Post aus Trier

Bischöfe: Zur Demut und Freiheit berufen

domradio.de-Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen ist in Trier und blickt hinter die Kulissen der Bischofsvollversammlung. Seine Post lesen Sie hier täglich neu. Heute: Bischöfe spitzen die Ohren und Gegendemonstranten lächeln...

Trier: Demonstriert wird auch (DR)
Trier: Demonstriert wird auch / ( DR )

Zu den hellen, gleichmäßigen Glockenklängen des altehrwürdigen Trierer Doms mischen sich die dumpfen Klänge eines Blechfasses, das von einer kleinen Schar Demonstranten monoton-rhythmisch traktiert wird. Sie wollen hier vor dem Eröffnungsgottesdienst der Frühjahrsvollversammlung Druck machen, damit die Kirche in Sachen Missbrauch nichts unter den Teppich kehrt. Einen großen „Aussitzer-Stuhl“ aus einfachem Bauholz haben sie eigens dafür gezimmert, der vor einem Karnevalswagen steht, der ebenfalls das heikle Thema Missbrauch thematisiert. Die Bischöfe, bereits in Chorkleidung, die von ihrem Tagungshotel mit einem extra langen Ziehharmonikabus herangefahren werden, verschwinden direkt im Dom. Aber ihr Sekretär Pater Hans Langendörfer geht mutig und offen auf die überschaubare Zahl der Demonstranten zu. Er begrüßt jeden einzeln mit Handschlag und stellt sich dem eingeforderten Dialog. Sofort verstummen die dröhnenden Blechklänge und dem engagierten Pater gelingt es sogar, ein Lächeln auf alle Gesichter zu zaubern.

So einfach kann er sein, der Dialogprozess, den der Vorsitzende Erzbischof Robert Zollitsch zuvor beim nachmittäglichen Presseeröffnungsstatement nicht vergisst zu erwähnen. Seine Dialogidee ist ihm zu wichtig, als dass er sie hier im großen Presserund der anwesenden Journalisten unerwähnt lassen würde, auch wenn sich inzwischen andere Themen in den Vordergrund geschoben haben. Diese arbeitet Zollitsch gewohnt professionell ab. Ein Dutzend TV-Teams, gut 20 Mikros und fast 100 Pressevertreter sind hier in Trier vor Ort. Es ist nicht nur der überraschende Amtsverzicht des Papstes, der ihr Interesse geweckt hat. Auch die jüngsten Diskussionen um die Pille danach (Zollitsch: "Ich bin Kardinal Meisner dankbar für seine klaren Stellungnahmen. Aber wir müssen hier erst noch beraten, wie unsere Position ist."), die Frage um das Ende der Pfeiffer-Studie (Zollitsch: "Ja, wir werden uns natürlich unvermindert weiter um die komplette Aufklärung des Missbrauches bemühen!"), und die Frage nach der Rolle von Frauen in der Kirche (Zollitsch: "Nein, die Weihe von Frauen in kirchliche Ämter thematisieren wir hier nicht. Wir besprechen hier nur, was machbar ist …") werden kurz angesprochen.

Die Bischöfe haben sich wahrlich viel vorgenommen, auf ihrem dreitägigen Treffen hier in Trier. Aber, auch wenn es nicht offiziell auf der Tagungsordnung steht, der überraschende Schritt des Papstes ist auch hier immer wieder Gesprächsthema. Dieser Schritt war für alle anwesenden Bischöfe zu überraschend, als das man jetzt einfach wieder zur Tagesordnung übergehen könnte. Auch wenn man sich sehr bemüht, überall Ruhe und Gelassenheit auszustrahlen und "Business as usual" zu betreiben: Nach dem mutigen Schritt des Heiligen Vaters ist nichts mehr "usual".

