Marx: Religionen nicht freisprechen bei gewaltsamen Konflikten

"Klarheit" schaffen

Religionen können nach Einschätzung von Kardinal Reinhard Marx mitverantwortlich für gewaltsame Konflikte sein. Man könne Religionen hierbei "nicht generell freisprechen", sagt er in der Zeitung "Luxemburger Wort".

Kardinal Marx / © Berg (dpa)
Kardinal Marx / © Berg ( dpa )

Religionen müssten sich fragen lassen, ob sie "dazu beitragen, Konflikte zu rechtfertigen oder sogar zu schüren, oder ob sie Ausgleich, Frieden und Versöhnung zwischen kulturell unterschiedlich geprägten Nationen und Gruppen fördern", sagte der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz am Wochenende in einem Interview der Zeitung "Luxemburger Wort".

Religionen könnten einen "recht großen Einfluss auf die charakterliche und seelische Bildung gerade von jungen Menschen haben", so der Geistliche. Er fragte: "Nutzen sie diesen Einfluss, um zu deren Radikalisierung beizutragen oder lehren Sie Maß und Mitte? Wird Gewalt in der Theologie grundsätzlich und unzweideutig kritisch beurteilt? Werden diejenigen, die Gewalt religiös legitimieren, von der Gemeinschaft korrigiert?" Hier müsse "Klarheit herrschen", forderte Marx.

"Die Bibel verherrlicht Gewalt keinesfalls"

"In der Bibel findet sich durchgehend eine Kritik der Gewalt", gab sich der Kardinal überzeugt. "Die Bibel verherrlicht Gewalt keinesfalls, sondern zielt auf die Überwindung von Gewalt." Die Kirche habe sich "leider nicht immer in der Geschichte auf diesem Niveau bewegt". Sie habe lernen müssen, "dass Toleranz nicht dasselbe bedeutet wie Relativismus", sagte Marx. "Und sie musste lernen, die Wahrheit des christlichen Glaubens zu bezeugen, ohne sie gewaltsam durchzusetzen", sagte der Erzbischof von München und Freising.

Zum Thema Ökumene sagte Kardinal Marx, die ökumenische Bewegung nehme heute nicht nur in Europa, sondern "auch in anderen Teilen der Welt, auch im Mittleren Osten Tempo auf". Das sei "ein gutes Zeichen, ein Zeichen für das Wirken des Heiligen Geistes".

Christen seien eine existenziell bedrohte Minderheit

Im Mittleren Osten seien Christen allerdings eine vielerorts existenziell bedrohte Minderheit: "Es ist nicht auszuschließen, dass sich am Ende der furchtbaren Entwicklungen und Auseinandersetzungen der weitgehende Exodus der christlichen Minderheiten vollzogen haben könnte durch die gezielte Verfolgung und Ermordung von Christen", sagte Marx. Dies wäre eine "Katastrophe" nicht nur für das Christentum, sondern auch für die mehrheitlich muslimischen Länder, die sich "von den produktiven Möglichkeiten des Zusammenlebens mit den Christen abschneiden würden".

Weltweit wachse das Christentum allerdings, insbesondere in Afrika und Asien. "Um die Zukunft des Christentums sollte man sich deshalb keine kleinmütigen Sorgen machen", sagte Marx. Die biblische Botschaft sei "einfach stark", so der Kardinal. "Welche Religion oder Weltanschauung hätte denn statt des Christentums die innere Weite und den richtigen Kompass, um die Fragen des Menschseins und des Zusammenlebens in einer immer enger zusammenrückenden Welt überzeugend zu beantworten?", fragte er.


Quelle:
KNA