Sr. Katharina Hartleib zur Vaterunser-Debatte

"Endlich sagt das mal einer!"

Viele wissen gar nicht, was sie beim Vaterunser genau beten. Eine Änderung des Gebets regt die Leute zum Nachdenken an, erklärt Schwester Katharina im Interview.

Sr. Katharina Hartleib beim Beten  / © Martin Biallas (DR)
Sr. Katharina Hartleib beim Beten / © Martin Biallas ( DR )

DOMRADIO.DE: Wissen Sie noch, wann sie das Vaterunser auswendig konnten?

Schwester Katharina Hartleib (Ordensschwester vom Franziskanerkonvent in Olpe und Fußballexpertin): Ich denke, dass das in der Kindergartenzeit war. Ich war im katholischen Kindergarten, da waren auch Schwestern. Ich denke, dass wir das da gelernt haben. Ich habe immer abends mit der Tante, die da gewohnt hat, den Rosenkranz gebetet und ich denke, dass ich das da auch schon auswendig konnte. 

DOMRADIO.DE: Gibt es eine Zeile im Vaterunser, die für Sie ganz wichtig ist?

Schwester Katharina: Das kann ich nicht sagen. Wenn ich das Vaterunser durchgehe gibt es wahrscheinlich immer mal Stellen, an denen ich an andere denke. Wenn ich zum Beispiel "unser tägliches Brot gib uns heute" bete, fallen mir unsere vielen Schwestern mit den Kindern in Brasilien ein. Sie müssen jeden Tag schauen, dass sie genug Essen für die Kinder bekommen. Aber eine besondere Stelle für mich, kann ich nicht so sagen. Ich glaube, das ist alles wichtig.

DOMRADIO.DE: Können Sie die Äußerung von Papst Franziskus nachvollziehen, dass die Übersetzung "führe uns nicht in Versuchung" wirklich nicht gut gewählt sei?

Schwester Katharina: Als ich diese Aussage von Papst Franziskus im Internet gelesen habe, habe ich gedacht: Endlich sagt das mal einer! Weil schon als Kind und Jugendliche habe ich gedacht: Das kann doch nicht sein! Dieser Gott, den ich verkündet bekomme und den ich als liebenden und guten Vater erlebe, der kann mich doch nicht mit Absicht irgendwo in eine Versuchung führen, in der ich dann gucken muss, wie ich da wieder raus komme. Da habe ich immer gedacht: Irgendwie stimmt das nicht. Aber natürlich hätte ich das nie angezweifelt. Als jetzt der Papst sagte, dass das nicht so gut übersetzt ist, da habe ich gedacht: Ja endlich einer, der das sagt, was ich immer schon empfunden habe.

DOMRAIDO.DE: Es gibt einige die sagen, dass sie das Vaterunser auch anders beten. Darf man das eigentlich? 

Schwester Katharina: Ich finde schon, dass man das darf. Ich habe immer das normale gebetet, aber immer für mich gedacht: "führe mich in der Versuchung.“ Also in der Versuchung, in der ich mich befinde, wo es gerade um irgendwelche bekloppten Sachen geht, dann kommt mir der Gedanke: Gott, führe mich da durch, damit ich da gut durchkomme und in deinem Sinn. 

DOMRADIO.DE: In dem heutigen DOMRADIO.DE-Adventskalendertürchen erzählen sie von ihrer Arbeit mit Azubis. Gerade in der kirchlichen Jugendarbeit wird immer mal wieder das Vaterunser in moderne Jugendsprache übersetzt. Die Jugendlichen dürfen sich ausdenken, wie sie es denn sagen würden. Ist das eine gute Idee?

Schwester Katharina: Ich erlebe es eher anders. Ich erlebe bei vielen Jugendlichen und jungen Erwachsenen, dass das Vaterunser das einzige ist, was sie noch auswendig können. Wenn wir das zusammen beten, dann "funktioniert" das. Sie tun sich eher schwer, das Gebet umzuformulieren, weil sie sich noch nie damit beschäftigt haben. Ich erlebe eher, dass die das klassisch beten und sich gar keine Gedanken machen. Und von daher ist die Diskussion gerade ein Anstoß, jetzt zu sagen: "Macht euch doch mal Gedanken!". Das gefällt mir besonders gut. 

DOMRADIO.DE: Es gibt ja den Vorwurf, dass das Vaterunser in der Kirche so runtergerattert wird, ohne zu wissen, was man da eigentlich sagt. 

Schwester Katharina: Genau so ist das. Und dann ist das natürlich die Chance zu sagen: Wie geht es dir mit diesem Vers? Ist das nicht eigentlich.... Und da könnte  ich mir vorstellen, dass viele ganz verblüfft sind, die sich bisher gar keine Gedanken gemacht haben. Deshalb finde ich die Debatte super.

Das Gespräch führte Silvia Ochlast.


Quelle:
DR
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