Papst beglückwünscht US-Präsident Obama zur Wiederwahl

Im Stillen gläubig

Papst Benedikt XVI. hat US-Präsident Barack Obama zur Wiederwahl gratuliert. In seiner Glückwunschbotschaft erinnerte er ihn an seine große Verantwortung für das eigene Land sowie für die internationale Gemeinschaft. Er werde für das Gelingen der zweiten Amtszeit beten. Obama selbst hält seinen christlichen Glauben möglichst im Privaten.

 (DR)

Papst Benedikt XVI. ermahnte den US-Präsidenten, an den Freiheits- und Gerechtigkeitsidealen festzuhalten, an denen sich die Gründerväter seines Landes orientiert hätten.



Vatikansprecher Federico Lombardi äußerte die Hoffnung, das Obama "wirkungsvoll nachhaltige Entwicklung, Gerechtigkeit und Frieden in der Welt" fördert. Er wies auf die allgemeine Erwartung an den US-Präsidenten hin, dass er das Allgemeinwohl und insbesondere die Religionsfreiheit aller Bürger fördere, die "in der Tradition des amerikanischen Volks und seiner Kultur seit jeher einen hohen Stellenwert hat".



US-Bischöfe gaben zuvor Wahlempfehlungen für Romney ab

Die Hälfte der Katholiken in den USA hat Barack Obama gewählt und somit seine zweite Amtszeit mit ermöglicht. Die andere Hälfte und eine deutliche Mehrheit der Protestanten aber stimmten für Herausforderer Mitt Romney. Ein Grund dürfte Obamas Politik in Sachen Abtreibung, embryonale Stammzellforschung und gleichgeschlechtliche Ehe gewesen sein.



Vor der Wahl hatten etliche katholische Bischöfe eindeutige Wahlempfehlungen für Romney gegeben: Den rund 300.000 Mitgliedern der katholischen Diözese Green Bay im Norden Wisconsins hatte z.B. ihr Bischof David Laurin Ricken unmissverständlich klar gemacht, welchen Wahlausgang er erwartet. Ricken erklärte, "die Seele werde in Gefahr gebracht", wenn man eine Partei wählt, die auf einem der fünf "nicht verhandelbaren" Feldern von den "fundamentalen Inhalten des Glaubens und der Moral" abweiche: Abtreibung, embryonale Stammzellforschung, Sterbehilfe, Klonen von Menschen sowie gleichgeschlechtliche Ehe.



Bischof Ricken war damit nicht allein. Zahlreiche katholische Bischöfe hatten in den vergangenen Wochen mit Stellungnahmen Position bezogen. Bischof Thomas Paprocki aus Illinois bezeichnete die Unterstützung der Demokratischen Partei für die "Homosexuellen-Ehe" und ein "Recht auf Abtreibung" als "immanent böse und zutiefst sündhaft". Das Parteiprogramm der Republikaner spricht sich grundsätzlich gegen Schwangerschaftsabbruch aus. Das "ungeborene Kind" habe ein "fundamentales individuelles Recht auf Leben, das nicht verletzt werden darf".



Erzbischof John Myers von Newark im Bundesstaat New Jersey hatte die Gläubigen aufgefordert, keinen Kandidaten zu wählen, der nicht für die traditionelle Form der Ehe eintrete. Katholiken mit Sympathien für die "Homosexuellen-Ehe" sollten keine Kommunion mehr erhalten. Bischof Nicholas DiMarzio von Brooklyn nannte es "unvorstellbar", dass ein Katholik seine Stimme Amtsinhaber Barack Obama geben könne. Grund dafür sei die liberale Haltung des Präsidenten und seiner Partei in der Abtreibungsfrage. Katholiken, die für einen Kandidaten mit solchen Positionen stimmten, positionierten sich außerhalb der Kirche, betonte DiMarzio.



Katholisches Beraterteam

Auch Obamas Eintreten für die Homosexuellen-Ehe stößt auf Kritik innerhalb der katholischen Kirche. Kardinal Timothy Dolan, Vorsitzender der US-Bischofskonferenz, nannte die Entwicklung "sehr betrüblich". "Wir können nicht schweigen angesichts von Worten und Taten, die die Institution der Ehe untergraben würden, den wahren Eckstein unserer Gesellschaft." Obamas Haltung sei "leider nicht überraschend", sondern stehe in einer Linie mit anderen Aktionen, die die Institution Ehe unterhöhlten oder ignorierten.



In einem Manifest hatten bereits 2010 145 Repräsentanten der katholischen, evangelischen und orthodoxen Kirchen erklärt, sie seien nicht bereit, Gesetze zu befolgen, die ihren Einrichtungen vorschreiben, an Abtreibungen mitzuwirken, oder sie zwingen, gleichgeschlechtliche Partnerschaften als Ehe anzuerkennen. Das Dokument trägt den Titel: "Erklärung von Manhattan - Ein Ruf des christlichen Gewissens". Darin heißt es: "Wir geloben einander und unseren Glaubensbrüdern, dass keine Macht dieser Welt, sei sie kultureller oder politischer Natur, uns einschüchtern und zum Schweigen bringen wird." Ziel des Manifestes sei es, Präsident Obama zu signalisieren, dass die christlichen Führer im Land geeint und nicht bereit seien, bei Themen wie Abtreibung, Stammzellforschung oder "Homosexuellen-Ehe" Kompromisse einzugehen.



