Saarlands Ministerpräsidentin über Papst und Kirche

"Ich schätze die klaren Positionen"

Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer wird am Donnerstag in Audienz von Papst Benedikt XVI. empfangen. Im Interview spricht die CDU-Politikerin über ihr persönliches Verhältnis zur Kirche.

 (DR)

KNA: Frau Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer, Großbritannien hat eine Queen, Deutschland eine Kanzlerin, Sie sind eine von vier Ministerpräsidentinnen. Was glauben Sie, wann es in der katholischen Kirche die ersten Pfarrerinnen oder Diakoninnen geben wird?

Kramp-Karrenbauer: Da bin ich Realistin: Das wird sicher noch geraume Zeit dauern. Trotzdem sollten wir das Ziel nicht aus den Augen verlieren. Ohne Frauen ist in Deutschland keine Kirche, auch keine katholische Kirche zu machen. Schauen Sie doch mal, wer die Messe besucht oder wer sich in der Pfarrei engagiert. Das sind zum ganz großen Teil Frauen, und deshalb ist es aus meiner Sicht folgerichtig, mehr Frauen in Führungspositionen und irgendwann auch für geistliche Ämter zuzulassen.

KNA: Aber Papst Johannes Paul II. hat das doch ein für alle Mal ausgeschlossen, woran auch heute immer wieder erinnert wird. Ist das Thema damit nicht erledigt?

Kramp-Karrenbauer: Ach wissen Sie: Ich bin auch deshalb in die Politik gegangen, weil ich häufig erlebt habe, dass jemand Basta gesagt und erklärt hat, etwas sei ein für alle Mal erledigt. Aber meine Lebenserfahrung hat mir auch gezeigt, dass das eben nicht immer so ist. Und deshalb müssen wir an der Sache dranbleiben. Auch wenn es natürlich ein Thema ist, das die Weltkirche betrifft, weswegen man einen sehr, sehr langen Atem dafür braucht.

KNA: Die deutschen Bischöfe reservieren bei ihrer Frühjahrsvollversammlung in Trier einen ganzen Studientag für das Thema «Frauen und Kirche». Was erwarten Sie davon?

Kramp-Karrenbauer: Offen gesagt bin ich da skeptisch. Sicher gibt es auch in diesen Frage unterschiedliche Strömungen innerhalb der Bischofskonferenz. Aber das Weiheamt für Frauen ist schon eine hohe Hürde. Optimistischer bin ich, was den Frauenanteil in nicht-geistlichen Führungspositionen angeht, etwa in kirchlichen Verwaltungen. Hier tut sich schon eine Menge, auch viele Bischöfe treiben das voran...

KNA: ...was aber vielen Frauen sicher noch zu wenig ist.

Kramp-Karrenbauer: Das mag so sein. Aber das ist ein altes Dilemma bei der Durchsetzung von Frauenrechten. Wir haben das große Ziel der Gleichberechtigung vor Augen, und auf dem Weg dorthin kann man immer sagen, der Schritt sei zu klein. Aber ich bin überzeugt, dass wir die großen Ziele nur mit vielen kleinen Schritten erreichen können. Ich fände es auch fatal, immer nur auf den großen Durchbruch zu warten und Zwischenschritte erst gar nicht gehen zu wollen.

KNA: Wie weit ist hier die offizielle katholische Linie von den Ansichten vieler Gläubiger entfernt? Wenn man die neueste Sinus-Milieustudie anschaut, sehen viele einen Graben, der immer größer wird...

Kramp-Karrenbauer: Das ist auf jeden Fall eine schwierige Gratwanderung. Die Kirchenleitung will ihre Traditionen und Prinzipien nicht aufgeben, aber sie muss ungeheuer aufpassen, dass sie nicht mit einer unbeweglichen und unnachgiebigen Haltung auch engagierte Katholiken und insbesondere Katholikinnen in die innere Emigration treibt. Das wäre fatal.

KNA: Über die innerkirchlichen Debatten hinaus: Engagiert sich die Kirche genügend für die Gesellschaft?

Kramp-Karrenbauer: Ich erlebe das so. Und ich freue mich über viele starke Diskussionsbeiträge und Impulse aus der Kirche. Wenn es etwa um Familienförderung, Betreuungsgeld und ähnliches geht, erlebe ich den Familienbund der Katholiken und die katholischen Frauenorganisationen als ganz besonders engagiert. Auch die katholische «Aktion Arbeit» bei uns im Bistum Trier ist ein Beispiel, wie Kirche vorbildlich Gesellschaft mitgestaltet.

KNA: Sie sind überzeugte und bekennende Katholikin. Ist das in diesen Zeiten, in denen der Kirche der Wind doch kräftig ins Gesicht bläst, eher hilfreich oder schädlich in der Politik?

Kramp-Karrenbauer: Weder das eine noch das andere, glaube ich. Und es ist auch normal, dass man mal unter seiner Kirche leidet. Es gibt keine Organisation - egal ob Familie, Kirche, Verein oder Partei - mit der man sich nicht auch kritisch auseinandersetzt. Aber Ihre eigene Familie verlassen Sie auch nicht jedes Mal, wenn Sie sich über Ihre Verwandtschaft geärgert haben. Ich halte das mit meiner Kirche und meiner Partei genauso.

KNA: Die katholische Kirche wird ja auch von ihrem Oberhaupt, dem Papst, geprägt. Wie erleben Sie Benedikt XVI.?

Kramp-Karrenbauer: Was ich wirklich schätze, ist seine sehr klare Haltung zu den Dingen. Selbst wenn es in vielen Fragen nicht unbedingt die Haltung ist, die ich mir persönlich wünschen würde oder die ich teile. Aber er kann seine klare Haltung immer auch sehr nachvollziehbar begründen. Und das ist mir allemal lieber als jemand, den ich gar nicht richtig einschätzen kann. Am Papst kann und muss man sich reiben, aber das ist aus meiner Sicht kein Nachteil.

KNA: Wie würde denn für Sie eine ideale Kirche aussehen?

Kramp-Karrenbauer: Das ist eine Kirche, die so wie heute auch aktiver und lebendiger Teil der Gesellschaft ist, der Gemeinschaft vor Ort. Die klar Position bezieht, auch wenn das unbequem ist, und die denjenigen, die sich in ihr engagieren und den Glauben auch nach außen vertreten, die gleichen Chancen einräumt, egal, ob es Männer oder Frauen sind.
 

Das Interview führte Gottfried Bohl.