Vertrauensforscher analysiert Lage der Kirche

"Man bemüht sich nicht genug"

Die Kirche bemüht sich, nach zahlreichen Missbrauchsskandalen wieder Vertrauen zu gewinnen. Allerdings fehlt aus Sicht des Vertrauensforschers Martin Schweer eine Strategie der Geschlossenheit unter den katholischen Bischöfen.

Vertrauen in die katholische Kirche zurückgewinnen / © Jacob_09 (shutterstock)
Vertrauen in die katholische Kirche zurückgewinnen / © Jacob_09 ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Haben Sie eine Idee, wie die Kirche Vertrauen zurückgewinnen kann?

Prof. Martin Schweer (Zentrum für Vertrauensforschung, Universität Vechta): Ja, eine Idee habe ich natürlich schon. Es ist sicherlich ein schwieriger Weg. Ich denke, zwei Faktoren sind besonders wichtig: Zum einen müssen moralischer Anspruch und Handeln stärker zusammenpassen.

Zum anderen muss es der katholischen Kirche meines Erachtens nach besser gelingen, künftig wirklich die Nähe zur Lebensrealität der gläubigen Menschen zu finden.

DOMRADIO.DE: Was genau meint der Begriff Vertrauen denn eigentlich?

Schweer: Vertrauen meint aus meiner Sicht die Sicherheit, dass wir uns in die Hand von anderen begeben können, also in die Hand von einzelnen Personen, aber auch in die Hand von Systemen. Damit ist natürlich auch immer ein bestimmtes Risiko verbunden. Ich vertraue darauf, dass eine Person so oder so handeln wird oder dass sie dieses oder jenes Gutes für mich tun wird. Das ist im Grunde genommen ein Vorschuss, den ich gebe. Der kann natürlich immer auch enttäuscht werden.

DOMRADIO.DE: Sie erforschen nicht nur das zwischenmenschliche Vertrauen oder auch das Vertrauen in Institutionen, sondern auch das Gottvertrauen. Das läuft ja nun einmal auf einem ganz anderen Papier. Aber gibt es auch Parallelen?

Schweer: Da gibt es, glaube ich, schon Parallelen. Denn natürlich ist auch das Gottvertrauen immer mit einem Risiko verbunden. Es gibt sehr viele Forschungsarbeiten dazu. Aber diejenigen, die es gibt, zeigen dann doch, dass viele Menschen gerade diese Unterstützung, die sie von Gott erwarten - und auch damit verbunden die Annahme, nicht enttäuscht zu werden - nochmal ein Stück weit größer ist als das, was sie den "fehlbaren Menschen" zutrauen.

Trotzdem kennen wir auch hier diese Fälle - ich glaube, das weiß jeder aus seinem unmittelbaren Umfeld - dass es Enttäuschungen geben kann. Ich denke beispielsweise an schwere Krankheiten oder der Blick auf Katastrophen in der Welt, wo Menschen dann sagen "wie kann Gott dieses zulassen". Aber ein ganz wesentliches Merkmal ist, dass man diese unbedingte Unterstützung beim Gottvertrauen wahrnimmt. Wir wissen auch interessanterweise, dass Gottvertrauen für das psychische Wohlbefinden von Menscheneine eine positive Ressource ist.

DOMRADIO.DE: Und wenn so ein Vertrauen einmal missbraucht worden ist, kann man das Ruder herumreißen?

Schweer: Es gibt da dieses Sprichwort "Vertrauen kommt zu Fuß und geht im Galopp". Damit verbunden ist natürlich die Annahme, dass es in der Tat bei Enttäuschungen schwierig ist. Ich würde niemals sagen, es ist unmöglich, aber es ist schwierig, und es ist gerade in diesen Momenten dann ganz, ganz wichtig, dass, wenn Fehler passiert sind, derjenige, der sie verursacht hat, auch hundert Prozent deutlich macht, dass dieses ist ein Fehler gewesen.

Wichtig ist auch, dass er zu 100 Prozent deutlich macht, dass er sich um das Vertrauen wiederum ganz aktiv bemüht und nicht glaubt, es sei quasi ein Automatismus, der sich von alleine dadurch einstellt, dass ich einmal meine Fehler bekannt habe. Um also im Bild der Kirche zu bleiben: Ich bekomme Absolution, und das ist es dann.

DOMRADIO.DE: Bemüht sich die Kirche genug aus Ihrer Sicht?

Schweer: Sie bemüht sich selbstverständlich. Aber ich denke, dass es Optimierungsbedarf gibt. Also mit Blick auf die Vollversammlung der Bischöfe, die jetzt im März ansteht, ist, glaube ich, auch wichtig, dass eine Kirche und deren Vertreter sich nicht zu viel nach außen hin zerstreiten, dass es nicht zu viel Flügelkämpfe gibt, sondern dass auch deutlich ist, dass hier mit einer einheitlichen Sprache gesprochen wird.

Das ist ähnlich wie bei den Parteien: Wir wissen bei politischen Parteien, dass es nie gut ist, wenn die Konflikte innerhalb der einzelnen Systeme zu stark nach außen getragen werden.

Das Interview führte Verena Tröster.

 

Quelle:
DR
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