Vater Unser auf Ruhrdeutsch erschienen

"Näher an der eigenen Person"

Das wohl bekannteste und vielleicht auch wichtigste Gebet der Christen ist das "Vater Unser". Aber kann man auch so beten, wie einem der Schnabel gewachsen ist? Ein Pfarrer hat das Gebet jetzt auf Ruhrdeutsch übersetzt.

Vaterunser / © Viola Kick (DR)
Vaterunser / © Viola Kick ( DR )

DOMRADIO.DE: Können Sie mal ein Beispiel nennen: Wie heißen dann die Zeilen aus dem Vater Unser in Ihrer Ruhrpott-Übersetzung?

Walther Henßen (Pfarrer und Autor): Normalerweise sagen wir: "Unser täglich Brot gib uns heute", das heißt auf Ruhrgebietsdeutsch: "Gib uns geden Tach, wat wir fürt Leben brauchen, auch wenn et nur die tächliche Knifte is." Wobei Knifte hier im Ruhrgebiet natürlich, jeder weiß das, ein Butterbrot ist.

DOMRADIO.DE: Dürfen Sie denn so ein offizielles Gebet der Kirchen einfach so umschreiben? Gibt es da nicht irgendwelche rechtlichen oder kirchentraditionellen Einschränkungen?

Henßen: Davon wüsste ich nichts. Ich habe ja auch die Zehn Gebote auf Ruhrdeutsch gemacht, und da hat es nirgendwo irgendwelche Einwände gegeben. Es geht darum, dass jeder, der ernsthaft betet, das ja möglicherweise in seiner Sprache macht. Und das wird dem lieben Gott genauso gefallen, wie wenn es Hochdeutsch ist.

DOMRADIO.DE: Da steht also die Wortwahl nicht mehr so an erster Stelle. Was sagen Sie denn denen, die das jetzt nicht so gut finden?

Henßen: Es kommt nicht auf jedes Wort an, sondern auf die Art und Weise, wie man das ausdrückt. Und wenn man das ernsthaft meint, dann kann man das auf auch Platt sagen.

DOMRADIO.DE: Wie kam Ihnen die Idee, das Vater Unser zu übersetzen?

Henßen: Ich selber bin eigentlich gar nicht auf die Idee gekommen, sondern die Leiterin der Altstadtbuchandlung in Essen hat mich zu einem Jubiläum gefragt, ob ich für sie das Vater Unser auf Ruhrdeutsch machen will. Da habe ich gesagt, das Vater Unser ist ja nur eine Seite lang, wie soll daraus ein kleines Büchlein werden? Bei den Zehn Geboten auf Ruhrdeutsch haben wir das so gemacht, dass Martin Luther jedes einzelne Gebot erklärt hat. Also habe ich gedacht, dass wir dasselbe mit den einzelnen Thesen vom Vater Unser machen können.

Dann ist mir noch eine Geschichte von Clyde Lee Herring eingefallen. Das ist ein Amerikaner, der vor 80 Jahren einmal auf die Idee kam, einen Dialog zwischen Gott und dem Beter zu machen. Das habe ich dann auch gemacht, sodass Gott natürlich Hochdeutsch spricht, aber der Beter Ruhrdeutsch.

DOMRADIO.DE: Das Vaterunser ist mit Erklärungen versehen. Wie sieht das aus?

Henßen: Zum Beispiel an der Stelle "Gib uns jeden Tach, wat wir fürt Leben brauchen" wird erklärt: "Was dat heißt: Mit dieser Bitte geht et um mehr als um dat Brot vom Bäcker. Kurz gesacht, et geht um alles, was Leib und Seel beisammenhält, auch Gesundheit, Friede, Freunde und den Spaß am Leben nicht zu vergessen."

DOMRADIO.DE: Für wen ist Ihr Büchlein gedacht?

Henßen: Ja, für alle, die daran Interesse haben. Hauptsächlich die Leute hier im Ruhrgebiet. Aber so wie es mit meinen saarländischen Werken ist, geht das im ganzen Bundesgebiet herum.

DOMRADIO.DE: Weshalb kommt der Dialekt oder die Mundart bei Gläubigen denn so gut an?

Henßen: Das kommt vor allem bei den Gläubigen an, die diese Mundart sprechen oder verstehen. Denn die sagen: Ja, das ist doch näher an uns, an der eigenen Person, und entspricht unserem Denken.

Das Interview führte Katharina Geiger.


Quelle:
DR