Sich mutig trauen

Gelassenheit – zu der rät auch Kardinal Marx am frühen Morgen im feierlichen Pontifikalamt in der barocken Kirche St. Paulin. Morgens um 7.30 Uhr ist hier die katholische Welt noch in Ordnung, auch wenn die hinteren Bänke der Kirche leider leer bleiben. Dabei hätte es sich gelohnt: Wunderbare Kirchenmusik wie der gregorianische Gesang der Schola der Dekanatskantorenrunde Trier und der Sanctus aus dem neuen Gotteslob, das gerade in Druck gegangen ist und die Bischöfe jetzt schon seit über sechs Jahren beschäftigt. "Trauen Sie sich über die musikalische Brücke ruhig nach oben zu singen", rät der frohgemute Kantor, der sich mit der Gemeinde auf den Gottesdienst und das neue Liedgut einstimmt.

Sich zu trauen und mutig die eigenen Position einzubringen, dazu rät auch der Münchner Kardinal, der heute der Liturgie vorsteht und daher selber predigt. Er freut sich sichtbar, wieder an alter Wirkungsstätte in Trier zu sein und ermahnt Gläubige wie Bischöfe zur Demut und Freiheit, die durch die Gelassenheit erst richtig verbunden würden. Als Beispiele nennt er die ersten Märtyrer und Heiligen der ältesten deutschen Bischofsstadt. Der Heilige Paulinus sei damals ein solches Vorbild im standhaften Glauben gewesen. Mutig habe er sich gegen den damals vorherrschenden "theologischen Mainstream" gestellt. Er habe nach reiflicher Prüfung vor Gott tapfer die Wahrheit gepredigt – auch gegenüber seinen eigenen Bischöfen. Da wird der ein oder andere Bischof am frühen Morgen die Ohren gespitzt haben. Wahrheit und Klarheit werde erreicht, wenn die eigene Glaubenswahrheit im Dialog mit Gott feststeht – nicht nur gegenüber der Gesellschaft – sondern bei Bedarf auch in den eigenen kirchlichen Reihen. Und wenn diese dann auch tapfer verkündet wird.

Schade, dass man im Kongresszentrum bei den Beratungen der Bischöfe nicht Mäuschen spielen darf. Schade auch, dass die reichlich anwesende Presse selbst bei der Lob- und Dankrede ihres ersten Vorsitzenden auf den Papst draußen vor der Tür bleiben muss. Nein – die Rede gibt es nur als Manuskript. Man möge die Sperrfrist bitte beachten…

Öffentlichkeit ist dafür aber heute Mittag wieder ausdrücklich erwünscht. Kardinal Meisner, Vorsitzender der bischöflichen Liturgiekommission und erster Gastgeber beim im Sommer anstehenden Eucharistischen Kongress in Köln, hat eigens den Sekretär des Kongresses anreisen lassen. Monsignore Robert Kleine berichtet zusammen mit der Vorbereitungsgruppe vom derzeitigen Planungsstand. Wie man hört, ist die Anmelde-Resonanz noch nicht ganz so überwältigend, also werden hier die anwesenden Journalisten noch einmal "gefüttert". Einige Kollegen können oder wollen mit dem Thema "Eucharistischer Kongress" wenig anfangen und sind bereits wieder abgereist. Viele Sitze im großen Arbeitssaal der Journalisten bleiben heute also schon wieder leer. Die ganz großen Schlagzeilen sind heute anscheinend nicht zu erwarten. Das verrät auch der Blick in die Tagesordnung. Also versuchen wir es mal mit Gelassenheit, die der Kardinal aus München doch heute Morgen so eindrücklich gepredigt hat. Auch die ebenfalls vom Kardinal Marx eingeforderten Punkte "Demut" und "Freiheit" dürfen heute bestimmt nicht nur die Journalisten einüben. Schräg über ihnen sitzen - streng abgeschirmt von der Außenwelt, die hier in Trier doch eigentlich noch so gut katholisch und freundlich ist - die Bischöfe. Vom wohlklingenden Programm "Demut und Freiheit" dürfen sie sich in der derzeitig bewegten, unruhigen Zeit für die Kirche doch bestimmt eine große Portion genehmigen …