Erschütterte Bischöfe verpflichten sich zum Handeln

Maßnahmenkatalog gegen Missbrauch

Der Druck auf die Bischöfe bei ihrer traditionellen Herbstvollversammlung in Fulda war groß. Die Öffentlichkeit erwartete eine überzeugende Reaktion auf die Studie zum sexuellen Missbrauch Minderjähriger durch Geistliche.

Autor/in:
Ludwig Ring-Eifel
Kardinal Reinhard Marx mit Journalisten / © Harald Oppitz (KNA)
Kardinal Reinhard Marx mit Journalisten / © Harald Oppitz ( KNA )

Mit einem 7-Punkte-Plan hat die katholische Kirche in Deutschland auf die Ergebnisse der jüngsten Studie zum sexuellen Missbrauch durch Geistliche reagiert. Der am Donnerstag zum Abschluss ihrer Herbstvollversammlung in Fulda vorgestellte Maßnahmenkatalog folgt im Wesentlichen den Empfehlungen der Forscher, die im Auftrag der Bischöfe Art und Umfang des Missbrauchs in der Kirche in Deutschland untersucht hatten.

Unter anderem verpflichten sich die Bischöfe, vermehrt Missbrauchsopfer an der unabhängigen Aufarbeitung des Geschehenen zu beteiligen. Ferner wollen sie die Führung ihrer Personalakten vereinheitlichen, um Vertuschung zu erschweren. Und sie wollen ihr Verfahren zur finanziellen "Anerkennung zugefügten Leids" spürbar verbessern.

Gesprächsprozess zum Zölibat angekündigt

Erstmals haben die Oberhirten sich auch dazu verpflichtet, zu klären, "wer institutionell Verantwortung für das Missbrauchsgeschehen in der Kirche getragen hat." Zum Zölibat und zur katholischen Sexualmoral kündigten die Bischöfe einen "transparenten Gesprächsprozess unter Beteiligung von Fachleuten verschiedener Disziplinen" an.

Die nach den Namen der beteiligten Universitäten Mannheim, Heidelberg und Gießen als "MHG-Studie" bezeichnete Forschungsarbeit dominierte die Versammlung von Anfang an. Die Bischöfe lauschten den Darstellungen der Forscher und debattierten Stunde um Stunde intensiv.

Die ungewöhnlich große Zahl anwesender Vertreter von Medien, die schon Tage und Wochen im Vorfeld über die erschütternden Ergebnisse der Studie berichtet hatten, sorgten für zusätzlichen Druck. Kardinal Reinhard Marx als Vorsitzender sprach von einem "Wendepunkt für die Geschichte der Kirche".

Betroffenheit hat viele Gesichter

Wie nah der Blick in den Abgrund der Verbrechen vielen Bischöfen ging, war nicht nur an ihren betroffenen Gesichtern abzulesen. Als Männer des Wortes wählten sie unterschiedliche Ausdrucksformen. Marx sagte, er schäme sich, auch für sein eigenes Wegschauen.

Kardinal Woelki wählte eine aufsehenerregende Geste und beendete seine kurze Predigt im Fuldaer Dom mit einem fünf Minuten langen Schweigen. Und der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick brachte die Geschehnisse mit einem drastischen Bild auf den Punkt. Er sagte, Jesus Christus schicke seine Kirche nach den Sünden des Missbrauchs "ins Fegefeuer, damit sie sich reinigt und heiligt".

Inhaltlich rückte bei den Debatten der Bischöfe und der Forscher die Frage nach den "systemischen Ursachen" und nach der Rolle der Institution in den Vordergrund. Die Bischöfe wollten besser verstehen, welche strukturellen, dogmatischen und soziologischen Randbedingungen dazu beigetragen haben, dass Missbrauch durch Kleriker so häufig passieren konnte und so oft unentdeckt und unbestraft blieb. Im politischen Raum und in den Medien wandten sich Beobachter und Kommentatoren unterdessen immer mehr der Frage nach einzelnen "politisch Verantwortlichen" in der kirchlichen Hierarchie zu. 

Bei der großen Pressekonferenz am zweiten Tag der Vollversammlung prasselten beide Welten hart aufeinander, als Marx die Journalistenfrage nach bevorstehenden Bischofsrücktritten mit einem knappen "Nein" beantwortete. Später antwortete er in Interviews differenzierter und deutete an, dass die Bistümer ihre internen Verantwortlichkeiten für Aktenführung und Personalentscheidungen klären müssten.

Marx: "Auch Täter heben Rechte"

In den Tagen von Fulda wurde deutlich, dass es ein namentliches Anprangern von Tätern und "politisch Verantwortlichen", wie dies in den USA oder in Australien geschehen ist, in Deutschland vermutlich nicht geben wird. Auch sieht die deutsche Strafprozessordnung staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen Verstorbene oder gegen Täter nach verjährten Straftaten nicht vor. Kardinal Marx betonte: "Wir bewegen uns nicht in einem rechtsfreien Raum. Auch Täter haben Rechte."

Wenn es dennoch gelingen soll, verjährte Verbrechen aufzuarbeiten, muss dies außergerichtlich geschehen. Einige Bischöfe haben deswegen die Schaffung von "Wahrheits-Kommissionen" ins Gespräch gebracht, wie sie in anderen Ländern zum Einsatz kamen, um Verbrechen früherer Epochen möglichst objektiv zu benennen und aufzuarbeiten.


Quelle:
KNA