Im Wahlkampf hatte Obama daraufhin ein katholisches Beraterteam zusammengestellt. Das Gremium "Catholics for Obama" sollte bei katholischen Wählern für die Positionen der demokratischen Regierung in ethischen Fragen werben. Offenbar mit einigem Erfolg.



Religiöse Vielfalt wächst

Katholiken stellten ein Viertel der Wähler und beteiligten sich in höherem Maße an der Wahl als Nicht-Katholiken. Als Block wählten sie freilich auch dieses Mal nicht. Vor vier Jahren gewann Obama 54 Prozent der katholischen Stimmen - und das, obwohl seine Position etwa zur Abtreibung bekannt war. Nun, nach vier Jahren liberaler Obama-Politik, waren es immerhin noch 50 Prozent - unter den Protestanten 42 Prozent.



Verglichen mit Deutschland sind die USA eine religiöse Nation. Doch die religiöse Vielfalt wächst, und auch die Zahl derer, die sich von Kirchen und Glaubensgemeinschaften distanzieren. Zwar steht auf den Geldscheinen noch "In God we trust", wenn US-Amerikaner jedoch heute von ihrem Glauben sprechen, ist nicht mehr klar, welcher Gott gemeint ist. Das brachte eine unlängst veröffentlichte Studie des "Pew Research Center" ans Tageslicht, bei der 3.484 US-Bürger befragt wurden. Der Untersuchung zufolge gab jeder fünfte befragte US-Amerikaner an, religiös ungebunden zu sein. Im Jahr 1990 waren dies nur acht Prozent. Besonders junge Menschen gehen inzwischen auf Distanz zur organisierten Religion. Ein Drittel der US-Amerikaner unter 30 Jahren gehört keiner Glaubensgemeinschaft an.



Obamas eigener Glaube ist einer, der im Stillen praktiziert wird - Obama, wegen seiner Beherrschtheit und analytischen Reserve von seinen Anhängern auch "Mr.Cool" genannt, trägt sein Christentum ungern öffentlich zur Schau. Damit steht er im Gegensatz zu vielen seiner Vorgänger, die, von TV-Kameras beobachtet, zur Kirche gingen. Manchmal greift er an Bord der Air Force One zum Telefon und ruft ihm wohlbekannte Pastoren an, um sich auszusprechen und gemeinsam zu beten: in 30.000 Fuß Höhe der Betende, in einer Kirche in Chicago oder in Orlando sein geistlicher Beistand. Gelegentlich greift er morgens, bevor die Verantwortung seines Amtes auf ihn einstürzt, zu seinem Blackberry und liest spirituelle Texte auf dem kleinen Display.



Die traditionelle "Kirche der Präsidenten", die von einem der architektonischen Gründer der Hauptstadt Washington, Benjamin Latrobe, kurz nach 1800 geschaffene St. John"s Episcopal Church, ist ebenso wenig zu Obamas spiritueller Heimstatt geworden wie ein anderes Gotteshaus in Washington. Zu groß, so hat er erkennen lassen, sei seine Sorge, der Einzug der "First Family" würde einen Trubel verursachen, der die Gläubigen in ihrer Andacht stören könnte.



Ewige Gerüchte

Obama, der sich im Wahlkampf 2008 weitaus häufiger auf Jesus Christus und auf christliche Glaubensideale berief als nach seinem Amtsantritt, zahlt einen hohen Preis für seinen im Privaten gehaltenen Glauben. Umfragen zufolge glauben immer noch viele Amerikaner, der Präsident sei Muslim. Nachgefragt, woher man denn dieses vermeintliche Wissen habe, antwortete die Mehrheit: aus den Medien. Dies könnte auch daran liegen, dass konservativ-republikanische Medien, allen voran Rupert Murdochs rechtslastiger Sender "Fox News", häufig Zerrbilder eines Präsidenten zeichnen, der "anders" sei.



Weiteres Gewicht haben solche Gerüchte auch 2010 durch Obamas Eintreten für den Bau eines islamischen Zentrums beim "Ground Zero" in New York gewonnen. Wie andere Unterstützer der New Yorker Muslime wies Obama darauf hin, dass Religionsfreiheit in den USA ein hohes Gut sei - und für jede Religionsgemeinschaft gelte. Kritiker warfen dem Präsidenten jedoch vor, das Andenken an die mehr als 3.000 Opfer zu verunglimpfen, die der islamistische Terroranschlag vom 11. September 2001 forderte. Und unterstellten ihm eine Nähe zu muslimischen Positionen.



Obama begegnete dem nicht mit Aktionismus, indem er seinen Glauben plötzlich in die Öffentlichkeit getragen hätte. Weiterhin nahm er an religiösen Veranstaltungen der unterschiedlichen Glaubensrichtungen teil: vom traditionellem Prayer Breakfast über die Reden zum Ramadan bis hin im Dezember beim (fast gleichzeitigen) Entzünden der Kerzen auf der jüdischen Menora beim Channukah und dem Umlegen des Schalters, um Tausende von Energiesparlampen am nationalen Weihnachtsbaum leuchten zu lassen. Zusammen mit Gattin Michelle und den Töchtern Sasha und Malia betet er wahrscheinlich auch künftig vor allem dort, wo keine Kamera, kein Mikrofon die Andacht stört: in der privaten Kapelle des präsidentiellen Wochenendhauses in Camp David.