Pater Hagenkord über die neue Enzyklika

Licht des Glaubens

"Lumen fidei - Das Licht des Glaubens" - Pater Bernd Hagenkord, Leiter der deutschsprachigen Abteilung von Radio Vatikan, über den Inhalt der ersten Enzyklika von Papst Franziskus.

Pater Bernd Hagenkord (rv)
Pater Bernd Hagenkord / ( rv )

domradio.de: Das Licht des Glaubens. Benedikt hatte sich in zwei seiner Enzykliken schon Liebe und Hoffnung zugewandt. Ist das jetzt die Vervollständigung ‑ Glaube, Hoffnung, Liebe?
Pater Bernd Hagenkord: Ganz eindeutig, es ist von Franziskus so gewollt, dass jetzt sozusagen die Trias, diese Dreiheit der theologischen Tugenden, vollgemacht wird und das Projekt, das Benedikt der XVI. begonnen hat, auch zu Ende geführt wird.

domradio.de: Wie viel Text von Benedikt steckt denn da noch ‘drin?
Hagenkord: Das ist ganz schwer zu sagen. Also natürlich gibt es da Vorarbeiten, natürlich haben da auch andere mit daran herumgeschrieben und Vorlagen gemacht. Es ist schon erstaunlich, dass wir die Redaktionsgeschichte eines Textes überhaupt sehen können, dass wir sagen können, das und das hat der geschrieben – normalerweise ist das ja gar nicht bekannt. Das ist etwas ganz Außergewöhnliches. Was von wem genau stammt, das würde ich aber nicht unterscheiden wollen. Es gibt ein paar Sachen, die sind eher Franziskus-Stil, wenn es zum Beispiel um Götzenanbetung geht etc. – diese Art der Sprache ist eher Franziskus. Während wenn es um Glaube und Vernunft geht, dann würde ich eher Benedikt vermuten. Aber letztlich sind das auch nur Spekulationen.

domradio.de: Aber Franziskus hat seinen Vorgänger wörtlich und namentlich erwähnt in diesem Text?
Hagenkord: Ganz genau. Auch das hat es noch nie gegeben, dass er klar sagt: Ich habe eine Enzyklika vorgefunden, eine Vorarbeit von meinem Vorgänger, der ich nun etwas hinzugefügt habe und die ich dann unter meinem Namen veröffentlicht habe. Er würdigt seinen Vorgänger, bedankt sich bei ihm noch einmal ganz ausdrücklich und sagt, dass er das quasi übernommen hat. Es steht sein Name darunter, nicht zwei sondern nur Franziskus, obwohl Franziskus vor einigen Wochen einmal gesagt hat: Die Enzyklika wird vierhändig geschrieben.

domradio.de: Die Stilfrage … der Stil des gesamten Textes ist dann aber doch Franziskus?
Hagenkord: Wir haben ja noch nicht so viele Texte von ihm schriftlich vorliegen, die über sein theologisch-philosophisches Denken Auskunft geben, wie wir das von Benedikt in seinen letzten drei Enzykliken ja hatten. Das ist jetzt schon eine etwas andere Sprache, das ist leichter, das ist weniger ein theologischer Fachtext, weniger eine Ernte lebenslangen Betens und Studierens – hier ist es eher eine Zusammenschar, eine Zusammenstellung, die man lesen kann, die auch sprachlich und theologisch viel zugänglicher ist für theologisch nicht Vorgebildete, als die anderen Enzykliken es waren. Es ist schon ein völlig anderer Text, das merkt man schon. Auch hier ist klar und deutlich der Papstwechsel nachzuvollziehen.

domradio.de: Schauen wir noch auf den Inhalt. Das Licht des Glaubens. Wie geht der Papst das an?
Hagenkord: Die Frage, die die Enzyklika stellt, ist: Was will der Glauben sein? Und die Antwort ist: Licht! Der Glaube soll nicht etwas Verdunkelndes sein, das von der wahren Realitätserkenntnis wegnimmt, sondern erst mit dem Glauben können wir die komplette Erkenntnis unseres menschlichen Lebens wahrnehmen. Und an dieser Linie entlang entwickeln sich die Gedanken, die sich dann in vier Hauptkapiteln entfalten.

