Mittwoch: Post aus Paderborn vom domradio.de-Chefredakteur

Don Camillo in Ostwestfalen

Bruder Antonius kommt auch heute Morgen mit seinem Fahrrad angestrampelt. Seine wehende braune Franziskanerkutte vor den Kirchentüren von St. Georg, seine rustikale Figur und sein verschmitztes Lächeln, all das erinnert ein wenig an Don Camillo. Doch wir sind hier nicht in den Weiten der Po-Ebene Norditaliens sondern tief im ostwestfälischen Paderborn.

Autor/in:
Ingo Brüggenjürgen
Bruder Antonius OFM (DR)
Bruder Antonius OFM / ( DR )

Hier in den Weiten des Paderborner Landes treffen sich "meine Brüder Bischöfe", wie Franziskanerpater Antonius sie liebevoll nennt. Die kommen natürlich nicht mit dem Fahrrad zur Frühmesse, sondern per pedes oder mit ihren bereitgestellten Sonderbussen.  

Gestern Nachmittag, am zweiten Arbeitstag der DBK, ging es hinter verschlossenen Arbeitstüren schwer zu Sache und hoch her. Das Thema Dialog stand zur Beratung an. Schnell merkten Bischöfe dabei, das man bei so schwierigen Fragen, immerhin geht es um die Zukunft der Kirche und den Weg aus der schweren Vertrauenskrise, nicht wie einen gewöhnlichen Tagungsordnungspunkt einfach so nach Plan abhandeln kann. Es gab viele Wortmeldungen und die Bischöfe gönnten sich die Zeit für ihren ganz eigenen internen Dialog. Bis in den späten Abend wurde besprochen, wie man sich auf den bei der letzten Vollversammlung groß angekündigten Dialogprozess einstellen soll - wie man ihn führen soll - welche äußere Form das ganze haben soll. Das Spektrum der bischöflichen Meinungen ist so breit wie das des katholischen Gottesvolks insgesamt. Die Kirchenmänner, die das Kirchenschiff durch die stürmischen Zeiten steuern müssen, spüren, dass es schon wieder darum geht, das Vertrauen nicht leichtfertig zu verspielen. "Nein, jetzt geht es nicht, wir haben gerade ganz kniffelige Fragen!", bittet uns der Paderborner Oberhirte Hans Josef Becker um Verständnis, dass er jetzt wirklich keine Zeit für das zugesagte Interview hat. "Morgen ist Studientag, da geht das besser!"



Auf diesen Studientag Ökumene orientiert sich auch der Gottesdienst heute Morgen, den Kardinal Lehmann mit seinen Mitbrüdern jetzt in St. Georg feiert. Dicht gedrängt stehen die Gläubigen auch heute wieder, als die Bischöfe ins Gotteshaus einziehen. Diesmal, aus Rücksichtnahme gegenüber dem Mainzer Kardinal, der nicht mehr so gut zu Fuß ist, haben sie den "kleinen Einzug" gewählt. Bei der Predigt von Kardinal Lehmann wird schnell deutlich, dass er sich seine geistige Frische bewahrt hat. Er mag sich nicht mehr so flink wie früher bewegen können und sein Gang mag unsicher wirken, aber wenn er predigt, erkennt man schnell den "alt vertrauten Lehmann". Gewohnt eloquent, theologisch sicher und rhetorisch geschickt spricht der Kardinal von den Erfolgen, die man in der Ökumene erzielt habe. "Wir vergessen das viel zu leicht, was wir in den vergangenen Jahren alles erreicht haben!", erinnert Lehmann die Mitbrüder und Gemeindemitglieder. Er bewerte diese Erfolge auf dem Weg zur Einheit nach dem 2. Vatikanischen Konzil als "Wunder" und erreicht mit dieser Botschaft seine Zuhörer. Am Ende erklingt Beifall, der aber schnell abstirbt, weil viele Bischöfe, pflichtbewusst und liturgisch korrekt, wie sie nun einmal sind, nicht einstimmen. Auch wenn ihr alter Vorsitzender bestimmt vielen aus dem Herzen gesprochen haben mag.

In den Fürbitten beten alle darum, dass die Verantwortlichen in Japan angesichts der atomaren Bedrohung "die richtigen Schritte tun!" Not und Elend der Welt blenden die katholischen Oberhirten nicht aus - auch vor dem Schlusssegen geht Kardinal Lehman, wie schon in seiner Begrüßung, auf diese aktuelle Tagesthematik der Katastrophe ein, die auch in Paderborn vieles überlagert.



Nach der Messe ist auf dem Kirchplatz mit den vielfach gebrochenen Waschbetonplatten jetzt erst mal das blühende Leben angesagt. Quietschlebendiges Geplapper der vielen Schülerinnen, die heute vor ihrem Unterricht mit den Bischöfen die Messe gefeiert haben. Wer eben noch dem schönen hohen Gesang der Mädchenkantorei gelauscht hat, die mit ihren leisen schönen Stimmen in das Gotteslob der Bischöfe einstimmten, mag gar nicht glauben, wie laut die sich vor der Kirche zu artikulieren wissen. Die meisten sind schon wieder bei Klassenarbeiten oder anderen Schulthemen, die für sie im Mittelpunkt stehen.

Franziskanerbruder Antonius plaudert noch mit einem "Bruder Bischof" bevor er sich mit seiner Kutte wieder auf seinen Drahtesel schwingt. Don Camillo mag in seiner Poebene sich mit den Kommunisten herumgeschlagen haben  - die Probleme, mit denen sich Don Antonius und seine "Brüder Bischöfe" heute abstrampeln müssen, sind bestimmt nicht einfacher in den Griff zu bekommen. Aber wer wird schon verzagen, wenn er gerade um himmlischen Beistand gebetet hat und darauf vertraut …