Bischöfe beenden ihre Vollversammlung in Fulda

Umwelt erhalten und Armut überwinden

Der Syrienkrieg, die Flüchtlingskrise, die neuen UN-Nachhaltigkeitsziele, der Betrug bei VW: Zum Abschluss ihrer Herbstvollversammlung hat sich die Deutsche Bischofskonferenz zu einer Reihe gesellschaftlicher Themen positioniert.

Kardinal Marx in Fulda / © Harald Oppitz (KNA)
Kardinal Marx in Fulda / © Harald Oppitz ( KNA )

Die Deutsche Bischofskonferenz befürchtet einen vollständigen Untergang der christlichen Minderheit in Syrien und im Irak als Folge von Krieg und Verfolgung. "Wir sind erschrocken über die Vorstellung, dass der Nahe und Mittlere Osten bald ohne Christen sein könnte", erklärte der Konferenzvorsitzende Kardinal Reinhard Marx am Donnerstag in Fulda.

Er betonte, unter der Herrschaft des "Islamischen Staats" sei jedes christliche Leben unmöglich. Die irakischen Christen würden vor allem in den kurdischen Norden des Landes zurückgedrängt. Viele suchten den Weg ins westliche Ausland. In Syrien finde die christliche Minderheit nur in den von Präsident Assad kontrollierten Gebieten noch eine gewisse Sicherheit.

Die deutschen Bischöfe werden nach den Worten von Marx alles in ihrer Macht stehende tun, um Christen im Mittleren Osten dabei zu helfen, in ihrer Heimat zu bleiben. Dazu zählten humanitäre Hilfe und soziale Projekte, sowie Mittel für den Wiederaufbau der kirchlichen Strukturen. Marx kündigte an, beim bundesweiten Gebetstag am 26. Dezember 2015 für die verfolgten Christen werde die Lage in Syrien im Mittelpunkt stehen.

Trotz Flüchtlingskrise gegen militärisches Eingreifen

Gegen eine militärische Intervention des Westens in Syrien angesichts der Flüchtlingskrise hat sich der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, gewandt. "Krieg ist aus Sicht der Kirche keine Option", sagte er am Donnerstag vor Journalisten in Fulda. Marx erinnerte daran, dass bereits Papst Johannes Paul II. im Jahr 2003 gegen den Irakkrieg unter Führung der USA eingetreten sei.

Wer auf Krieg setze, müsse auch eine langfristige Zielvorstellung für die Zeit nach einem militärischen Sieg haben, sagte der Kardinal und fragte rhetorisch: "Wie viele Soldaten soll man denn da hineinschicken? 200.000? Und wie lange sollen sie bleiben? 10 oder 20 Jahre?" Gleichzeitig rief der Münchner Kardinal dazu auf, Politik und Diplomatie müssten alles in ihrer Macht stehende tun, um die "schwärende Wunde" im Nahen Osten zu heilen und den Krieg zu beenden.

Flüchtlingsverteilung: Auf Zusammenführung der Familien achten

Die jüngste Einigung der Staats- und Regierungschefs der EU zur Flüchtlingskrise haben die Bischöfe als Schritt in die richtige Richtung begrüßt. Es sei ein wichtiges Signal, wenn Europa die syrischen Flüchtlinge in der Region wieder stärker in den Blick nehme, sagte Kardinal Marx. Mit Blick auf die Verteilung von 120.000 Flüchtlingen in der EU sagte der Kardinal, dabei solle aus Sicht der Kirche besonders auf die Zusammenführung von Familien und die Religion der Flüchtlinge Rücksicht genommen werden.

Vor dem am Nachmittag geplanten Flüchtlingsgipfel von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Ministerpräsidenten der Länder forderte der Münchner Erzbischof, die Standards der Asylverfahren sowie des Verfassungsrechts aufrecht zu erhalten. Insbesondere dürfe das Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminium nicht beschnitten werden.

Am Vorabend hatte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union auf eine Strategie zur Flüchtlingskrise geeinigt. Unter anderem wollen die Länder zusätzliche Hilfen in Höhe von einer Milliarde Euro zur Versorgung von syrischen Flüchtlingen in Nachbarstaaten des Bürgerkriegslandes bereitstellen. Zudem beschloss der Gipfel, in Italien und Griechenland Registrierungszentren für Flüchtlinge bis Ende November einzurichten. Bereits am Dienstag hatten die EU-Innenminister die Umverteilung von 120.000 Flüchtlingen in Europa beschlossen.

