Bischof Heiner Koch zum 100. Katholikentag in Leipzig

"Gott ist auch im Osten"

Der 100. Katholikentag kommt 2016 nach Leipzig. Der Bischof des Bistums Dresden-Meißen, Heiner Koch, über die damit verbundenen Herausforderungen und den Dialog mit Konfessionslosen.

Bischof Koch (ZdK)
Bischof Koch / ( ZdK )

KNA: Herr Bischof, welche Erwartungen haben Sie an den Katholikentag in Leipzig?

Koch: Ich hoffe, dass wir den besonderen Anlass aufgreifen können: Es ist der 100. Katholikentag, der sicher die katholischen Christen Deutschlands in einer ganz besonderen Weise zusammenführen wird. Er gibt auch die Möglichkeit, zurückzublicken und zu fragen: Wie ist die geschichtliche Entwicklung der Kirche in Deutschland, und was ist unser Weg in die Zukunft?

KNA: Der Katholikentag findet in Sachsen statt, einem von der Reformation stark geprägten Land, und genau ein Jahr vor dem 500-Jahr-Gedenken des Reformationsbeginns.

Koch: Darum habe ich die Einladung sehr bewusst in enger Abstimmung mit der evangelischen Landeskirche ausgesprochen. Es hat mich sehr gefreut, dass die evangelische Kirche sagt: Es ist wichtig, diesen katholischen Punkt zu setzen, auch für uns, als Erinnerung daran, dass es vor 1517 eine gemeinsame Kirchengeschichte gab und diese sich heute weiterentwickeln kann.

KNA: Der Katholikentag kommt in ein Land, in dem 80 Prozent konfessionslos sind. Ist das nicht riskant?

Koch: Ja, es ist ein großes Risiko. Wir müssen hier vieles neu denken, aber dies ist eine große Chance für den Katholikentag. Wir müssen ganz neue Wege gerade zu den konfessionslosen Menschen gehen, um mit ihnen in einen Austausch zu treten. Wir wissen noch nicht, wie dieser Katholikentag aussehen wird. Bisheriges lässt sich in Leipzig nicht kopieren. Aber ich habe schon sehr viel Zuspruch auch aus der profanen Gesellschaft für dieses Projekt bekommen. Das ermutigt.

Ich hoffe, dass es ein Katholikentag wird, der den Dialog mit den konfessionslosen Menschen sucht und verwirklicht und so vielleicht einen doppelten Lernprozess ermöglicht: dass wir von diesen Menschen und ihren Lebenshoffnungen lernen und dass sie spüren, welcher Reichtum der christliche Glaube auch für ihr Leben sein kann.

KNA: Wie kann das Gespräch mit Konfessionslosen gelingen, wo sind Berührungspunkte?

Koch: Die ersten Fragen sind für mich nicht: Warum seid Ihr nicht in der Kirche, wie ist Euer Verhältnis zu uns, wie unseres zu Euch? Es geht vielmehr um Fragen, die uns alle betreffen und bei denen es eine besondere christliche Sichtweise gibt: etwa beim Thema Sterbehilfe, Sterbebegleitung, Wert des Lebens, alternde Gesellschaft. Darüber können wir gut in eine erste Verbindung und in ein fruchtbares Gespräch kommen.

KNA: Sind die religiösen Fragen der Menschen im Osten andere als im Westen?

Koch: Religiöse Fragen sind Fragen des Lebens und umgekehrt. Aber die Menschen hier haben die religiösen Themen oft nicht so formuliert wie die Menschen im Westen. Vor allem aber kennen sie die christliche Antwort oft nicht. Als Christen müssen wir hier mehr Fragen stellen, als Antworten zu geben: Ist diese begrenzte Welt wirklich alles? Woran glaubst du? Ist es sicher, dass der Tod das Ende und das Leben nur Zufall ist? Solche Fragen verunsichern die Konfessionslosen hier zum Teil sehr, weil sie nie gestellt wurden. Umso mehr interessiert sie die christliche Sichtweise.

KNA: Ärgert es Sie, wenn Sie die Formulierung "der gottlose Osten" hören?

Koch: Ja. Denn Gott ist auch im Osten, wirkt hier und ist lebendig präsent. Ich erlebe sehr viele Menschen, die gottverbunden leben, ohne dass sie es wissen. Oft haben sie in ihrem Herzen eine Ahnung, dass da ein Gott ist. Ich sehe, wie viele Konfessionslose in unsere Gottesdienste gehen. Wenn ich denen sagen würde: «Ihr seid doch eigentlich gottlos», würden sie dies als Beleidigung empfinden.

Das Interview führte Karin Wollschläger.