Die drei Enzykliken Papst Benedikts XVI.

Liebe - Hoffnung - Wahrheit

Papst Benedikt XVI. (2005-2013) hat in seinem knapp achtjährigen Pontifikat drei große Lehrschreiben, sogenannte Enzykliken, verfasst. Sein Nachfolger Papst Franziskus baute später auf die Vorarbeiten auf. 

Benedikt XVI. unterzeichnet eine Enzyklika (KNA)
Benedikt XVI. unterzeichnet eine Enzyklika / ( KNA )

Am 25. Februar 2006 veröffentlicht Benedikt XVI. seine erste Enzyklika mit dem Titel "Deus caritas est" (Gott ist Liebe). Der Papst beleuchtet damit eine zentrale Dimension des Christentums. Gottesliebe und die Liebe zum Nächsten gehörten untrennbar zusammen. Die Kirche dürfe auf Caritas und auf ihren konkreten Dienst für Menschen in Not ebenso wenig verzichten wie auf die Verkündigung des Evangeliums oder die Spendung der Sakramente. Allerdings verlangt kirchliche Hilfsarbeit nach Worten Benedikts XVI. ein klares, vom Glauben geprägtes Profil, das sie von anderen Wohlfahrtsaktivitäten unterscheidet.

Ausführlich befasst sich die Enzyklika mit der christlichen Nächstenliebe (lateinisch caritas). Die in der Gottesliebe verankerte Liebe zum Nächsten sei zunächst ein Auftrag an den einzelnen Gläubigen, betreffe aber die ganze kirchliche Gemeinschaft. Nächstenliebe und Caritas werden nach Einschätzung Benedikts XVI. immer notwendig bleiben - denn auch in der gerechtesten Gesellschaft werde es materielle und menschliche Not geben. Die Lösung liege nicht im Versorgungsstaat, der bürokratisch alles an sich reißt. Der leidende Mensch brauche persönliche Zuwendung. Nach dem Subsidiaritätsprinzip sollte der Staat daher die freien Initiativen aus unterschiedlichsten gesellschaftlichen Bereichen anerkennen und unterstützen. Die Kirche stelle mit ihren Hilfsdiensten eine solche aktive Kraft. Zum spezifischen Profil kirchlicher Hilfstätigkeit gehört nach Worten des Papstes die menschliche Zuwendung bei der Pflege, die über berufliche Kompetenz und technisch korrekte Behandlung hinausgeht.

Positive Rezeption

Die Enzyklika wurde ganz überwiegend positiv aufgenommen, sowohl auf kirchlicher Seite als auch von Politik und Wissenschaft. Jan Heiner Tück bemerkte in der Neuen Zürcher Zeitung: "Anders als lehramtliche Dokumente seiner Vorgänger, die primär auf die Quellen von Schrift und Tradition zurückgreifen und mitunter einen fast selbstreferenziellen Charakter haben, führt die erste Enzyklika Benedikts XVI. das Gespräch mit bedeutenden Stimmen der abendländischen Tradition. Platon und Aristoteles werden ebenso zitiert wie Nietzsche und Marx."

Zweite Enzyklika - "Spe salvi"

"Spe salvi" - "Auf Hoffnung hin sind wir gerettet" überschrieb Benedikt XVI. seine zweite Enzyklika. Das am 30. November 2007 veröffentlichte Lehrschreiben, das wiederum ein Kernthema der christlichen Botschaft beleuchtet, erklärt rein weltliche Zukunftsverheißungen und blinde Fortschrittsgläubigkeit für unzureichend. Auf 80 Seiten betont Benedikt XVI., letztlich sei Gott das Fundament der Hoffnung, und Hoffnung sei das Kennzeichen des Christentums: "Der Mensch braucht Gott, sonst ist er hoffnungslos." Vernunft und Glauben brauchten einander. Ausführlich setzt sich Benedikt XVI. mit den Ideen der Französischen Revolution wie auch mit Kant, Marx und Engels bis hin zu Adorno und Horkheimer auseinander. Wissenschaft und politische Theorien hätten sich als überfordert erwiesen, was die Erlösungserwartung des Menschen betrifft.

