dank an Bischof Gerhard Feige. Wir wünschen Ihnen alles Gute.

Das Interview führte Hilde Regeniter.