Weihbischof Schwaderlapp über Benedikt XVI.

"Ich versuche es noch zu verstehen"

Der Kölner Weihbischof Dominikus Schwaderlapp spricht im domradio.de-Interview über den Abschied Papst Benedikt XVI., dessen Wirken und Theologie.

Weihbischof Dominikus Schwaderlapp in Trier (DR)
Weihbischof Dominikus Schwaderlapp in Trier / ( DR )
domradio.de: Herr Weihbischof, vor gut einer Woche hat die Nachricht von Papst Benedikt XVI wie ein Paukenschlag gewirkt. Wie ist das denn hier bei der Bischofskonferenz aufgenommen worden?
Bischof Schwaderlapp: Dieses Thema ist weiter Thema Nummer eins, ob in den Gesprächen, den Pausen, aber auch in der Antrittsrede des Vorsitzenden, in der Predigt des Vorsitzenden, auch heute Morgen hat Kardinal Marx wieder davon gesprochen. Also es bewegt uns alle sehr. domradio.de: Wir wollen versuchen, diesen Schritt des Heiligen Vaters ein bisschen zu verstehen. Können Sie uns dabei helfen? Viele waren ja zunächst ganz geschockt und haben gefragt: Darf man so ein Amt überhaupt einfach so zurückgeben?
Bischof Schwaderlapp: Zunächst einmal muss ich sagen, dass ich auch auf der Suche bin und jetzt noch keine fertigen Antworten habe, sondern ich merke, dass es weiter in mir gärt, und ich versuche es immer tiefer zu verstehen. Das erste, was wir auf jeden Fall festhalten müssen, ist, dass Papst Benedikt XVI sich diese Entscheidung nicht leicht gemacht hat. Wir kennen ihn als einen sehr gewissenhaften, tiefgläubigen, tieffrommen Menschen. Wenn er davon gesprochen hat, dass er wiederholt sein Gewissen befragt habe, dann können wir davon ausgehen, dass es ein tiefgehender langer Prozess gewesen ist, und er nach reiflicher Überlegung und vielem Durchbeten zu diesem Entschluss gekommen ist. Und das bedeutet für uns auch, dass wir allerhöchsten Respekt davor haben müssen. Und es geht nun gar nicht darum, dass in irgendeiner Weise zu hinterfragen – diese persönliche Seite. Eine andere Frage ist jetzt: Wie ist das im gesamten Kontext der Kirche, der Kirchengeschichte zu deuten? Und da ist es in der Tat ein bleibender Paukenschlag. Das letzte Mal ein Rücktritt unter vergleichbaren Umständen vor 700 Jahren – das bedeutet, dass es so etwas eigentlich kaum, eigentlich gar nicht gibt. Und wenn wir uns den Codex des Kanonischen Rechts, das kirchliche Gesetzbuches anschauen, da gibt es einen Kanon 332 § 2, der spricht vom Rücktritt des Papstes. Also es ist auch rechtlich vollkommen klar, dass es das gibt. Dieser Kanon regelt eigentlich auch nicht ‑ nach dem Motto: Ja, es ist eigentlich ganz normal, dass gelegentlich ein Papst zurücktritt und dann müssen die und die Verfahrensschritte eingehalten werden ‑, sondern er geht von dem unwahrscheinlichen Falls aus. Und wenn es diesen Fall gibt, dann muss dieser unwahrscheinliche Fall geklärt werden.  domradio.de: Das eine ist die rein juristische, kirchenrechtliche Dimension, es gibt aber auch die theologische Dimension. Und deshalb hat ja Benedikt auch deutlich gemacht nach reiflicher Prüfung und Sie noch einmal, es ist eine Gewissensentscheidung. Was bedeutet es für die Gewissenentscheidung eines jeden Christenmenschen, wenn ein Papst eine solche Gewissenentscheidung trifft?
