Bischof Gebhard Fürst zu Studie über Kirchenbindung in seiner Diözese

Eine Menge Aufgaben

Eine offene und engagierte Kirche wünschen sich die meisten schwäbischen Katholiken. Das ergab eine Studie im Bistum Rottenburg-Stuttgart. Bischof Gebhard Fürst setzt nach den Ergebnissen der Studie weiterhin auf Dialog.

 (DR)

Gebhard Fürst zeigt sich kämpferisch: Der Wirkungsraum der Kirche dürfe nicht auf die Sakristei beschränkt sein, der Weg in ein selbst gewähltes Ghetto "darf nicht unser Weg sein". Der Platz der Kirche müsse vielmehr an der Seite der Menschen und mitten in der Gesellschaft sein.

Der Rottenburg-Stuttgarter Bischof sieht sich in dieser Einschätzung durch eine vom Bistum in Auftrag gegebene, am Mittwoch vorgestellte Studie über "Kirchenbindung, Werte und Erwartungen der Kirchenmitglieder in der Diözese Rottenburg-Stuttgart" bestätigt. Danach wollen die allermeisten schwäbischen Katholiken eine offene und engagierte Kirche, die aber weniger abgehoben und lebensnaher kommunizieren soll.

Weiterhin offensiver Umgang mit Thema Missbrauch erwünscht

93 Prozent der mehr als 3.000 im ersten Halbjahr 2012 befragten Katholiken - insgesamt wurde 4.000 Menschen interviewt - stimmten der Aussage zumindest teilweise zu, die Kirche müsse besser kommunizieren und ihren Mitgliedern besser zuhören. Konsequenterweise finden 80 Prozent der Katholiken auch die Idee des auf Bistumsebene gestarteten Dialog- und Erneuerungsprozesses "sehr gut" oder "eher gut". Die Verantwortlichen des mit der Studie beauftragten Pragma-Instituts werten dies als "überwältigende Zustimmung".

Bestätigt sieht sich die Diözese durch die Untersuchung auch in ihrem Umgang mit dem Missbrauchsskandal der katholischen Kirche. Das Bistum setzte bewusst auf Transparenz und eine von kirchlichen Strukturen unabhängige Leitung der Missbrauchskommission. Immerhin 52 Prozent werteten dies als Maßnahme zur Rückgewinnung von Glaubwürdigkeit. 70 Prozent der Katholiken stimmten der Aussage "voll und ganz" zu, dass die Kirche "weiterhin offensiv mit dem Thema Missbrauch umgehen" müsse.

Knapp zwei Millionen Katholiken im Bistum

Den Anlass der gesamten Untersuchung bildeten nach den Worten von Generalvikar Clemens Stroppel die Kirchenaustrittszahlen. Seit mehr als zwei Jahrzehnten wenden sich im Jahresdurchschnitt rund 10.000 Katholiken und damit rund ein halbes Prozent von ihrer Kirche ab. Im Jahr 2010, als der Missbrauchsskandal bekannt wurde, stieg die Zahl noch einmal um 50 Prozent auf rund 15.000. Zum schwäbischen Bistum gehören knapp zwei Millionen Katholiken.

Und die Studie belegt, dass der Trend zum Kirchenaustritt keinesfalls gestoppt ist. Zwar attestierten die Forscher drei Viertel der Befragten eine starke Bindungskraft zu ihrer Kirche, doch der Umkehrschluss besagt, dass sich ein Viertel schon einmal ernsthaft mit dem Gedanken eines Kirchensaustritts auseinandergesetzt hat. "Organisationstheoretisch gesprochen ein hohes Risikopotenzial, menschlich und pastoral gesprochen ein Trauerspiel", so Fürst.

Der Bischof hält es für bemerkenswert, dass dabei nicht finanzielle Überlegungen im Vordergrund stehen, sondern mit 33 Prozent das Stichwort "Entfremdung" mit weitem Abstand das dominierende Motiv ist: "Wir müssen uns auf den verschiedenen Ebenen seelsorgerischer Verantwortung fragen, worin der Anteil der Kirche an dieser Entfernung und Entfremdung liegt." Für Fürst wäre es schlicht zu einfach, die Gründe ausschließlich bei denen zu suchen, die früher im Kirchenjargon als Fernstehende bezeichnet und behandelt wurden.

Dialog als Grundlage

Fürst plädierte stattdessen für einen Dialog, "der wirklich ein Dialog ist, das heißt getragen von der Bereitschaft, den jeweils anderen in seinen Anliegen wahrzunehmen und zu verstehen". Dialog müsse zur Grundlage "kirchlichen Lebens, Redens und Handelns" werden. Der Bischof will dafür den kirchlichen Kommunikationsstil offener, offensiver und lebensnaher gestalten.

Die Ergebnisse der Studie sollen jetzt auf Bistumsebene in den kirchlichen Gremien diskutiert und mit den Ergebnissen des Dialogprozesses zusammengeführt werden. Fürst sieht eine "Menge Aufgaben". Allerdings könne nicht alles auf einmal gemacht werden. Vorangehen könne es nur Schritt für Schritt.


Bischof Gebhard Fürst (KNA)
Bischof Gebhard Fürst / ( KNA )
Quelle:
KNA , DR