Ingo Brüggenjürgen berichtet von der Generalaudienz

Post aus Rom

Die ganze Welt schaute auf Rom, als Papst Benedikt XVI. heute seine letzte Generalaudienz hielt. domradio.de-Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen war vor Ort und traf auf interessante Pilger ...

 (DR)

Die Sonne lacht über den Petersplatz. Andreas Grün aus Rosenheim strahlt noch mehr. Seine Freude ist nicht zu übersehen. Seine bayrische Abstammung auch nicht. So stellt man sich ein richtiges bayrisches Mannsbild vor. Seine riesengroße blauweiße Fahne beseitigt auch die letzten Zweifel. Als Preuße erhalte ich spontane Nachhilfe – die Bayern Fahne ist „weiß-blau“ – und nicht „blau-weiß“ – ich soll einfach an die Weißwurst denken – die stehe auch an erster Stelle!

Solche Eselsbrücken braucht der Pontifex Maximus, der oberste Brückenbauer, nicht. Noch steht an allererster Stelle in der katholischen Kirche der Papst aus Bayern, der sichtbar gerührt bei seiner letzten Generalaudienz der Bayernhymne lauscht, die wieder vor der großen Basilika St. Peter erklingt – vermutlich für lange Zeit zum letzten Mal. Angestimmt wird sie heuer von der Stadtmusik Traunstein. Der treue Bläser vor dem Herrn, auch ein echt bayrisches Mannsbild wie aus dem Bilderbuch, Karl Wallrachter, ist immer noch ganz ergriffen: „Ich habe noch nie vor Hunderttausenden gespielt!“ Dafür hat er mit dem Papst in seiner Jugend schon Hausaufgaben gemacht. Wer kann das schon von sich behaupten. „Für mich ist das immer noch der „Ratzingers Sepp!“

Der stolze Seehofer

Tja – so einfach ist das mit den Namen – oder besser könnte es sein. Der Papst wird einfach wieder „Ratzingers Sepp“ – morgen Abend um 20 Uhr, wenn er das päpstliche Amt wieder in die Hände Gottes zurücklegt. Die in der ewigen Stadt Rom versammelte Theologenschar sieht das natürlich anders. Jeder hat einen anderen Vorschlag für den neuen Titel des bald nicht mehr Papstes. Für den Kirchenhistoriker Hubert Wolf aus Münster ist die Sache ganz klar: „Emeritierter römischer Pontifex“ geht seiner Ansicht nach nicht. Man brauche nur das Konzil von Konstanz zu bemühen. 1415 sei Papst Gregor XII. fast freiwillig zurückgetreten – und dann wieder Kardinal geworden … Peter Seewald hingegen betont als Papstvertrauter und Papstkenner – immerhin konnte man in seinem Interviewbuch die Rücktrittsüberlegungen Benedikts XVI. schon vor Jahren nachlesen –, dem einfachen Arbeiter im Weinberg des Herrn Joseph Ratzinger seien Titel gar nicht so wichtig: „Gute Freunde werden ihn einfach weiter ‚Joseph’ nennen!“ Aha. Ob auch der bayrische Ministerpräsident Horst Seehofer „Joseph“ zu Benedetto sagen darf? Stolz wie Oskar berichtet er in die Mikrofone und Kameras der zahlreichen Medienvertreter, wie bewegend es für ihn gewesen sei, dass er noch eine allerletzte “Privataudienz“ erhalten habe. Als Beleg für den Besuch präsentiert der superstolze Seehofer den Rosenkranz, den er gerade erhalten hat.

Diese Bilder strahlt auch Phoenix aus, und der Moderator im Dauereinsatz Stefan Kulle erklärt den TV-Zuschauern, so ganz privat könne die Audienz beim Heiligen Vater nun doch nicht gewesen sein – sonst hätte Seehofer noch eine Art schriftlicher “Bulle“ erhalten. Kulle muss es wissen – war er es doch, der am 19. April 2005 um 18.39 Uhr bereits vier Minuten vor der offiziellen Bekanntgabe der Wahl von Joseph Ratzinger zum neuen Papst von dem Wahlergebnis erfuhr und diese Nachricht vorzeitig bei Phoenix verkündete. Fast acht Jahre ist das jetzt her, und auch die Bayern im weiten Kolonnadenrund denken wehmütig an das jetzt zu Ende gehende Pontifikat Benedikt XVI. zurück. “Wir haben uns als echte Bayern doch in diesen Jahren alle ein wenig als Papst gefühlt!“, berichtet Andreas Grün, der Vorzeigebayer aus Rosenheim. Ein anderer Bayer, der nach der Audienz die Bierflasche rausgeholt hat, möchte seinen Namen nicht preisgeben – “sonst steht das morgen dick in der Zeitung“ – trinkt leicht angesäuselt in den mittäglichen, wärmenden Sonnenstrahlen auf das “Wohl des Heiligen Vaters!“

Der Ratzingers Sepp

Viele Erinnerungsfotos werden nach der Audienz geschossen. Jeder will diesen einmaligen historischen Moment festhalten und dokumentieren, dass er ganz nah dabei war, als der deutsche Papst zum letzten Mal mit seinem weißen Jeep in der großen Runde seine Schleifen drehte. Benedikt XVI. wirkt ruhig und innerlich fröhlich – so wie immer. Zu ganz großen emotionalen Gesten, wie sein Vorgänger Johannes-Paul II sie beherrschte, fehlt ihm immer noch der Mut. Natürlich segnet er immer noch ein wenig schüchtern die Kinder, die ihm der frühere Monsignore und jetzige Erzbischof Gänswein reicht. Aber Tränen der Rührung oder ähnliche große Gesten wird es heute nicht geben. Dennoch: Die, die dabei waren, sind gerührt und ergriffen. Wie Karl Wallrachter, der schon mit „Ratzingers Sepp“ die Schulbank drückte und zu erzählen weiß, dass Ratzinger immer blitzgescheit gewesen sei – aber um Sport nie viel gegeben habe. Der Traunsteiner ist froh, dass er heute hier dabei war – auch wenn seine Beine „nicht mehr so recht mitmachen wollen“. Er freut sich, dass seine Stadtmusiker aus Traunstein die Bayernhymne für den Papst gespielt haben. „Es ist unwahrscheinlich, was dieser Mann geleistet hat, und so was wie heute hier, das werde ich wahrscheinlich nie mehr erleben …“