In Rom werden bis zu 250.000 Menschen erwartet

Zur letzten Generalaudienz

Nach sieben Jahren, zehn Monaten und zehn Tagen im Amt tritt Papst Benedikt XVI. am Donnerstag zurück. Von den Gläubigen verabschiedet sich der 85-Jährige schon am Mittwochvormittag bei seiner letzten Generalaudienz (live ab 10.15 Uhr).

Rom: Die Stadt bereitet sich vor (DR)
Rom: Die Stadt bereitet sich vor / ( DR )

Wegen des erwarteten Andrangs von Zehntausenden Römern, Pilgern und Schaulustigen wurde sie aus der Aula Paolo VI. auf den Petersplatz verlegt. Benedikt XVI. scheidet als erster Papst der Neuzeit freiwillig aus dem Amt - und doch hatte er sich andere Umstände für seinen Rücktritt gewünscht, als sie die Entwicklung der vergangenen Tage gebracht hat. Der pflichtbewusste Papst aus Deutschland wollte den Eindruck vermeiden, dass er die Kirche im Stich lässt, dass er in einer Krisenzeit aus dem Amt flieht. "Zurücktreten kann man in einer friedlichen Minute", stellte Benedikt schon in seinem 2010 erschienen Interviewbuch "Licht der Welt" klar. "Aber man darf nicht in der Gefahr davonlaufen und sagen, es soll ein anderer machen."

Doch die letzten Tage vor Benedikts Abschiedsaudienz waren aus Vatikan-Sicht alles andere als friedlich. Für Wirbel sorgte insbesondere der Bericht der römischen Zeitung "La Repubblica", demzufolge nicht Altersschwäche, sondern die schockierenden Ergebnisse der internen Untersuchung des "Vatileaks"-Skandals Benedikt zum Rücktritt bewegt haben: Es sei von einem Netz von Sex-, Geld- und Machtgelüsten im Vatikan die Rede, von einer "Schwulen-Lobby" und von Erpressung in der Kurie. Der Vatikan reagierte entrüstet - die Spekulationen über die verborgene düstere Seite des Kirchenstaats aber waren in der Welt.

Letzte Rede mit Spannung erwartet

Zu allem Überfluss kamen dann noch aus Großbritannien schwere Anschuldigungen gegen den konservativen schottischen Kardinal Keith O'Brien hinzu, er habe vor 30 Jahren Priester belästigt. Nahezu zeitgleich akzeptierte der Papst das Rücktrittsgesuch des Kardinals aus Altersgründen, und O'Brien kündigte an, der Wahl des neuen Kirchenoberhaupts fernzubleiben. Das ändert aber nichts daran: Wie so oft im Pontifikat Benedikts sieht sich die Kirche auch in den letzten Tagen seiner Amtszeit mit negativen Schlagzeilen konfrontiert.

Dabei wollte der Papst bei seinem Amtsverzicht auf keinen Fall als Getriebener dastehen, sondern seinen Rücktritt als souveränen Akt verstanden wissen. Erst am Sonntag hatte er bei seinem letzten Angelus-Gebet den Zehntausenden Gläubigen auf dem Petersplatz erklärt, der Herr rufe ihn, sich "noch mehr dem Gebet und der Betrachtung" zu widmen. "Aber das bedeutet nicht, die Kirche im Stich zu lassen", betonte er. Vielmehr wolle er der Kirche künftig auf eine Weise dienen, die seinem Alter und seinen Kräften entspreche.

Benedikts letzte Ansprache als Papst am Mittwoch wird mit großer Spannung erwartet. Erklärt er noch einmal seine Beweggründe? Wird er Bilanz ziehen? Was gibt er den Gläubigen und der Kirche mit auf den Weg? Jedes Wort wird genau analysiert und gedeutet werden.

Vatikan-Sprecher Federico Lombardi hat schon vor Tagen klargestellt, dass die letzte Generalaudienz sich in ihrem Charakter von den bisherigen nicht unterscheiden werde. Immerhin wird der Papst ein letztes Mal im Papamobil durch die Menge fahren, um möglichst vielen Gläubigen nahezukommen. Der Ansturm wird riesig sein. Von bis zu 250.000 Menschen ist in Rom die Rede.

Polizisten in Priesterkleidung

Polizei und Verkehrsbetriebe in Rom stellen sich auf Schwerstarbeit ein. Die Sicherheitsvorkehrungen werden italienischen Medienberichten zufolge enorm sein: Scharfschützen auf den Dächern rund um den Vatikan, Polizisten in Zivil und Priesterkleidung inmitten der Menge, Sprengstoffexperten und Geheimdienste in Alarmbereitschaft.

Zugleich ist Benedikts Abschied auch ein Medienereignis: Zeitungen, Fernseh- und Radiosender aus aller Welt haben Teams nach Rom entsandt, bei der Anmeldung im Pressezentrum des Vatikans bildeten sich am Dienstagmorgen Schlangen. Sowohl die Abschiedsaudienz als auch Benedikts Abflug aus dem Vatikan wird in vielen Ländern live übertragen.

Am Donnerstag um 17.00 Uhr soll Benedikt XVI. in den Hubschrauber steigen und nach Castel Gandolfo fliegen, in die Päpstliche Sommerresidenz, in der er die nächsten Monate verbringen wird, bis sein endgültiges Domizil innerhalb der Vatikan-Mauern fertig ist. Gegen 17.30 Uhr wird der Papst noch einmal kurz die Gläubigen grüßen - und von da an in völliger Zurückgezogenheit leben.

Um 20.00 Uhr ist das Pontifikat des bayerischen Papstes Geschichte: Aus Benedikt wird der "emeritierte Papst" oder "emeritierte" römische Pontifex, die Schweizer Garden werden vom Palasttor in Castel Gandolfo abziehen, wie Lombardi am Dienstag erläuterte. "Denn die Schweizer Garde beschützt den Papst, und er wird dann ja nicht mehr im Amt sein."

Fischerring wird vernichtet

Der Fischerring und das Bleisiegel von Papst Benedikt XVI. werden dann vernichtet. Der Camerlengo, Kardinalstaatssekretär Tarciso Bertone (78), werde die Vernichtung veranlassen. Zu Zeitpunkt und näheren Umständen konnte Vatikansprecher Lombardi keine Angaben machen. Der Fischerring wird gemäß dem Kirchenrecht nach dem Tod eines Papstes vom Camerlengo in Verwahrung genommen. Im Laufe einer der ersten Kardinalsversammlungen, die während einer Sedisvakanz die vatikanischen Amtsgeschäfte leiten, wird die päpstliche Insignie zerbrochen.

Der "Fischerring" verdankt seinen Namen einer Abbildung des Petrus, der ein Netz mit Fischen in ein Boot zieht. Die Darstellung erinnert an die erste Begegnung Jesu mit Petrus. Der Fischerring wird dem Papst im Rahmen des Gottesdienstes zur Amtseinführung vom Kardinaldekan, dem ranghöchsten Kardinal, zusammen mit einer weißen Wollstola, dem Pallium, übergeben. Derzeit bekleidet das Amt des Kardinaldekans Angelo Sodano (85).
 


Quelle:
dapd , KNA