Papstbesuch im Spiegel der internationalen Presse

Das schreiben die anderen

Zeitungen in Europa haben den Besuch von Papst Benedikt XVI. in seinem Heimatland unterschiedlich kommentiert. Eine besondere Rolle spielen in den Montagsausgaben das vom Papst angesprochene Verhältnis von Geist und Struktur in der deutschen Kirche.

 (DR)

Der in Mailand erscheinende "Corriere della Sera" schreibt über den Papst: "Er ist knallhart mit der Reformbewegung "Wir sind Kirche"  und sagt: "Es kann niemals eine Mehrheit gegen die Apostel geben." Aber die wesentliche Frage ist eine andere: Es geht um die Kirche in der Glaubenskrise. (...) Die rhetorische Frage des Papstes, ob es nicht einen Überhang der Strukturen gegenüber dem Geist gibt, ist nicht nur eine Schelte gegen die Kirche in Deutschland. Die gesamte Kirche des Westens - angefangen mit den Bischöfen und Priestern - müsste vor allem daran denken, die Botschaft zu verkünden. Denn "wenn wir nicht zu einer wahren Erneuerung im Glauben kommen, wird eine bloße Reform der Strukturen nichts nützen.""



"Le Figaro" in Frankreich schreibt: "Die Deutschen lieben eine klare Ansage, und die haben sie bekommen! (...) "Ihr" Papst hat ihnen eine Botschaft serviert, die er keiner anderen Ortskirche in der Welt in dieser Form zu sagen gewagt hätte. In Freiburg (...) hat er das ganz laut gesagt, was alle in Rom im Grunde denken: "In Deutschland ist die Kirche bestens organisiert. (...) Ehrlicherweise müssen wir aber sagen, dass es einen Überhang an Strukturen gegenüber dem Geist gibt.""



Die in Madrid herausgegebene Zeitung "Il Mundo" meint: "Der Papst hat bei dieser Reise seine konservativste Seite gezeigt und die Hoffnungen aller enttäuscht, die dachten, er würde seine Deutschland-Visite nutzen, um Reformen anzukündigen. Mit seinen Reden und Predigten (...) hat er den Glauben vieler Gläubiger gestärkt, aber auch die Haltung seiner Kritiker bestätigt. (...) Er hat die Notwendigkeit unterstrichen, die ,Glaubenskrise" mit einer ,Erneuerung" zu bekämpfen - eine Erneuerung jedoch allein des Glaubens, weil er jegliche Art von Reform kategorisch abgelehnt hat."



"La Razon" schreibt ebenfalls in Spanien: "In einer höchst innovativen Rede, die seine Vision von der Kirche enthüllt, hat Benedikt XVI. die Epochen der Säkularisierung als hilfreich gepriesen (...) In die Praxis umsetzt, werden diese Ideen eine tiefgreifende Reform der Kirchenorganisation bewirken. (...) Nicht umsonst hat der Pontifex diese Rede in Deutschland gehalten. Die dortige Kirche ist dank der Kirchensteuern eine der reichsten der Welt. Dieses Geld unterstützt die Kirchen in Lateinamerika und Osteuropa, aber es hat auch eine große Zahl von bürokratischen Institutionen entstehen lassen."



Die in Dublin erscheinende "Irish Times" rückt das Treffen mit Missbrauchsopfern in die Schlagzeile ihrer Zusammenfassung der Papstreise. Benedikt XVI. habe "erschüttert und beschämt" auf die Begegnung reagiert. Bei seiner Sonntagsmesse in Freiburg habe das Oberhaupt sein deutlichstes Signal gegeben, "dass katholische Reformer nicht mit Veränderungen während seines Pontifikats rechnen sollten". "Der Besuch hat eine gemischte Reaktion bei den 24 Millionen Katholiken des Landes und Gleichgültigkeit beim Rest der Bevölkerung" ausgelöst. Die Aussage des Papstes in der Schlussrede, die Kirche erfülle ihre missionarische Aufgaben am besten, wenn sie sich von materiellem und politischem Ballast befreie, sei von Beobachtern als Wink an die deutschen Bischöfe verstanden worden, das Kirchensteuersystem erneut unter die Lupe zu nehmen, schreibt "Irish Times".



"The Telegraph" in London hebt den Appell des Papstes zur Einheit der Katholiken untereinander und mit dem Vatikan in den Vordergrund. "Aber der Papst besucht ein Deutschland, in dem die Kirchenlehre über Themen wir Priesterzölibat, Empfängnisverhütung, Homosexualität und dem Verbot für Frauen, Priester zu werden, schwer umstritten ist. Unterdessen ist ein Skandal um sexuellen Missbrauch durch Kleriker einer der Gründe, der für den Austritt von Zehntausenden Katholiken aus der deutschen Kirche genannt werden."



Die "Westdeutsche Allgemeine Zeitung" (WAZ) schreibt: "Benedikt hat mit seiner Rede vor dem Bundestag seine Kritiker beschämt. Er hat den Politikern Maßstäbe für ethisch begründetes Entscheiden mit auf den Weg gegeben." Die Kirche dagegen hat der Papst nach Meinung der Zeitung "verstört" zurückgelassen. Der Papst habe "es nicht vermocht, nicht einmal versucht, Spaltungen zu überwinden. Beten allein hilft der Kirche in dieser Welt nicht. Sie hat handfeste Probleme. Die lassen sich nicht wegbeten."



