Erzbischof Zollitsch zum 23. Jahrestag der deutschen Einheit

"Ich bin froh, dass wir zusammen sind"

In diesem Jahr richtet Baden-Württemberg die zentralen Feiern zur Deutschen Einheit aus. Den ökumenischen Gottesdienst leitet auch Erzbischof Robert Zollitsch. Im Interview spricht er über die Bedeutung dieses Tages.

Erzbischof Robert Zollitsch (dpa)
Erzbischof Robert Zollitsch / ( dpa )

domradio.de: Herr Erzbischof, können wir heute nach 23 Jahren von einem vereinten Deutschland sprechen?

Erzbischof Zollitsch: Natürlich waren die Unterschiede damals sehr groß, aber wir haben alle gespürt, wie groß die Sehnsucht der Menschen nach Einheit war. Das war das Faszinierende, und dass diese Einheit erreicht wurde ohne irgendwelche Waffen. Ich spüre, wie stark wir aufeinander zugegangen sind. Ich war mehrfach in den neuen Bundesländern unterwegs, dieses Jahr schon zweimal in Dresden. Ich habe gespürt, wir gehören zusammen, auch wenn noch Unterschiede da sind. Aber es gibt nur wenige, die das noch einmal in Frage stellen wollten, dass wir endlich ein Volk sind. Und ich glaube, der allergrößte Teil der Deutschen ist froh, dass wir zusammen sind. Dazu gehöre auch ich!

domradio.de: Viele Deutsche sehen den 3. Oktober in erster Linie als freien Tag, ist das zu wenig?

Erzbischof Zollitsch: Ja. Das ist wirklich zu wenig, denn wir haben vergessen, dass wir dankbar sein sollten, für das, was uns geschenkt wurde. Dankbar dafür,  dass diese Wiedervereinigung ohne Blutvergießen und ohne Gewaltanwendung möglich war. Dass wir einander helfen können, das ist für mich etwas Christliches!

Wir werden den ökumenischen Gottesdienst unter das Stichwort Solidarität stellen. Solidarität in Deutschland und in Europa. Wir haben allen Grund dazu, wirklich dankbar zu sein und auch in der Wiedervereinigung ein Stück Gottes zu sehen, für das wir dankbar sind. Wir sollten das nicht einfach nur als freien Tag sehen, sondern auch wirklich als Feiertag. Da sind wir Deutschen vielleicht auch ein wenig zu zurückhaltend. Die Wiedervereinigung gehört zu uns, und ich freue mich, dass wir in Stuttgart auch mit einem gemeinsamen Gottesdienst den Tag der Einheit feiern können. Ich freue mich darüber, dass einige hundertausend Menschen da sein werden. Das ist für mich auch ein Zeichen dafür, dass sich die Menschen freuen.

domradio.de: In Deutschland geht es uns heute gut, werden Sie an diesem Tag auch an die Solidarität der Deutschen mit den Menschen in den ärmeren europäischen Ländern appellieren?

Erzbischof Zollitsch: Das ist der aktuelle Hintergrund in Europa. Wir haben nach dem Weltkrieg erleben können, wie uns etwa die Amerikaner durch den Marshallplan geholfen haben, wieder auf die Beine zu kommen. Ein weiteres Beispiel ist die Hilfe der westlichen Bundesländer für die neuen Bundesländer nach der Wiedervereinigung. Derjenige, der die Mittel hat, sollte sie auch den anderen zu Gute kommen lassen und teilen. Wenn nun Griechenland und Spanien in einer schwierigen Situation sind, dann ist es wichtig, dass wir solidarisch sind! Wir dürfen auch die osteuropäischen Länder nicht einfach herausstoßen. Wir sollten einander helfen, denn dann kann diese Krise zu einer neuen Chance werden. Wir müssen entdecken, dass wir Menschen davon leben, was wir füreinander übrig haben. Wir müssen einander helfen und gemeinsam einen Weg in die Zukunft gehen. Deshalb habe ich bewusst das Thema Solidarität für diesen Tag der Deutschen Einheit gewählt.


Quelle:
DR