Ende des Forschungsprojektes mit Prof. Pfeiffer

Der Wille zur Aufklärung bleibt

Die Bischöfe sind weiterhin entschlossen, die Missbrauchsfälle aufzuarbeiten. Daran ändert auch das Ende des Projektes mit Christian Pfeiffer nichts, sagt der Trierer Bischof Stephan Ackermann im domradio.de Interview.

 (DR)

domradio.de: Was ist passiert, warum arbeiten sie mit dem Institut von Forschungsdirektor Pfeiffer nicht mehr zusammen? 

Ackermann: Ich bedauere sehr, dass es zur Aufkündigung des Vertrages gekommen ist. Wir haben uns in den letzten zwei Jahren wirklich sehr darum bemüht, von beiden Seiten, dass das Projekt an den Start kommt, mit all den Detailklärungen, die es für ein solches Großprojekt braucht. Das ist in seiner Größe eine einzigartige Sache, und man kann ein solches Projekt nur durchführen, wenn auf beiden Seiten ein Vertrauensverhältnis besteht. Das ist auch in dem einleitenden Passus des Vertrages festgehalten. Wir mussten leider jetzt feststellen, dass trotz aller Bemühungen das Vertrauensverhältnis zu dem Leiter des Projekts, Professor Christian Pfeiffer, zerrüttet ist - derart, dass es auch nicht wiederhergestellt werden kann und wir uns deshalb zu diesem Schritt genötigt sahen.

domradio.de: Aber warum ist das Vertrauensverhältnis so zerrüttet?

Ackermann: Man muss, glaube ich, sehen, dass es viele sachliche diffizile Fragen zu klären gab. Es geht hier um Personalakten von aktiven, lebenden Priestern, und von verstorbenen Priestern, in den neun ausgewählten Bistümern - es geht insgesamt um eine sehr sensible Materie. Da geht es um Fragen von Datenschutz und Persönlichkeitsrechte. Das ist zu gewährleisten. Wir können ja nicht versuchen, Unrecht aufzuklären, und auf der anderen Seite das Recht zu beugen.

Das heißt, es gab viele diffizile Fragen zu klären, dafür brauchten wir ein gutes Miteinander. Ich kann irgendwie auch verstehen, dass Professor Pfeiffer ungeduldig wurde, weil es so viele Detailklärungen gab, dass er deshalb auch bei Dingen vorgeprescht ist - das hat aber auf die Dauer dazu geführt, dass das Vertrauensverhältnis sich aufgelöst hat. Aber bei diesem Projekt haben alle Partner im Vorhinein nicht abschätzen können, wie viele sachlich diffizile Fragen hier zu beachten sind, um auf der einen Seite natürlich die Wissenschaftsfreiheit zu gewährleisten, auf der anderen Seite aber die Persönlichkeitsrechte von Menschen zu schützen, so wie es das Gesetz auch vorsieht.

domradio.de: Aber je diffiziler, also schwieriger, diese Akten sind, desto schwieriger sind ja auch die Fälle, die dahinter stecken. Professor Pfeiffer wirft der Kirche nun vor, das Projekt sei "an den Zensur- und Kontrollwünschen der Kirche gescheitert". Wie stehen Sie zu diesem Vorwurf?

Ackermann: Diesen Vorwurf muss ich eindeutig zurückweisen. Das stimmt so nicht. Es gab zwei besondere Knackpunkte. Das war einmal die Frage der Anonymisierung: Es ging darum, Material zu erheben, aber in anonymisierter Form, so dass man nicht auf Personen, Situationen oder Bistümer zurückschließen kann. Um diesen Punkt haben wir lange gerungen, darum, wie das funktioniert und wie das sichergestellt wird. Da gab es von seiner Seite auch Vorstellungen, die wir nicht akzeptieren konnten.

Dann gab es außerdem die Frage der Veröffentlichung. Wir haben einen Projektbeirat, und bei einem Abschlussbericht kriegt der Beirat diesen vorgelegt, berät, und bringt möglicherweise kirchenspezifische Gesichtspunkte ein. Die Frage war: Wenn es abweichende Stellungnahmen gibt, wie werden diese auf Augenhöhe dargestellt? Also dass es nicht so geschieht, dass Professor Pfeiffer öffentlichkeitswirksam seine Ergebnisse präsentiert und wir als Bischöfe dann im Nachhinein versuchen müssen, unsere Sicht einzubringen - sofern es überhaupt Differenzen gibt. Dass diese Dinge  auch zwischendurch strittig waren, ist vollkommen klar. Aber zu sagen, das Projekt ist an den Macht- und Kontrollwünschen der Bischöfe gescheitert, das weise ich eindeutig zurück. 

domradio.de: Ist denn diese bisher umfassendste Untersuchung des Missbrauchs in der katholischen Kirche damit jetzt gescheitert? 

Ackermann: Nein, wir haben eindeutig gesagt, wir wollen das Projekt weiter durchführen. Wir wollen einen neuen Projektpartner suchen. Es bleibt nach wie vor der Wille der Bischöfe um Aufklärung.

domradio.de: Das Projekt ist unter anderem an offenen Fragen des Datenschutzes gescheitert, etwa wie man Daten von Opfern und Tätern anonymisiere. Was erhoffen Sie sich von einem neuen Vertragspartner?

Ackermann: Ich erhoffe mir, dass wir diese Fragen in einer guten, partnerschaftlichen Weise lösen können. Vor kurzem haben wir ja auch ein anderes Projekt vorgestellt, Professor Leygraf, ein forensischer Psychiater hat zusammen mit einer Forschungsgruppe forensische Gutachten ausgewertet und die Ergebnisse der Öffentlichkeit präsentiert.

Da sind auch schmerzliche Erkenntnisse für uns enthalten - ich meine, das zeigt deutlich, dass wir Dinge, die schwierig und schmerzlich sind, nicht vorenthalten wollen. Das zeigt stattdessen, es ist der Wille da. Wir werden auch in Kürze die Ergebnisse der Hotline offenlegen, das, was uns Opfer zurückgemeldet haben, was sie damals erwartet hätten, was ihnen gefehlt hat. Ich glaube, das zeigt deutlich: Unser Wille besteht nach wie vor. Leider ist das Projekt mit diesem Projektpartner gescheitert, aber an der Aufarbeitung auch in dieser Weise führt kein Weg vorbei. 

domradio.de: Sie waren immer ein Verfechter für die Aufarbeitung und haben das in den Gesprächen der vergangenen Jahre auch immer wieder betont. Geht der Kirche denn jetzt der Mut verloren, nachdem der Skandal nicht mehr so laut ist, wie noch zu Beginn vor drei Jahren?

Ackermann: Diesem Eindruck möchte ich klar entgegentreten. Wir haben in den letzten zwei Jahren etwa mit Hochdruck an der Ausgestaltung des Vertrages und der Gestaltung des Projektes gearbeitet, auch ohne große Öffentlichkeit. Das andere Projekt ist, wie gesagt, abgeschlossen, die Hotline wird in ihrem Abschlussbericht vorgelegt. Auch wenn es in der Öffentlichkeit ruhiger geworden ist, ist trotzdem intensiv weitergearbeitet worden. Es besteht auch kein Zweifel, dass wir an diesem Thema dranbleiben - auch im Sinne der Prävention.

Das Gespräch führte Monika Weiß.


Quelle:
DR