Ein zurückhaltend positives Fazit fällt die "Bild"-Zeitung. Sie lobt Benedikt XVI. für seine intellektuell herausfordernde Ansprache im Bundestag und glaubt, dass "für Katholiken wie Protestanten, für Gläubige wie Nichtgläubige" der Papst-Besuch "ein Anstoß zum Nachdenken" gewesen sei. Dennoch seien Christen "verständlicherweise enttäuscht, dass dieser Besuch die Ökumene nicht befördert hat. Benedikt XVI. hat aber auch keine Tür zugeschlagen".



Von einem "historischen" Ereignis spricht die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ) im Hinblick auf das ökumenische Spitzentreffen in Erfurt. "Zumindest im räumlichen Sinne ist der Papst den Protestanten damit entgegengekommen. Die Ökumene der Symbole wird aber auch in Zukunft eine Ökumene der Begriffe nicht ersetzen können." Hier allerdings hätte Benedikt "die geringsten Erwartungen unterboten".



Die "Süddeutsche Zeitung" ist der Meinung, dass der Papst "manches überhört" habe und stellt eine Absage von Benedikt XVI. an Kirchenreformen fest: "Doch zu sagen: Glaubt nur fest an das, was so von Rom kommt, dann braucht ihr keine Reformdebatte und keinen Dialog - das nimmt die realen Probleme einer Kirche nicht ernst, der im vergangenen Jahr die Mitglieder abhanden gekommen sind wie selten, die darum ringt, wie sie einen Weg zwischen Tradition und Erneuerung finden kann."



Die "Berliner Zeitung" kritisiert vor allem die Aussagen von Benedikt XVI. zur Ökumene: "Er mauert sich und seine Kirche ein, er verkleinert den Dialog mit säkularer Welt und den anderen Religionsgemeinschaften zum bloßen Gestentausch. Die Katholische Kirche wird damit zu jener fensterlosen Betonklotzwelt, die der Papst in der Bundestagsrede an einer nur materialistisch ausgerichteten Politik mit Recht beklagt hat."



Der Bonner "General-Anzeiger" ist der Ansicht, dass Benedikt XVI. ein "sensibler Seelsorger und nicht der kalte Inquisitor" sei. Dennoch äußert der Kommentator Zweifel an der innerkirchlichen Stoßrichtung der Papstreden: "Seine pauschalen Absagen erklären sich aus übergroßer Vorsicht, aus Verunsicherung durch Folgewirkungen des Zweiten Vatikanischen Konzils. Nur: Was wäre aus der Kirche geworden, wenn der Initiator des Konzils, Johannes XXIII., so vorsichtig gewesen wäre wie heute Benedikt?"



Die "Mitteldeutsche Zeitung" spricht von einer bitteren Erkenntnis für die katholischen Laien. Mit jeder Station seiner Reise habe der Papst immer deutlicher erkennen lassen, worum es ihm gehe: "den festen Glauben, die reine Lehre, die heilige Kirche". Die Reformanliegen der Laien habe der Papst als "Ausdruck von Apparatschik-Mentalität" abgetan. "Stattdessen kritisierte er die strukturelle und materielle Verfettung der deutschen Kirche. Das ist ein kühner Vorwurf, leben der Vatikan und die sozial-karitative Arbeit der Kirche doch zu einem Gutteil von den Zuwendungen der deutschen Katholiken."



Die Berliner "taz" sieht in der Papstreise nur einen "halben Erfolg" und bemüht ein Bild aus dem Sport. "Die Säkularisierung der deutschen Gesellschaft wird voranschreiten, auch ein noch so prächtiger Papstbesuch kann sie nicht aufhalten", heißt es. Und weiter: "Die katholische Kirche hat sich bei diesem Besuch des Papstes wie ein alter Boxer präsentiert, der angesichts der alten Lieder wieder Mut fasst und noch einmal seine beachtlichen Muskeln zeigt. Kampflos geht er nicht aus dem Ring."



Die "Welt" dagegen gewinnt in ihrem Leitartikel "Die Volkskirche lebt" den päpstlichen Äußerungen zur Ökumene Positives ab: "Und auch wenn amtskirchlich jetzt zwischen den beiden Konfessionen eine kleine Eiszeit beginnt, kann dies religiös durchaus Vorteile haben. So dürfte das oft peinlich bettelnde Gezerre der Evangelischen am katholischen Amts- und Eucharistieverständnis fürs Erste ein Ende haben. Umgekehrt können die Katholiken damit aufhören, den Protestanten in deren theologisch wohlbegründete Positionen zur Bioethik oder zur innerkirchlichen Demokratie hineinzureden."



Das Magazin "Cicero" distanziert sich in einem Kommentar auf der Online-Seite von dem Chor der Kritiker: "Die Medien werden nach dieser Reise dominiert vom Wort Enttäuschung. Benedikt XVI. hätte sich diese Reise einfacher machen können. Doch gerade darin, dass Benedikt XVI. provoziert hat, liegt der eigentliche Wert der Reise. Und das ist auch der Wert von Religion. Wenn sie genauso ist, wie die Welt um sie herum, macht sie sich selbst überflüssig."