Drei-Religionen-Grundschule startet in Osnabrück

Mit Thora, Bibel und Koran

Mit Gebeten nach jüdischer, islamischer und christlicher Tradition ist in Osnabrück die bundesweit einmalige "Drei-Religionen-Grundschule" gestartet. Vertreter der drei Religionen lasen während der Einschulungsfeier für die 22 Erstklässler Verse aus der Bibel, der Thora und dem Koran. "Wer spürt, dass er mit seinem Glauben von anderen respektiert wird, kann auch stolz zu seiner Religion stehen", sagte der neue Rabbiner der Jüdischen Gemeinde in Osnabrück, Mosche Baumel.

Autor/in:
Stefan Buchholz und Sabine Kleyboldt
 (DR)

Zudem sprechen Vertreter der katholischen Kirche, der Jüdischen Gemeinde und der islamischen Gemeinschaft in Osnabrück kurze Gebete - und das Ganze unter Ausschluss der zahlreich vertretenen Medien. Das zeigt, dass alle Kooperationspartner der neuen Schule in Trägerschaft der Schulstiftung des Bistums Osnabrück Persönlichkeitssphäre und religiöse Gefühle von Kindern, Eltern und Lehrenden besonders achtsam behandeln wollen.



So beginnt für die 22 Erstklässler - 9 Katholiken, 8 Muslime, 2 Juden sowie je ein Kind mit evangelischer, orthodoxer und ohne Konfession - und ihre vier Lehrer an diesem Morgen das, was in dreijähriger und teils mühsamer Vorarbeit als Schulkonzept ausgetüftelt wurde: Kinder unterschiedlicher Bekenntnisse lernen hier nicht zufällig gemeinsam, vielmehr tun sie es mit besonderem Augenmerk auf ihren eigenen Glauben und den ihrer Mitschüler.



Gelebter Interreligiöser Dialog

So sollen die Schüler neben dem gemeinsamen Unterricht im Klassenverband zunächst ihre eigene Religion kennenlernen. "Nur über das sichere Wissen von der eigenen religiösen Identität wird die Toleranz gelingen", sagt der jüdische Religionspädagoge Sebastian Hobrack. Vorgesehen ist ebenso, dass die regelmäßigen Jahresfeste der drei Religionen zusammen gefeiert werden können - soweit das möglich und gewünscht ist. Projektwochen könnten überdies den interreligiösen Austausch fördern, meinen die Profilplaner der "Drei-Religionen-Schule". Sie soll nach dem Willen der Initiatoren Zeichen und Zeugnis in einer Gesellschaft sein, die zunehmend mehr ohne Gott auszukommen scheint. Für die Beteiligten geht es um die Alltagstauglichkeit eines oft beschworenen interreligiösen Dialogs.



Einen ersten Praxistest gilt es schon bald zu bestehen. "Wir sind gespannt, wie es mit dem gemeinsamen Mittagessen klappt, wenn das Essen auch koscher und nach den Vorschriften der islamischen Küche zubereitet werden muss", sagt Annett Abdel-Rahman, Lehrerin für den islamischen Religionsunterricht. "Zunächst geht es darum, die Klasse und uns als Team zusammenzuschweißen." Denn das Drei-Religionen-Projekt startet im Gebäude der Johannisschule, die bislang als katholische Bekenntnisschule geführt wurde und nun nach und nach von der neuen Bildungseinrichtung abgelöst werden soll.



Bistum Osnabrück gab den Anstoss

Deren Grundidee entstand indes nicht ohne Druck: Immer weniger katholische Kinder wurden in den letzten Jahren an der traditionsreichen Bekenntnisschule angemeldet. Da diese nur 20 Prozent nicht-katholische Kinder aufnehmen darf und einzügige Klassen aus pädagogischen und organisatorischen Gründen nicht gewünscht sind, sah die Osnabrücker Bistumsleitung Handlungsbedarf. Zusammen mit den Vertretern der jüdischen und muslimischen Gemeinden präsentierte das Bistum daraufhin das Konzept einer Schule der abrahamischen Religionen - zum Ärger vieler Lehrer der Johannisschule. Das Bistumskonzept betreibe statt Integration vielmehr Separation, weil es manche Kinder abweise, lautete ein Vorwurf. Inzwischen haben alle bisherigen Pädagogen angekündigt, nach und nach die Johannisschule freiwillig zu verlassen. Bis dahin gibt es zwei getrennte Lehrerkollegien.



Organisatorisch wird die katholische Schulstiftung als Schulträger unterstützt von der Jüdischen Gemeinde Osnabrück, dem islamischen Landesverband Schura Niedersachsen, der Türkisch-Islamischen Gemeinde (DITIB), der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen und der Stadt Osnabrück. Außerdem gibt es einen Beirat, der die Beteiligten in Fragen des dreifach-religiösen Profils berät. Finanziert wird die Schule zunächst überwiegend von der Schulstiftung, ein Schulgeld gibt es nicht. Die Stadt Osnabrück zahlt ein Drittel der Sachkosten.