Ausstellung über das biblische Werk Chagalls

Brückenbauer zwischen den Weltreligionen

Im westfälischen Münster ist das Interesse an der Sonderausstellung "Marc Chagall und die Bibel" groß. Kurz nach der Eröffnung haben bereits mehr als 1.500 Menschen die Ausstellung des Kunstmuseums Picasso besucht. Für domradio.de war Hilde Regeniter vor Ort.

Autor/in:
Heiko Ostendorf
 (DR)

Seine Augen schauen wie berauscht in eine unbekannte Ferne. Dabei zupft er mit zarten Fingern die Saiten seiner Harfe. Auf Marc Chagalls Gemälde "König David" wirkt der biblische Herrscher feierlich entrückt von allem Irdischen. Um ihn herum schweben Gegenstände, tanzen und musizieren Menschen, als hätte der Künstler einen Traum mit all seinen Facetten auf Leinwand festgehalten.



"Chagall hat wie kein anderer Künstler die Empfindlichkeit des Menschen im 20. Jahrhundert beschrieben", sagt der Leiter des Kunstmuseums Pablo Picasso in Münster, Markus Müller.



Brückenbauer zwischen den Weltreligionen

Dort ist bis zum 13. Januar die Ausstellung "Marc Chagall und die Bibel" zu sehen. Sie ist laut Müller mit rund 160 Gemälden, Zeichnungen, Grafiken, Keramiken und Glasmalereien die größte Zusammenstellung von Chagallwerken zu diesem Thema in Deutschland und zeige die ungebrochene Aktualität des jüdischen Künstlers.



Der 1887 in Weißrundland geborene Chagall sei ein Brückenbauer zwischen den Weltreligionen, unterstreicht Müller. "Er hat sich nicht in die Nische einer religiösen Orthodoxie drängen lassen." Auch nach dem Zweiten Weltkrieg habe er den Dialog mit der Kirche gesucht.



Vor dem Hintergrund, dass Religionen in aller Welt wieder radikaler werden, sei das Werk Chagalls wichtiger denn je. Denn als Jude hat Chagall in seinen Werken nicht nur das Alte sondern aus das Neue Testament aufgegriffen. Er hat mehr Werke als jeder andere Künstler des 20. Jahrhunderts über die Bibel geschaffen.



Entwürfe für die Mainzer Kirchenfenster

In der 1964 entstandenen Grafik "Kreuzigung" zeigt Chagall beispielsweise mit kontrastreichen Farben die düstere Szene der Hinrichtung Jesu, während sich von hinten erlösend das Licht nähert. "Chagall hat sich nie als orthodoxer jüdischer Künstler verstanden", erläutert der Museumsleiter.



Obwohl er nach 1945 nie mehr deutschen Boden betreten hat, schuf Chagall für Mainz Kirchenfenster. Unter den Exponaten der Ausstellung befinden sich daher auch Entwürfe für christliche Gotteshäuser.



"Er hat sich immer eingesetzt für die Verständigung zwischen den Religionen, von der wir sind heute weiter entfernt sind denn je", meint die Enkelin des Künstlers, Meret Meyer. Die Ausstellung biete eine Möglichkeit zum Dialog zwischen Judentum und Christentum, ohne diesen zu erzwingen. Der Besucher könne auch einfach die schönen Bilder genießen.



Und das wollen bereits viele. Das Picasso-Museum verzeichnet bereits einen Ansturm auf die Führungen durch die Ausstellungen.1.200 Reservierungen seien bereits eingegangen. Daher hat das Haus seine Öffnungszeiten ausgeweitet und ist bis Januar auch montags geöffnet und freitags bis 20 Uhr. Museumsleiter Müller erklärt sich die Beliebtheit des Künstlers mit seiner ganz besonderen Authentizität. "Er hat religiöse Kunst aus einer ganz persönlichen Sicht geschaffen und die ist immer gefüllt mit den Erfahrungen eines ganzen Künstlerlebens."