Ausdrücklich wendet sich der Papst gegen eine unpersönliche Jenseitsvorstellung. Der Himmel sei "nicht leer" und das Leben nicht nur bloßes Produkt der Gesetze und des Zufalls der Materie. In der Welt müsse jede Generation neu um die rechten Ordnungen der menschlichen Dinge ringen, fordert Benedikt XVI. Gute Strukturen könnten zum Gutsein der Welt beitragen, auch wenn sie allein nicht ausreichten. Denn der Mensch könne »nie einfach nur von außen her erlöst werden« - und keinesfalls durch die Wissenschaft. Diese könne zwar Vieles zur Vermenschlichung der Welt beitragen, sie aber auch zerstören, wenn sie nicht von höheren Kräften geordnet würde. Die Enzyklika wurde auch von den deutschen Lutheranern sehr freundlich aufgenommen. Das Schreiben lese sich nicht wie ein Dekret, sondern wie eine Einladung zum Gespräch über Glaube, Liebe und Hoffnung, so der Catholica-Beauftragte der VELKD, Bischof Friedrich Weber. Die lutherische Kirche könne dem Inhalt über weiteste Strecken vorbehaltlos zustimmen.

Dritte Enzyklika - "Caritas in veritate"

Als Fortschreibung der katholischen Soziallehre wurde das am 7. Juli 2009 veröffentlichte dritte Lehrschreiben aufgefasst. "Caritas in veritate" lautet der Titel des 142 Seiten umfassenden Dokuments zur "ganzheitlichen Entwicklung des Menschen in der Liebe und in der Wahrheit". Darin schlägt der Papst angesichts der globalen Wirtschaftskrise die Gründung einer weltweiten Steuerungsinstanz vor. Eine solche politische Weltautorität sei notwendig, um die Weltwirtschaft zu lenken, die von der Krise betroffenen Volkswirtschaften zu sanieren und einer Verschlimmerung der Krise vorzubeugen.

Die Wirtschafts- und Finanzkrise lässt nach Einschätzung von Benedikt XVI. schwerwiegende Verzerrungen und Missstände erkennen; es brauche strukturelle Erneuerung. Eine weltweite Ausbreitung von Wohlstand dürfe nicht durch Projekte gebremst werden, die von Einzelinteressen geleitet sind. Ernüchternd fällt die Analyse des Papstes über die Veränderungen der vergangenen Jahrzehnte aus. "Absolut gesehen nimmt der weltweite Reichtum zu, doch die Ungleichheiten vergrößern sich. In den reichen Ländern verarmen neue Gesellschaftsklassen, und es entstehen neue Formen der Armut." In ärmeren Regionen wachse der Kontrast zwischen konsumorientierter Überentwicklung einzelner Gruppen und dem Skandal ungeheuren Elends. Gleichzeitig werde das soziale Netz immer schwächer. Auch internationale Hilfen würden nicht selten verantwortungslos zweckentfremdet.

Benedikts Forderung: Lebensstil überdenken

Zu Entwicklung gehört für Benedikt XVI. auch der Schutz von Umwelt und Klima. Der Mensch müsse die Schöpfung verantwortungsvoll steuern, schützen, nutzen und kultivieren, um der Bevölkerung Nahrung und angemessenes Wohnen zu ermöglichen. Es gehe nicht um eine Vergötterung der Natur; sie sei keinesfalls wichtiger als der Mensch. Jedoch müsse die heutige Gesellschaft ernsthaft ihren Lebensstil überdenken. 

Mit Nachdruck warnt Benedikt XVI. davor, die herrschende "Kultur des Todes" zu bagatellisieren. Zur "verbreiteten tragischen Plage der Abtreibung" drohten Euthanasie und eine "systematische eugenische Geburtenplanung" hinzuzukommen. Viele Menschen entrüsteten sich heute über Nebensächlichkeiten, seien aber bereit, "unerhörte Ungerechtigkeiten zu tolerieren".

Lob, aber auch Kritik

Das Lehrschreiben fand über alle Konfessionen und Parteien hinweg Anerkennung und Lob. Auch die Gewerkschaften, umweltpolitisch orientierte Bewegungen und selbst Bankvorstände würdigten das Grundsatzdokument als wegweisend. In der deutschen Presse allerdings gab es allerdings auch harsche Kritik.

Später veröffentlichte Benedikts Nachfolger Papst Franziskus mit "Lumen fidei" (Juli 2013) noch eine "Enzyklika der vier Hände", die auf umfassenden Vorarbeiten Benedikt VI. aufsetzte.


Quelle:
KNA