Bischof Schwaderlapp: Zunächst einmal müssen wir versuchen, diese theologische Dimension überhaupt zu verstehen. Und dafür muss man das Papstamt kennen. Das Papstamt ist nicht irgendeine äußere Funktion, die man auf Zeit bekommt. Der Papst ist der höchste Brückenbauer, der höchste Priester, der summus pontifex auf Erden. Er ist der Stellvertreter Christi, der Nachfolger Petri. Und das ist mehr als eine zeitweilige Aufgabe. Natürlich ist die Papstwahl keine Weihe, aber sie ist doch eine prägende Eigenschaft des Amtseigentümers, so dass seine Priester- und Bischofszeit eine neue Qualität bekommt. Es ist nicht so unlösbar mit der Person verknüpft, dass es keinen Rücktritt gäbe, rechtlich ist das geklärt. Aber es ist auf der anderen Seite wieder so eng verknüpft, dass es eigentlich nicht vorkommen sollte. domradio.de: Ich frage trotzdem noch einmal nach: Bei diesem Papst wird man nicht sagen können: Das ist nicht bis hintenhin durchgedacht. Wir kennen ihn als großen Intellektuellen, der alles bis zum Ende durchdenkt. Was bedeutet das letztendlich für die Gewissensentscheidung und Gewissensfreiheit eines jeden einzelnen Christen? Bischof Schwaderlapp: Es bedeutet, dass man vor Gottes Angesicht sein Gewissen selbst gut prüfen und anerkennen muss. Die Aussage für uns würde ich darin sehen, dass er sagt: Die Kirche und auch das Amt ist größer als meine Person. Und es kommt am Ende nicht auf mich an. Das heißt, wenn ich dieses Amt nicht mehr ausführen kann, heißt das nicht, die Kirche würde untergehen oder hätte versagt, sondern ich persönlich kann dies Amt nicht mehr ausüben. Das ist eine spezielle persönliche Entscheidung und hat nichts zu tun mit meiner Entscheidung, Priester zu sein, mit Ihrer Entscheidung, verheiratet zu sein. Das ist aber auch auf einer anderen Basis. Der Papst gibt ja nicht sein Priester- oder Bischofsamt auf. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Er ist jetzt nicht flüchtig und läuft vor den Aufgaben dieser Welt davon. domradio.de: Aber er gibt doch ein sehr wichtiges Amt auf: das Amt des Brückenbauers und des Stellvertreter Christi – und wenn ein Papst gegenüber der höchsten Autorität, nämlich Gott sagt, ich muss nach reiflicher Überlegung mein Amt zurückgeben. Können wir daraus nicht schließen, dass die Gewissensentscheidung eines jeden Menschen über allen Dingen steht? Bischof Schwaderlapp: Die Gewissensentscheidung ist die persönlich höchste Norm. Aber ein Gewissen muss gebildet sein. Das heißt mein Gewissen ist nicht die Instanz, die nicht mehr hinterfragbar ist, sondern es muss durch das Evangelium, durch die Reise mit der Kirche und letztlich auch durch die Kirchendisziplin gebildet sein. Und das hat der Papst getan, er tut nichts gegen die kirchliche Ordnung, verstößt nicht gegen ein Gebot. Insofern ist seine Gewissensentscheidung seine ganz ureigene Entscheidung, die nicht hinterfragt wird, aber sie ist aus diesen eben genannten Dinge gespeist. domradio.de: Für die Kirchengeschichte ist es sicher ein historischer Prozess, vielleicht auch für die Weltgeschichte. Der Berliner Kardinal Woelki hat gesagt: Dadurch ist das Amt vielleicht auch ein bisschen entzaubert worden. Bischof Schwaderlapp: In unserer medialen Welt müssen wir achtgeben, dass dieser relativ einmalige Schritt jetzt nicht zu einer völligen Umdeutung des Amtes führt und dass es zu einem Präsidialamt wird, das man annehmen und abgeben kann. Das ist prinzipiell nicht der Fall. Das was wir hier erlebt haben, ist sozusagen die ultima ratio. Und diese ultima ratio gibt es, diese letzte Möglichkeit. Aber es ist auch wirklich die letzte und alles andere als alltäglich. Und dabei sollte es auch bleiben. domradio.de: Der Kölner Kardinal hat gesagt: Wenn er gefragt worden wäre, hätte er gesagt: Das macht Du nicht! Wenn er Sie gefragt, was hätten Sie denn gesagt? Bischof Schwaderlapp: Wer bin ich, dass ich meinem Erzbischof widerspräche!