Schwester Birgit Weiler aus Lima zur Amazonas-Synode

"Frauen haben die Fähigkeit, Brücken zu bauen"

Birgit Weiler stammt aus Duisburg und ist Missionsärztliche Schwester, sie lehrt in der peruanischen Hauptstadt Lima und hat an der Amazonassynode teilgenommen. Hier spicht sie über ihre dortigen Eindrücke und Erwartungen.

Birgit Weiler, Ordensfrau der Missionsärztlichen Schwestern und Teilnehmerin der Amazonas-Synode / © Stefano Dal Pozzolo (KNA)
Birgit Weiler, Ordensfrau der Missionsärztlichen Schwestern und Teilnehmerin der Amazonas-Synode / © Stefano Dal Pozzolo ( KNA )

DOMRADIO.DE: Schwester Birgit, drei Wochen Synode liegen hinter Ihnen. Sind Sie mit dem Abschlussdokument zufrieden?

Dr. Birgit Weiler (Missionsärztliche Schwester aus Lima): Ich bin sehr zufrieden, weil es gut auch die intensiven Gespräche in den Kleingruppen auf den Gängen oder in der Kaffeepause widerspiegelt. Nicht nur die wichtigen Beiträge während der Plenarsitzungen. Es gibt in Treue wieder, wo ganz viel Energie war – bei welchen Themen. Es handelte sich um Themen, die nicht nur den Synodenvätern, sondern auch den über 80.000 Menschen, die am Konsultationsprozess beteiligt waren, ein Anliegen waren. Das lag ja auch uns am Herzen, dass die Anliegen dieser Menschen Eingang finden in die Synode. Da haben auch die indigenen Vertreterinnen und Vertreter sehr darauf geachtet.

DOMRADIO.DE: Was denken Sie, was ist der wichtigste Punkt, worüber sich die Menschen am Amazonas jetzt am meisten freuen, dass das jetzt beschlossen ist?

Weiler: Das, was auch die indigenen Männer und Frauen noch einmal ganz eindringlich am Ende der Synode erbeten haben, dass sich die Kirche sich weiterhin als Bündnispartnerin versteht von allen Bevölkerungsgruppen im Amazonasgebiet. Gerade in dieser Situation, wo dieses so bedroht ist in seinem Weiterbestand. Dass wir als Kirche diesen geschichtlichen Moment erkennen und wissen, was auf dem Spiel steht und mithelfen, ein stärkeres Bewusstsein dafür zu schaffen. Es braucht noch stärkere Netzwerke sowohl innerhalb der katholischen Kirche als auch ökumenisch mit anderen christlichen Kirchen. Und auch mit vielen Menschen guten Willens und mit ihren Organisationen.

Da war auch ganz stark das Bewusstsein da: Wenn Amazonien ökologisch kippt, dann hat es nicht nur ganz schlimme Folgen für die Menschen im Amazonasgebiet und in Lateinamerika, weil es ganz starke klimatische negative Veränderungen mit sich bringen wird, sondern es wird auch katastrophale Folgen für die Welt haben, für das Weltklima. Das ist ein Moment, in dem wir berufen sind, noch stärker aufzuwachen und zu sagen: Wenn menschenwürdiges Leben auf diesem Planeten auf dem Spiel steht, dann braucht es das Bündnis aller Menschen guten Willens auf der Welt. Wir müssen etwas an unserer Kultur, Konsumkultur und der Weise, wie wir Wirtschaft verstehen, ändern und uns gegenseitig darin unterstützen. Das, glaube ich, steht im Moment an.

DOMRADIO.DE: Lassen Sie uns auf die Rolle der Frauen bei der Synode schauen. Was nicht beschlossen wurde, ist der Diakonat der Frau. Diese Entscheidung wurde vertagt. Aber jetzt wird explizit nach Frauen in der Gemeindeleitung am Amazonas gerufen. Sind Sie mit dem Kompromiss zufrieden oder hätten Sie sich da mehr gewünscht?

Weiler: Es ist nicht so, dass es vertagt worden ist. Da unsere Synode eine Sondersynode für den Amazonas war, steht uns das Recht nicht zu, eine Entscheidung zu fällen über eine Frage, die für die Weltkirche ansteht. Aber wir haben das Recht, unser Votum einzubringen. In ganz vielen Konsultationen im Amazonasgebiet haben Männer und Frauen ausdrücklich darum gebeten, dass die Frage des Diakonats der Frau weiter geprüft wird. Im Moment ruht das ja, weil die von Franziskus eingesetzte Kommission zu keinem konkreten Ergebnis gekommen ist. Der Wunsch ist da, dass diese Arbeit weitergeführt wird. Ein permanentes Diakonat für die Frau wird von vielen gewünscht. Und das ist ein starkes Votum, das dann neben anderen Stimmen in der Weltkirche miteinfließen wird in die Entscheidungen. Das hat uns der Papst auch eindrücklich zugesagt. Er hat auch noch einmal gesagt, dass er die Rolle der Frauen in der Kirche stärker fördern möchte und dass er sich auch wünscht, dass es nicht nur bei Funktionen stehen bleibt, sondern dass das, was wir als Frauen einbringen können und wollen in diese Kirche, noch eine viel stärkere Wertschätzung erfährt. Das gilt dann für verschiedene Bereiche.