Debattenpapier zu TTIP

Die Bischöfe wollen sich in den kommenden Wochen aktiver in die Debatte um das Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA einbringen. Kardinal Marx kündigte ein Expertenpapier an, das zentrale Kritikpunkte zur Sprache bringen werde. Ungeachtet einer grundsätzlichen Zustimmung zu dem Freihandelsabkommen und seinen Chancen wollten die Bischöfe in dem Papier auch die Risiken darlegen.

Dazu zählt laut Marx auch die "Sorge um den Erhalt des Schutzniveaus von Umwelt- und Sozialstandards". Der DBK-Vorsitzende betonte, der Expertentext solle ein "sozialethischer Impuls für die notwendige gesellschaftspolitische Debatte" sein.

Die Abgas-Affäre bei Volkswagen zeigt nach Auffassung von Kardinal Marx, dass auch die Wirtschaft auf Werte und Vertrauen angewiesen ist. Gesetze und Kontrollen seien wichtig, aber angesichts von krimineller Energie hätten sie nur eine begrenzte Wirkung, so Marx. Er zeigte sich erschüttert über den "verheerenden" Skandal. "Das hätte ich nicht erwartet." Die gesamte deutsche Wirtschaft könne unter dem Vertrauensverlust leiden.

Marx: "Ethik der internationalen Beziehungen"

Im Vorfeld der großen UN-Konferenzen zu Entwicklungszielen und Klimawandel fordert die Deutsche Bischofskonferenz konkrete und überprüfbare Ziele von der Weltgemeinschaft. Kardinal Marx schloss sich in Fulda den Forderungen von Papst Franziskus nach einem weltweiten Politikwandel an. Weltweite Abhängigkeit und Vernetzung verpflichteten dazu, gemeinsame Verfahren und Standards zum Erhalt der Umwelt und zur Überwindung der Armut zu finden.

Der Papst kritisiere in seiner Enzyklika "Laudato si" eine Dominanz von Eigeninteressen einiger Länder, die verhinderten, dass Lösungen aus globaler Perspektive entwickelt würden, sagte der Kardinal. Gefordert sei eine "Ethik der internationalen Beziehungen". Klimafragen hingen eng mit Gerechtigkeitsfragen und den Lebensbedingungen der Ärmsten der Armen sowie dem Lebensstil in der westlichen Welt zusammen. Die Deutsche Bischofskonferenz und die katholischen Kirche in Deutschland müssten an diesen Fragen intensiv weiter arbeiten.

Marx: Keine Islamisierung Deutschlands absehbar

Prognosen von einer Islamisierung Deutschlands hat Kardinal Marx bei der Abschlusspressekonferenz als abwegig bezeichnet. Bei 83 Millionen Einwohnern werde die gegenwärtige Zahl der Flüchtlinge die religiöse Zusammensetzung der Gesellschaft nicht entscheidend verändern, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz am Donnerstag in Fulda. Entsprechende Ängste und Sorgen müssten aber ernst genommen werden.

Marx betonte, eine Integration von Flüchtlingen, Bildungs- und Berufschancen seien das beste Mittel gegen Radikalisierung. Wer Flüchtlinge ausgrenze, erhöhe das Risiko, dass Flüchtlinge in die Hände von Leuten fielen, die sie fanatisieren wollen. Der Kardinal betonte, die beiden großen christlichen Kirchen wünschten angesichts der neuen Situation einen "strukturierten Dialog" mit den Muslimen und ein intensiveres interreligiöses Gespräch in Deutschland.

Aufruf der DBK zur Hilfe für die Flüchtlinge

In einem Aufruf appellierten die Bischöfe an die Gemeinden und kirchlichen Einrichtungen, angesichts des nahenden Winters verstärkt Wohnraum für Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen. Alle deutschen Bistümer und Hilfswerke seien zu verstärkten Anstrengungen bereit, sagte Marx. Er lobte den "sehr engagierten Einsatz zahlreicher Hauptamtlicher, aber auch das überwältigende ehrenamtliche Engagement". Die Zahl der ehrenamtlichen Helfer der Kirchen schätzte er auf etwa 200.000.

Zugleich fordern die Bischöfe in ihrem Aufruf, eine "Kultur der Integration" zu entwickeln. Der gesellschaftliche Friede könne nur erhalten werden, wenn Bildungs- und Berufsperspektiven für die Flüchtlinge entwickelt und zugleich die sozialen Interessen der einheimischen Bevölkerung berücksichtigt würden. Von den Flüchtlingen erwarten die Bischöfe, Recht und Kultur der deutschen Gesellschaft anzuerkennen.


Quelle:
KNA