domradio.de: Gibt es auch Antworten auf die grundlegenden Fragen. Was ist Glauben? Wie geht Glauben?
Hagenkord: Die Enzyklika ist weniger ein Nachschlagewerk, also wird zum Beispiel ausdrücklich gesagt: Glauben ist etwas Dynamisches. Glauben ist nicht nur eine Zusammenstellung von Sätzen, sondern etwas, das ich von meiner Familie, von meinen Vorgängern im Glauben aus 2000 Jahren Vergangenheit übernehme und das mich dann umformt, das mich dann verändert und auch befähigt, den Glauben an den nächsten weiterzugeben, das ist dieser dynamisches Charakter. Das lässt sich natürlich ganz schlecht in eine How-to-do-Anleitung fassen. Das gleiche gilt für den Gemeinschaftscharakter: Glaube kann ich nicht allein machen, Glaube ist immer gemeinschaftlich. Ich kann das also weniger 1, 2, 3 nachlesen, wie das geht, es ist vielmehr eine Zusammenschau und ein systematisches, ja vielleicht sogar meditatives Erfassen dessen, was wir unter Glauben verstehen.

domradio.de: Was sind die markantesten Aussagen?
Hagenkord: Die gibt es eher nicht. Man sollte die Enzyklika eher in einem Zug lesen, So einzelne geniale und wunderschöne Sätze in der Sprache Benedikts, wie wir sie aus seinen Enzykliken zu Hoffnung und Liebe kennen, finden wir nicht. Es geht eher um den Gesamt-Duktus. Es ist leider auch so: In einer Enzyklika, die von mehreren Leuten geschrieben wurde, fehlt vielleicht der eine klare Zug. Das ist der Entstehung geschuldet. Das finde ich auch gar nicht schlimm. Aber es fehlt dann auch der eine klare, oder die fünf klaren Kerngedanken, die braucht man gar nicht erst suchen. Vielleicht kann man einen solche Satz wie: Wer glaubt, sieht! hervorheben. Das ist ein kleiner Merksatz am Anfang, der gibt der Enzyklika Linie. Aber ansonsten empfiehlt es sich wirklich kapitelweise zu lesen. So ganz lang ist sie ja auch nicht.

domradio.de: Gibt es Überraschungen in dem Text?
Hagenkord: Ich würde sagen nein. Es wird nicht theologisch oder lehramtlich etwas Neues gedacht, gesagt oder angekündigt, zurechtgerückt, in neue Sprache gehoben. Sondern eher etwas, das man sich im Jahr des Glaubens vornehmen kann, was man vielleicht auch gemeinsam durchlesen und diskutieren und darüber meditieren kann. Dafür ist diese Enzyklika da, weniger um etwas theologisch Neues zu wagen.

domradio.de: Bei Staats- und Regierungschefs wartet man immer auf die erste Regierungserklärung, auf ein Programm. Taugen da päpstliche Enzykliken zu, insbesondere diese?
Hagenkord: Man darf diese Enzyklika nicht hypen. Franziskus ist eine Enzyklika auf zwei Beinen. Was wir täglich sehen, wenn er zum Beispiel am Montag nach Lampedusa fahren will, das ist eher Regierungsprogramm. Natürlich steht er mit beiden Beinen fest auf dem Boden des Glaubens und der Lehre, das merkt man auch immer wieder. Und dazu gehört natürlich auch diese Enzyklika. Aber ich glaube nicht, dass Enzykliken das Hauptwesensmerkmal dieses Pontifikats sein werden. Er war höflich und respektvoll und hat gesagt: Ich möchte das Werk meines Vorgängers aufgreifen und zu Ende führen. Aber ansonsten sind geschriebene Texte meines Erachtens nicht wirklich die Ausdrucksform von Papst Franziskus.

domradio.de: Also kein Regierungsprogramm?
Hagenkord: Nein. Wenn man sagen will: Ich bin ja als Papst auch da für die Verbreitung des Glaubens, dann schon. Also zur Deutung des Glaubens, der schon angesprochene dynamische Charakter, das wiederholt Papst Franziskus ja auch dauernd. Aber ein Programm, das er die nächsten fünf Jahre umsetzen wollte, nein, da wäre ich eher vorsichtig.

Das Interview führte Mathias Friebe.