DOMRADIO.DE: Aber es gibt auch Mitentscheidungsmöglichkeiten ohne das Weiheamt, oder nicht?

Weiler: Deshalb ist es uns wichtig gewesen, dass nicht nur anerkannt wird, wie viel Frauen sich im Amazonasgebiet in die Kirche einbringen. Das haben die Bischöfe in ihren Redebeiträgen schon getan. Kirche ist an vielen Orten nur durch das Wirken der Frauen lebendig. Sonst wäre Kirche oftmals gar nicht präsent. Wenn Frauen so viel von sich einbringen, dann ist es auch wichtig, dass sie in die Überlegungen für Entscheidungsprozesse miteinbezogen werden, in die Entscheidungsprozesse selbst und in die Entscheidungen, die dann gefällt werden. Es gibt so viele Bereiche, wo Frauen durchaus Leitung wahrnehmen können, die gar kein Priesteramt oder Ordo erfordern. Da fehlt es noch dran im Amazonasgebiet. Das war auch ganz schön zu spüren, dass auch ganz viele Bischöfe, die hier anwesend waren, gesagt haben: Ja, wir unterstützen Euch darin und wir wollen, das Frauen diese Leitungsämter wahrnehmen, die kein Amt voraus setzen. Sobald das mit dem Diakoninnenamt entschieden ist, ist das natürlich ein weiterer Schritt.

Ich denke es ist wichtig, zu sagen, dass Frauen in Leitung die Möglichkeit haben in ebenbürtiger Weise, ohne das Weiheamt empfangen zu haben, Kirche mitzugestalten. Das ist eigentlich das Wesentliche und das wurde auch auf der Synode betont. Wir müssen uns daran erinnern, dass wir gemeinsam Schwestern und Brüder im Glauben sind. Wir haben das Taufsakrament empfangen und der Geist Christi lebt in uns allen. Es ist zum Wohl der Kirche, wenn Frauen viel stärker ihre Gaben und Fähigkeiten und ihre Weise, wie sie ein Leitungsamt verstehen, ausführen.

DOMRADIO.DE: Welche sind denn die ganz besonderen Fähigkeiten, die Frauen dann einbinden.

Weiler: Es ist anerkannt worden, dass Frauen eine große Fähigkeit besitzen, Brücken zu bauen. Sie bringen ihre Intuition auch in spirituelle Suchprozesse und Entscheidungsprozesse ein. Professor Schellenhuber, der am Montag mit uns war, hat gesagt, dass in seinem Team hauptsächlich Frauen sind. Er ist ja ein sehr anerkannter Wissenschaftler. Er sagte: Ich schätze das sehr, weil Frauen systemisch denken können. Sie sehen die Dinge viel mehr in ihren Zusammenhängen. Sie sehen nicht nur alles segmentiert und fragmentiert, sondern sind fähig, Verknüpfungen zu schaffen. Und das ist etwas ganz wichtiges und dringliches. Papst Franziskus hat es ja in "Laudato si" betont, dass wir noch mehr erkennen müssen, dass alles miteinander verbunden ist. Dieser Gedanke ist bei vielen Frauen in Leitungspositionen präsent und es wäre wichtig, dies in die Kirche noch mehr miteinzubringen. Dies in der Weise wie wir miteinander umgehen und spirituelle Suchprozesse vornehmen. Wir müssen Leitung so verstehen, dass wir verschiedene Menschen befähigen, ihre Ansichten und Gaben zum Wohl des Ganzen miteinzubringen.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.

Zur Person: Birgit Weiler stammt aus Duisburg und ist Missionsärztliche Schwester. Seit 1995 lehrt sie an der Jesuitenuniversität "Antonio Ruiz de Montoya" in der peruanischen Hauptstadt Lima, außerdem ist sie Beraterin des Lateinamerikanischen Bischofsrates CELAM.  Auf Einladung von Papst Franziskus nahm sie an Sondersynode über die Zukunft des Amazonasgebiets in den Vatikan teil.


Quelle:
DR