Papst fordert familienfreundlichere Arbeitswelt

"Einseitige Logik"

Papst Benedikt XVI. hat familienfreundlichere Bedingungen in Wirtschaft und Arbeitswelt gefordert. In den modernen Theorien würden Arbeit, Produktion und Markt oft nur unter dem Gesichtspunkt der reinen Profitmaximierung gesehen, sagte er am Sonntag während der Abschlussmesse des Weltfamilientages vor knapp einer Million Menschen in Mailand.

 (DR)

Diese "einseitige Logik" laufe einer "harmonischen Entwicklung zum Wohl der Familie und zum Aufbau einer gerechteren Gesellschaft" entgegen, hob Benedikt XVI. in seiner Predigt hervor. Für eine Gesellschaft mit menschlichen Zügen sei es unerlässlich, die Arbeitzeiten und die Anforderungen der Familie miteinander in Einklang zu bringen. Das Familienleben sei die "erste und unersetzliche Schule der gesellschaftlichen Tugenden".



Zugleich rief der Papst zu einer Beibehaltung des arbeitsfreien Sonntags auf. Der Sonntag sei "wie eine Oase, in der wir innehalten, um die Freude der Begegnung zu verkosten und unseren Durst nach Gott zu stillen". Er sei der Tag der Kirche, der Familie sowie des Menschen und seiner Werte. Er sollte Familien die Gelegenheit bieten, "gemeinsam den Sinn des Festes, der Begegnung, des Miteinander-Teilens und auch der Teilnahme an der heiligen Messe". Der Papst appellierte an die Familien, trotz der beschleunigten Rhythmen der Zeit nicht "den Sinn für den Tag des Herrn" zu verlieren.



Der zerstörerischen "Logik des Habens" müsse eine aufbauende "Logik des Seins" entgegengesetzt werden, forderte der Papst. Utilitaristische Wirtschaftstheorien führten zu erbitterter Konkurrenz, Ungleichheiten, Konsumismus und starken Umweltschäden, führte er in seiner Ansprache aus. Noch größerer Schaden entstehe jedoch dadurch, dass sich die rein profitorientierte Denkweise häufig auch auf die zwischenmenschlichen und familiären Beziehungen ausweite. Diese würden so auf "unsichere Übereinstimmungen individueller Interessen" reduziert.



Der Papst bekundete in seiner Ansprache auch seine besondere Verbundenheit mit wiederverheirateten Geschiedenen. Er rief die Diözesen auf, "geeignete Initiativen" zu ergreifen, um die betroffenen Personen aufzunehmen und ihnen "Nähe zu vermitteln".

Jene Gläubigen, die zwar die Lehre der Kirche über die Familie teilten, jedoch von "schmerzlichen Erfahrungen des Scheiterns und der Trennung gezeichnet" seien, sollten wissen, dass "der Papst und die Kirche euch in eurer Not unterstützen", so Benedikt XVI.



Wiederverheiratete Geschiedene nicht ausschließen

Am Samstagabend hatte Benedikt XVI. bei einer Gebetsvigil vor rund 350.000 Menschen den Ausschluss wiederverheirateter Geschiedener von den katholischen Sakramenten als "ein großes Leiden der heutigen Kirche" bezeichnet. Es gebe in dieser Frage jedoch keine "einfachen Rezepte", sagte er . Helfen könnten nur die einzelnen Gemeinden. Zugleich hob der Papst hervor, dass Wiederverheiratete Geschiedene nicht ausgeschlossen werden dürften.



Es sei "eine große Aufgabe für eine Gemeinde und für eine katholische Gemeinschaft", dafür zu sorgen, dass sich Wiederverheiratete Geschiedene "geliebt, akzeptiert und nicht ausgeschlossen fühlen, auch wenn sie nicht die Beichte, die Absolution und die Eucharistie empfangen können", sagte der Papst. Den Betroffenen müsse die Erfahrung vermittelt werden, dass sie auch so "vollständig in der Kirche leben", so Benedikt XVI. Zudem gelte es deutlich zu machen, dass sie in der Eucharistiefeier ungeachtet ihres Ausschlusses vom Kommunionempfang dennoch geistlich mit Christus verbunden sein könnten, so Benedikt XVI.



Wenn die Leiden der Wiederverheirateten Geschiedenen "innerlich wirklich akzeptiert" würden, trügen sie zu einer wirksameren Verteidigung von Ehe und dauerhafter Liebe bei, sagte der Papst. In diesem Sinne könnten die Leiden als "Geschenk für die Kirche" betrachtet werden. Die Kirche müsse den Wiederverheirateten Geschiedenen zeigen, dass ihr Leiden auch ein Leiden der ganzen Kirche für die "großen Werte ihres Glaubens" sei, und nicht allein psychologischer oder psychischer Natur sei.



Paradies ist so ähnlich wie meine Jugend

Benedikt XVI. antwortete während einer Abendveranstaltung vor rund 350.000 Menschen auf Fragen von Familien. Er sprach ohne Manuskript. Unter den Familien war auch ein italienisches Ehepaar aus der Nähe von Ferrara, das seit dem Erdbeben vom vergangenen Dienstag in einer Notunterkunft wohnt. In seinen teils sehr persönlichen Einlassungen auf Fragen von Familien ging es unter anderem auch um die Belastungen von Familien durch die Wirtschaftskrise sowie um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.



Auf die Frage nach dem Paradies sagte der Papst. er stelle es sich ähnlich wie seine eigene Jugend vor. "Das Paradies könnte so sein, wie meine Jugend war, so dass ich hoffe, nach Hause zu gehen, wenn ich vom anderen Teil der Welt komme", sagte der Papst. In seiner Jugend sei seine Familie "eine Seele gewesen", auch wenn die Zeiten sehr schwer gewesen seien. Eine besonders wichtige Rolle habe im Hause Ratzinger die Musik gespielt. Sein Vater habe die Zither gespielt und sein Bruder sei ein großer Musiker geworden, sagte der Papst in einer sehr persönlich gefärbten Einlassung.



Der Papst regte zudem Partnerschaften zwischen Familien aus reichen und armen Ländern in Europa an, um die Belastungen durch die Wirtschaftskrise abzumildern. Als Beispiele nannte er unter anderem Deutschland und Griechenland. Heute gebe es vor allem Partnerschaften auf kultureller Ebene, so Benedikt XVI. Diese sollten jedoch auf den wirtschaftlichen Bereich ausgedehnt werden. Familien und Pfarreien könnten jeweils eine Familie in ökonomischen Schwierigkeiten unterstützen, schlug das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche vor. Der Papst antwortete damit auf die Frage einer griechischen Familie.