Verleger Herder über Herausforderungen mit und ohne Papst

"Benedikt XVI. ist einer der professionellsten Autoren"

Zwölf Päpste haben beim Herder-Verlag bereits Bücher veröffentlicht. Manuel Herder leitet das Freiburger Familienunternehmen in sechster Generation. Im Interview spricht er über theologische Fachliteratur und Päpste als Autoren.

Verleger Manuel Herder / © Patrick Seeger (dpa)
Verleger Manuel Herder / © Patrick Seeger ( dpa )

KNA: Herr Herder, Ihr Vorfahr Bartholomä Herder begann im 18. Jahrhundert als "Hofbuchhändler" des Konstanzer Fürstbischofs. Wie katholisch ist der Verlag heute noch?

Herder: Wir sind der führende unabhängige Verlag für Theologie und Religion. Das wollen wir weiter ausbauen: Wir haben starke, große Reihen, wie etwa Joseph Ratzingers oder Walter Kaspers Gesammelte Schriften und natürlich die im vergangenen Jahr begonnene Gesamtausgabe von Hans Küng. Auch die großen theologiehistorischen Werke, "Herders Bibliothek der Philosophie des Mittelalters" beispielsweise, sind bedeutende Fachbücher. Mit diesen Großprojekten und zahlreichen theologischen Sachbüchern, mit denen wir immer wieder auch theologische, philosophische und gesellschaftliche Debatten aufgreifen, sind wir Marktführer auf dem Gebiet der Theologie im weitesten Sinne.

KNA: Die Zahl der Theologiestudenten ist seit Jahren rückläufig. Schrumpft das Publikum für theologische Fachbücher nicht?

Herder: Der Rückgang von Theologiestudierenden ist natürlich bedauerlich, keine Frage. Auf der anderen Seite ist es so, dass diejenigen, die heute Theologie studieren, dies auch aus voller Überzeugung tun und sich oftmals weit über das Studium hinaus mit Theologie beschäftigen. Darüber hinaus gibt es ein großes Publikum an Theologie-Interessierten, die aber andere Studiengänge eingeschlagen haben. Auch an dieses Publikum richten wir uns.

KNA: Wie gut ist Ihr Draht in den Vatikan?

Herder: Der Verlag Herder ist über 200 Jahre alt, und seit etwa 160 Jahren verlegen wir deutschsprachige Texte von Päpsten. Inzwischen führen wir zwölf Päpste im Verlagsprogramm. Benedikt XVI. zum Beispiel konnten wir zum Amtsantritt ein Buch schenken, das sein Namensvorgänger Benedikt XV. schon bei uns veröffentlicht hat: die Schrift "Zum Frieden in der Welt" von 1915, veröffentlicht in den Schreckenszeiten des Ersten Weltkrieges. Und Joseph Ratzinger hat ja bereits lange vor seinem Pontifikat seine Werke bei uns publiziert.

KNA: Haben Sie eine Durchwahl von ihm? Hat Benedikt XVI. Sie angerufen, als er beschlossen hatte, keine Bücher mehr zu veröffentlichen?

Herder (lacht): Eines der bestgehüteten Geheimnisse eines jeden Verlegers ist, welche Direktdurchwahlen er gespeichert hat.

KNA: Sind Päpste unbequeme Autoren? Darf ein Lektor da überhaupt in die Texte reinredigieren?

Herder: Benedikt XVI. ist einer der professionellsten Autoren, die ich kenne. Er beschäftigt sich mit jedem Vorschlag, der ihm gemacht wird, persönlich. Papst Franziskus freut sich über seine deutschen Bücher. Ich erlebe ihn bei den Buchübergaben immer dabei, wie er den Titel auf Deutsch liest und sich an dieser Sprache erfreut.

KNA: Die Leipziger Buchmesse steht vor der Tür. Auf welche Perle in Ihrem Programm sind Sie in diesem Frühjahr besonders stolz?

Herder: Mit Blick auf die monotheistischen Religionen haben wir das Buch von Hubert Frankemölle zu Abraham/Ibrahim in Thora, Neuem Testament und Koran im Programm. Da geht es um die Frage: Ist Abraham wirklich der gemeinsame Vater im Glauben? Oder haben die drei Religionen jeweils eine Gestalt zum Vorbild, die nur den gleichen Namen trägt?

KNA: Das könnte Nachwirkungen bis in der Gegenwart haben...

Herder: Ja. In einer leider tief zerstrittenen Welt, wie wir sie derzeit erleben, in der auch Unfrieden zwischen den Religionen besteht, ist es wichtig, sich auch das Trennende offen einzugestehen und darüber zu reden. Nur wenn wir Unterschiede thematisieren, werden wir Chancen haben, sie zu überwinden.

KNA: Ihr Verlagsprogramm scheint sich vom Christlichen immer weiter Richtung Weltreligionen zu öffnen.

Herder: Das stimmt. Nach dem Zweiten Weltkrieg haben wir uns gezielt um jüdische Autoren bemüht. Meinem Vater war es aber auch wichtig, ein Verlagsprogramm vorzulegen, das alle drei monotheistischen Religionen thematisiert. Im Sinne der wechselseitigen Anerkennung dieser drei Weltreligionen hat über ihn der Einzug islamischer Themen seinen Anfang genommen. Als ich verlegerische Verantwortung übernahm, war der Buddhismus ein zunehmendes Thema im deutschen Sprachraum. So kam der Dalai Lama zu dem Kreis unserer Autoren.

KNA: Die gesellschaftlichen Debatten werden immer schnelllebiger. Wie verändert es das Verlagsgeschäft?

Herder: Wir haben uns mit allen internen und externen Abläufen darauf eingestellt und haben mittlerweile das schnelle Reagieren auf Themen und Debatten zu unserer Stärke gemacht.

Das Interview führte Rocco Thiede.


Quelle:
KNA