Militärbischof Overbeck über seine Afghanistan-Reise

Zehn Jahre Mission am Hindukusch

Vor zehn Jahren begann der Krieg gegen die Taliban in Afghanistan, die jüngste Phase des Afghanistan-Konflikts. Die deutschen Soldaten sind bis heute am Hindukusch in einer gefährlichen und extrem belastenden Mission, beschreibt der katholische Militärbischof Overbeck. Er hat Afghanistan besucht und erzählt von seinen Eindrücken.

 (DR)

kna: Bischof Overbeck, Sie waren zum ersten Mal in Afghanistan. Mit welchen Eindrücken kommen Sie von dort zurück?

Militärbischof Franz-Josef Overbeck: Die Eindrücke sind sehr vielfältig. Die Soldaten der Deutschen Bundeswehr befinden sich in einer extremen Situation, weil in Teilen von Afghanistan Krieg herrscht. In ihrem persönlichen Leben sind alle Soldaten auf engstem Raum beieinander, unter extremen klimatischen Bedingungen. Sie stehen vor großen psychischen Herausforderungen, was die Möglichkeit angeht, in Einsätzen wirklich zu kämpfen und auch Waffen zu gebrauchen. Mein Eindruck ist, dass die Solidarität den Soldaten untereinander sehr hilft, diese schwierige Situation zu bestehen. Sie stärken und bestärken einander sehr.

In der Auseinandersetzung mit dem Gespräch mit den Generälen ist mir sehr deutlich geworden, dass sie nicht nur einer parlamentarisch geführten Bundeswehr angehören, sondern auch sehr klar vor Augen haben, unter welchen ethischen und verantwortbaren Kriterien sie diesen Einsatz verantworten.



kna: Sie haben dort mit vielen Soldaten gesprochen, was sind denn dort die Hauptanliegen und die Sorgen, die sie da gehört haben?

Bischof Overbeck: Das eine sind private und persönliche Sorgen. Viele leben mindestens vier Monate getrennt von ihren Familien, von ihren Eltern, Verwandten, Freunden, Ehepartnern, Lebenspartnern. Das ist eine schwierige soziale und menschliche Situation und beschäftigt sie verständlicherweise sehr. Es gibt natürlich die Möglichkeiten des Kontaktes über Fernsehen, Telefon, Handy, aber das ersetzt natürlich nicht die Präsenz.

Alle wissen, wenn wir nach Hause kommen, sind wir anders als vorher.

Ein zweiter großer Bereich ist der Bereich den man militärisch zuordnen muss. Alle wissen, dass sie sich in extremen Situationen möglicherweise in einem Kampf den Gegnern stellen müssen. Die Ultima Ratio ist möglicherweise auch das Töten. Das geht überall mit und das ist sehr belastend.



kna: Wie wichtig ist in dieser Situation die Arbeit der Militärseelsorger vor Ort?

Bischof Overbeck: Die Seelsorge hat einmal den einfachen Auftrag den Leuten mit ihren Fragen und Problemen nahe zu sein. Es gibt eine hohe Akzeptanz und Wertschätzung der Seelsorge durch die Soldaten von bis zu 90 Prozent. Das heißt es geht weit über den Rahmen der katholischen Soldaten hinaus. Es gibt einige, die wirklich Gott suchen, die das Gebet suchen, die den geistlichen Austausch suchen. Dafür sind dann die Seelsorger da. Und wie auch die einfache Seelsorge vor Ort in Deutschland ist es Auftrag, einfach bei den Menschen sein.



kna: Welche Rolle spielt es da, dass es immer mehr konfessionslose Soldaten gibt?

Bischof Overbeck: Keine sehr große. Diese Frage beschäftigt nicht die Soldaten im Einsatz, sondern sie beschäftigt mehr die Fragen: Finde ich einen Menschen, der mir zuhört, finde ich einen, der mir hilft, finde ich einen, der mir von seiner Warte aus Richtungen und Wegweisungen geben kann.



kna:  Wie können denn die Seelsorger ganz konkret helfen in diesen Extremsituationen, die sie angesprochen haben?

Bischof Overbeck: Die katholischen Militärseelsorger sind mir als Militärbischof zugeordnet und von daher gesehen außerhalb der Hierarchie des Militärs. Aber sie müssen sich natürlich in die Situation einbringen, sonst können sie  dort nicht mit den Soldaten leben. Wenn die Probleme der Soldaten groß sind, können die Militärseelsorger sehr deutlich daraufhin wirken, das Abhilfe geschaffen wird, bis dato hin, dass sie nach Hause zurückkehren können. Es gibt ganz viel Hilfe einfach durch die Zeit, die sie mit den Soldaten haben.  Trotz Nichtgebundenheit an die Religion, gibt es die Gewissheit: Da ist einer, der betet.



kna: Wie wichtig ist denn die Arbeit der Militärseelsorger für die Angehörigen zu Hause auf der einen Seite, aber auch für die Soldaten nachdem sie zurückgekehrt sind?

Bischof Overbeck: Das sind zwei große Arbeitsfelder, in denen wir viele Fortschritte gemacht haben, auch zusammen mit den Verantwortlichen im Bundesverteidigungsministerium bei der Bundeswehr. Zum einen gibt es Programme der Begleitung der Angehörigen der Soldaten, die in den Einsatz gehen. Das heißt auch schon in der Zeit bevor sie überhaupt losfahren. Dann gibt es Angebote während der Zeit, in der sie im Einsatz sind und auch im Nachhinein. Allerdings ist das alles noch ausbaufähig, wie ich gehört habe und feststelle.

Die Soldaten schätzen es einfach sehr, dass die Kirche sich auch für sie einsetzt, wenn sie zurückgekehrt sind. Es gibt nicht wenige, die traumatisiert sind, dafür gibt es extra Programme, die in sehr kompetenter Weise mit dem Bundesverteidigungsministerium und psychologischen Diensten gemeinsam ausgeführt werden.



kna: Jetzt hat der Papst ja in Freiburg vom Verzicht auf Privilegien gesprochen. Gehört die Militärseelsorge auch zu solchen Privilegien und wäre es ein Schritt der "Entweltlichung", wenn die Kirche sich hier eventuell zurückziehen würde?

Bischof Overbeck: Das ist kein Privileg, das ist eine Selbstverständlichkeit des Zueinanders von Staat und Kirche aufgrund der Religionsfreiheit.



kna: Das ist also kein Punkt, wo man sagt, da sind Staat und Kirche zu eng verbandelt. Das müsste man vielleicht ein bisschen lockern?

Bischof Overbeck: Ich habe den Soldaten sehr deutlich gesagt, wir sind alle mitten in dieser Welt, aber niemand von dieser Welt.



Das Interview führte Gottfried Bohl, kna


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